Rotraud Ries (geb. Klingbeil, * 1956 in Braunfels/Lahn) ist eine deutsche Historikerin und Spezialistin für deutsch-jüdische Geschichte. Sie war Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken in Würzburg.

Leben und Wirken

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ries legte 1975 das Abitur am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal-Elberfeld ab. Sie studierte von 1975 bis 1982 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster/Westf. Geschichte, Judaistik und Ev. Theologie und schloss mit dem Magisterexamen ab. Ab 1976 arbeitete sie als studentische und wissenschaftliche Mitarbeiterin im dortigen Institut für vergleichende Städtegeschichte sowie im angeschlossenen SFB 164. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sich Ries mit den Bedingungen jüdischen Lebens in Niedersachsen im 15. und 16. Jahrhundert und legte damit die erste neuere Regionalstudie zur deutsch-jüdischen Geschichte dieser Zeit vor.[1] Dafür erhielt sie ein Stipendium des Ev. Studienwerks Villigst. 1990 wurde Ries bei Peter Johanek promoviert, die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen publizierte ihr Buch 1994.

Auf die Promotion folgten zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vorträge, die im Rahmen wissenschaftlicher Projekte entstanden. Der Forschungsschwerpunkt von Ries liegt im Bereich der frühneuzeitlichen jüdischen Geschichte. Sie befasste sich mit einer breiten Vielfalt von Themen, darunter die jüdische Regionalgeschichte, das Landjudentum, die jüdische Wirtschaftselite wie auch Konversionen vom Judentum zum Christentum. Seit 2010 stehen Themen des 19. und 20. Jahrhunderts mit der Biographie-Forschung und der Erinnerungskultur im Mittelpunkt. Ries wendet insbesondere Methoden der neueren Sozial- und Kulturgeschichte an.

Von 1994 bis 1999 war Ries wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt “Die Rolle der Hofjuden im Akkulturationsprozess der Judenschaft des deutschsprachigen Raumes” an der TU Darmstadt unter Leitung von Friedrich Battenberg. Dem folgte von 2002 bis 2005 die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitäten Duisburg bzw. Düsseldorf im Projekt “Pragmatik oder Programm: Akkulturationsprozesse in der jüdischen Oberschicht im 18. Jahrhundert” unter Leitung von Stefan Rohrbacher. Von 2007 bis 2008 arbeitete Ries als leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin im Jüdischen Museum Berlin im Projekt EMIKA. Die für einen Multimedia-Guide erarbeiteten Hintergrundgeschichten zu einzelnen Objekten fanden unter dem Titel "Dinge" Eingang in das digitale Angebot des Museums.

Im Rahmen von Lehraufträgen unterrichtete Ries an der Universität Bielefeld sowie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Im Jahr 1999 hat sie die Gründung eines Arbeitskreises zur frühneuzeitlichen jüdischen Geschichte angeregt, der in Kooperation mit Birgit Klein und Katja Kriener im Jahr 2000 seine erste Tagung ausrichtete. Seitdem tagt das Interdisziplinäre Forum „Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit“ unter ihrer Leitung in Kooperation mit Christoph Cluse und wechselnden Teams einmal jährlich, seit 2011 in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Von September 2009 bis Juni 2022 leitete Ries das „Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken“[2], das 2011 auf ihre Initiative von „Dokumentationszentrum“ in „Johanna-Stahl-Zentrum“ umbenannt wurde. Die Einrichtung wird zu gleichen Teilen von der Stadt Würzburg und dem Bezirk Unterfranken getragen. Mit einem sehr kleinen Team war Ries zuständig für 900 Jahre Geschichte in einer besonders dicht von jüdischen Gemeinden und ihrer Kultur geprägten Region. Sie setzte neue Impulse, verankerte das Zentrum stärker in der Region und machte es zum ersten Mal überregional sichtbar. Mit Datenbanken für Bibliothek und Bestände, mit einer eigenen Website, mit der systematischen Erfassung und Digitalisierung von Quellen und zuletzt mit umfangreichen online-Angeboten für eine historisch informierte Erinnerungskultur führte sie das Zentrum ins digitale Zeitalter. Auch Publikationen, Vortragsprogramme und Ausstellungen beleuchteten die Breite und Vielfalt der jüdischen Gesellschaft und ihrer Kultur über die Jahrhunderte. Sie galten im Besonderen den Landjuden, Frauen, Kindern, Familienfirmen und Familiengeschichten. Auch die jüdische Heimatforschung, die Erinnerungskultur sowie die NS-Verfolgungen wurden thematisiert, künstlerische Perspektiven kamen in Ausstellungen zu Wort.[3]

Mitgliedschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Publikationen (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein vollständiges Verzeichnis findet sich auf der Website von Rotraud Ries:[4]

Monographien und Herausgeberschaften

Aufsätze

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Im Druck erschienen als: Jüdisches Leben in Niedersachsen im 15. und 16. Jahrhundert, Hannover 1994.
  2. Historikerin Rotraud Ries über Erinnerungskultur: 'Wichtig ist, jede Generation neu anzusprechen'. 28. April 2022, abgerufen am 2. Februar 2023.
  3. Siehe Rotraud Ries, Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. Ein Porträt, in: nurinst 2018. Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts 9 (2018), S. 153-165; gekürzte und aktualisierte Fassung auf der Seite des JSZ
  4. Vollständige Publikationsliste
Personendaten
NAME Ries, Rotraud
ALTERNATIVNAMEN Klingbeil, Rotraud (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG deutsche Historikerin
GEBURTSDATUM 1956
GEBURTSORT Braunfels, Lahn