Kompaktheit ist ein zentraler Begriff der mathematischen Topologie, und zwar eine Eigenschaft, die einem topologischen Raum zukommt oder nicht. Sie wird in vielen mathematischen Aussagen vorausgesetzt – oft auch in abgeschwächter Form als Lindelöf-Eigenschaft oder Parakompaktheit. Lokalkompaktheit ist im Falle von Hausdorff-Räumen ebenfalls eine abgeschwächte Bedingung. Eine kompakte Menge nennt man je nach Kontext auch Kompaktum oder kompakter Raum; dabei ist unerheblich, ob sie Teilmenge eines Oberraums ist.
Einfache Beispiele für kompakte Mengen sind abgeschlossene und beschränkte Teilmengen des Euklidischen Raums wie das Intervall . Einfache Gegenbeispiele bilden die nicht kompakten Mengen (nicht beschränkt) oder (nicht abgeschlossen).
Eine Teilmenge des euklidischen Raums heißt kompakt, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist. Für diese spezielle Definition gilt der Satz von Heine-Borel:
Der Satz von Heine-Borel motiviert die folgende Verallgemeinerung der Definition der Kompaktheit auf topologische Räume.
Ein topologischer Raum heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung
besitzt.[1]:105
Eine Teilmenge eines topologischen Raums heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung
eine endliche Teilüberdeckung
besitzt. Die beiden Begriffe sind kompatibel. Eine Teilmenge eines topologischen Raumes ist genau dann kompakt, wenn sie als topologischer Raum mit der Teilraumtopologie kompakt ist.[1]:105
Einige Autoren, wie beispielsweise Nicolas Bourbaki[1]:105, verwenden für die hier definierte Eigenschaft den Begriff quasikompakt und reservieren den Begriff kompakt für kompakte Hausdorff-Räume. Manche Autoren nennen die Kompaktheit zur klareren Abgrenzung von der Folgenkompaktheit auch Überdeckungskompaktheit.[2]
Um das Jahr 1900 waren die folgenden Charakterisierungen kompakter Teilmengen des bekannt:
Die erste Charakterisierung ist abhängig von der gewählten Metrik. Die anderen drei Charakterisierungen hingegen lassen sich auf beliebige topologische Räume übertragen und bieten somit eine Möglichkeit einen Kompaktheitsbegriff für topologische Räume zu definieren. Maurice René Fréchet nannte 1906 Teilmengen metrischer Räume kompakt, die die zweite Eigenschaft erfüllten. Diese Definition wurde später auf topologische Räume übertragen. Man nannte also die im heutigen Sinne abzählbar kompakten Räume damals kompakt. Pawel Sergejewitsch Alexandrow und Pawel Samuilowitsch Urysohn führten 1924 den heutigen Kompaktheitsbegriff im Sinne der vierten Eigenschaft ein. Räume, die diese Eigenschaft erfüllten, nannten sie bikompakt. Diese Kompaktheitsdefinition setzte sich allerdings erst um 1930 durch, als Andrei Nikolajewitsch Tichonow bewies, dass beliebige Produkte bikompakter Räume wieder bikompakte Räume ergeben. Dieses Resultat ist heute als Satz von Tychonoff bekannt. Für abzählbar kompakte und folgenkompakte Räume (Eigenschaft drei) gilt dies nicht.[1]:330
Ein wichtiger Grund für die Betrachtung kompakter Räume ist, dass sie in mancher Hinsicht als Verallgemeinerung von endlichen topologischen Räumen gesehen werden können, insbesondere sind auch alle endlichen Räume kompakt. Es gibt viele Ergebnisse, die sich leicht für endliche Mengen beweisen lassen, deren Beweise dann mit kleinen Änderungen auf kompakte Räume zu übertragen sind. Hier ein Beispiel:
Wir setzen voraus, dass ein Hausdorff-Raum ist, ein Punkt aus und eine endliche Teilmenge von , die nicht enthält. Dann können wir und durch Umgebungen trennen: für jedes aus seien und disjunkte Umgebungen, die jeweils bzw. enthalten. Dann sind die Schnittmenge aller und die Vereinigung aller die benötigten Umgebungen von und .
Ist nicht endlich, gilt der Beweis nicht mehr, da der Durchschnitt von unendlich vielen Umgebungen keine Umgebung mehr sein muss. Für den Fall, dass kompakt ist, lässt sich die Beweisidee aber wie folgt übertragen:
Wir setzen wieder voraus, dass ein Hausdorff-Raum ist, ein Punkt aus und eine kompakte Teilmenge von , die nicht enthält. Dann können wir und durch Umgebungen trennen: für jedes aus seien und disjunkte offene Umgebungen, die jeweils bzw. enthalten. Da kompakt ist und von den offenen Mengen überdeckt wird, gibt es endlich viele Punkte mit . Dann sind die Schnittmenge aller und die Vereinigung aller , , die benötigten Umgebungen von und .
Man sieht an diesem Beispiel, wie die Kompaktheit verwendet wird, um von möglicherweise unendlich vielen Umgebungen auf endlich viele zu kommen, mit denen dann der bekannte Beweis für endliche Mengen fortgeführt werden kann. Viele Beweise und Sätze über kompakte Mengen folgen diesem Muster.
Es gibt einige topologische Eigenschaften, die äquivalent zur Kompaktheit in metrischen Räumen sind, aber nicht äquivalent in allgemeinen topologischen Räumen:
Während diese Konzepte für metrische Räume äquivalent sind, gibt es im Allgemeinen folgende Beziehungen: