Der Ortskern von Nieder-Ohmen liegt in einer Flussschleife mit Straßenübergängen am rechten östlichen Ufer der Ohm, deren Tal den Vorderen Vogelsberg nach Osten abschließt. Die Gemarkung umfasst 1651 Hektar, von denen 703 Hektar bewaldet sind (Stand: 1961). Landwirtschaftlich genutzt sind die Fluren rings um die Ortslage, während die Waldgebiete vornehmlich am westlichen, nördlichen und östlichen Rand der Gemarkung zu finden sind. Ein Waldstück von rund 65 Hektar Fläche im Norden der Gemarkung nennt sich Windhain und hat einer Gehöftgruppe westlich davon und einem südwestlich vorgelagerten Wohn- und Wochenendgebiet den Namen gegeben. Ein Waldgebiet im Westen der Gemarkung trägt den Namen Eisenkaute und ist gekennzeichnet durch inzwischen bewaldete Abraumhalden der früheren Eisengrube Albert.
Der niedrigste Punkt der Gemarkung liegt an der Nordgrenze bei etwa 233 m in der Ohmniederung. Die höchste Erhebung liegt bewaldet an der Südostgrenze auf 343,6 m im Walddistrikt Alter Zwilling.[3]
Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung erfolgte in den Jahren von 750 bis 786 unter dem Namen Amana im Codex Eberhardi und im Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld. Bei der ersten Erwähnung handelt es sich mit Sicherheit um ein Gewässer, während bei den späteren Erwähnungen nicht gesagt werden kann, ob es sich um Ober- oder Nieder-Ohmen handelt. Erst 1241 bzw. 1308 findet eine eindeutige Differenzierung statt.[1]
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Nieder-Ohmen:
„Niederohmen (L. Bez. Grünberg) evangel. Pfarrdorf; liegt an der Ohm, 2 St. von Grünberg, hat 171 Häuser und 1052 Einwohner, die außer 2 Katholiken und 52 Juden evangelisch sind, sodann 1 Kirche, 1 Rathhaus, 4 Backhäuser, 1 Papiermühle und 3 Höfe, Königssaasen, Obergrubenbach und Windhain. – Der Ort kommt 1008 unter dem Namen Amena in Pago Oberen Logenahe in Comitatu Gisonis vor und bildete mit andern Orten ein eigenes Gericht, an welchem das Stift von St. Stephan zu Mainz Theil hatte, und von welchem Landgraf Heinrich II., 1370 bekennt, daß er diesen Theil des Gerichts zu Niedern Amen, und die dazu gehörigen Dörfer und Wüstungen, mit Namen Atzinhayne (Atzenhain), Lumme (Groß- oder Kleinlumda), Bernsfelde (Bernsfeld), Koningesassin (Königssaasen), Schonenborn, Pherdesbach, Rensbach und Wadenhusen, von dem Stifte zu Lehen trage. Die Kirche zu Niederohmen ist wohl die älteste dieser Gegend. Sie gehörte zur Probstei von St. Stephan zu Mainz, wurde aber 1212 dem Convent überlassen, und umfaßte sämmtliche genannte Orte, nebst Merlau und Wettsaasen in ihrem Kirchengebiet.“[4]
Hessische Gebietsreform (1970–1977)
Zum 31. Dezember 1971 fusionierten Nieder-Ohmen und Ober-Ohmen mit der Gemeinde Mücke zur neuen Großgemeinde Mücke.[5][6]
Für Nieder-Ohmen wurde, wie für die übrigen Ortsteile von Mücke, ein Ortsbezirk gebildet.[7]
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das Hofgericht Gießen als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Nieder-Ohmen das „Amt Grünberg“ zuständig.
Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Landgerichte übergingen. „Landgericht Grünberg“ war daher von 1821 bis 1879 die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Nieder-Ohmen zuständig war.
Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Grünberg“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[18] Am 1. Juli 1968 erfolgte die Auflösung des Amtsgerichts Grünberg, Nieder-Ohmen wurde dem Amtsgericht Alsfeld zugelegt.[19]
In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Gemeinde Mücke[2]; Zensus 2011[24]
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Nieder-Ohmen 2367 Einwohner. Darunter waren 36 (1,5 %) Ausländer.
Nach dem Lebensalter waren 411 Einwohner unter 18 Jahren, 930 zwischen 18 und 49, 279 zwischen 50 und 64 und 237 Einwohner waren älter.[24]
Die Einwohner lebten in 990 Haushalten. Davon waren 234 Singlehaushalte, 330 Paare ohne Kinder und 306 Paare mit Kindern, sowie 102 Alleinerziehende und 18 Wohngemeinschaften. In 195 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 666 Haushaltungen lebten keine Senioren.[24]
Eine Ortskirche in Kirche in Nieder-Ohmen ist für das Jahr 1314 belegbar.[25] 1866 musste die Kirche wegen Einsturzgefahr geschlossen und kurz darauf abgerissen werden. Am 9. Juli 1886 kam es zur Grundsteinlegung der neuen Kirche. Der Einweihungsgottesdienst fand am 18. Oktober 1887 statt.
Im 16. bis 18. Jahrhundert etablierte sich eine kleine jüdische Gemeinde in Nieder-Ohmen. Die Synagoge befand sich Elpenröderstraße 34–35/Im Eck 3–5. Nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: 69 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bereits 1935 (drei Jahre vor der sogenannten Reichspogromnacht) wurde die Synagoge geschändet.
Für Nieder-Ohmen besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Nieder-Ohmen) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[7]
Der Ortsbeirat besteht aus neun Mitgliedern. Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 53,76 %. Dabei wurden gewählt: zwei Mitglieder der SPD und sieben Mitglieder der „Bürgerliste Nieder-Ohmen“ (BLNO).[27] Der Ortsbeirat wählte Jörg Matthias (BLNO) zum Ortsvorsteher.[28]
Blasonierung: „ Auf einem in den Farben rot und weiß quergeteilten Schild in der oberen, roten Hälfte den goldenen halben Reichsadler mit dem Königskopf und auf der unteren, weißen Hälfte ein blaues Wellenband.“[29]
Das Wappen der damaligen Gemeinde am 24. August 1956 vom Hessischen Innenminister genehmigt, gestaltet wurde es von dem Bad Nauheimer Heraldiker Heinz Ritt.
Der Adler mit Königskopf stammt aus dem Wappen der Herren von Mörlau, welche über den Ort regierten. Er taucht auch im Wappen der Gemeinde Mücke wieder auf. Das Wellenband symbolisiert redend die namensgebende Ohm.
Im 1555 erbauten Fachwerk-Rathaus ist ein Heimatmuseum untergebracht. Am nördlichen Ortsrand wurde das Fundament eines Rundturmes aus dem 10. Jahrhundert freigelegt, die so genannte Burgschoan (Burgschall). Die Burg Nieder-Ohmen wurde vermutlich zur Kontrolle einer alten Handelsstraße errichtet und steht auf einer kleinen Insel von der Ohm umschlossen. Der Durchmesser des Turms beträgt ca. 13 m mit einer Wandstärke von 3 m.
Der Bahnhof Nieder-Ohmen ist ein Haltepunkt der Bahnstrecke Gießen–Fulda.
Die Autobahnanschlussstelle bei Atzenhain, Homberg/Ohm liegt verkehrsgünstig 2 km entfernt.
Im Ort befinden sich außerdem eine Gesamtschule ohne Oberstufe, eine Sozialstation mit ausgebildetem Fachpersonal und ein Dorfgemeinschaftshaus.
Auf dem Kratzberg betreibt die Luftsportgruppe Mücke e. V. einen Modellflugplatz für Segel- und Motorflugzeuge.
Nieder-Ohmen ist Hauptschauplatz der als Jugendbuch erschienenen Novelle Adam Kopatz des Gießener Schriftstellers Florian Michnacs. Die Novelle berichtet das Erwachsenwerden des Helden ab dem Ende der 1980er Jahre und greift das reale Problem vieler Bauernfamilien auf, dass das erwachsene Kind den Hof der Eltern nicht weiterführen will.[30]
Johann Peter Becker (* 3. Juni 1804 in Nieder-Ohmen; † 26. Februar 1884 in Gießen), ehemaliger Abgeordneter der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen
Hilda Stern Cohen (* 1. Januar 1924 in Nieder Ohmen; † 5. August 1997 in Baltimore, USA), jüdische Holocaust-Überlebende und Autorin verschiedener Gedichte mit Entstehungszeit zwischen 1932 und 1949.[31]
Christoph Gerhard (* 18. Juni 1977 in Lich) ist ein deutscher Ingenieur, Hochschullehrer und Autor. Wuchs in Nieder-Ohmen auf.
Harald Lesch (* 28. Juli 1960 in Gießen) ist ein deutscher Physiker, Astronom, Naturphilosoph, Autor, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Professor für Physik sowie für Naturphilosophie. Wuchs in Nieder-Ohmen auf.
Tobias Reitz (* 4. Oktober 1979 in Marburg) ist ein deutscher Liedtexter. Wuchs in Nieder-Ohmen auf.
Stephan Weidner (* 29. Mai 1963 in Alsfeld) ist ein deutscher Musiker (Böhse Onkelz), lebte einige Jahre in Nieder-Ohmen.
Lutz Reichardt: Die Siedlungsnamen der Kreise Giessen, Alsfeld und Lauterbach in Hessen. S. 280–281.
Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen. S. 240.
Archäologischen Denkmalpflege im Landesamt für Denkmal in Hessen (Hrsg.): Archäologische Denkmäler in Hessen 73 – Die ottonische Niederungsburg in Nieder-Ohmen. Wiesbaden 1988.
↑Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
↑ ab„Daten und Fakten“. In: Internetauftritt. Gemeinde Mücke, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen im Januar 2024. (Daten aus Web-Archiv)
↑Flurbezeichnungen laut Liegenschaftskataster bei Geodaten online, auf gds.hessen.de
↑Gemeindegebietsreform in Hessen; Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 21. Dezember 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1972 Nr.3, S.84, Punkt 93 Abs. 2. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,0MB]).
↑Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S.346.
↑ abHauptsatzung. (PDF; 147 kB) § 6. In: Webauftritt. Gemeinde Mücke, abgerufen im Januar 2024.
↑Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC162730471, S.12ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC162730471, S.13ff., § 26 Punkt d) III. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑
Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC165696316, S.8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band22. Weimar 1821, S.419 (online bei Google Books).
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Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S.109 (online bei Google Books).
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↑Baur, Ludwig (Hrsg.): Hessische Urkunden aus dem großherzoglichen Hessischen Haus- und Staatsarchive zum erstenmale herausgegeben, Band 1: Die Provinzen Starkenburg und Oberhessen von 1016-1399, 1860, Nr. 476
↑Genehmigung eines Wappens der Gemeinde Nieder-Ohmen im Landkreis Alsfeld, Regierungsbezirk Darmstadt vom 24. August 1956. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1956 Nr.36, S.916, Punkt 825 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,8MB]).