Mathieu Gascongne, auch Gascogne, Guascogne oder Gasconia (aktiv in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts) war ein französischer Komponist und Sänger der Renaissance[1][2].[3]

Leben und Wirken

Nach der aktuellen Quellensituation liegen sowohl Geburts-Datum und -Ort wie auch Sterbe-Datum und -Ort von Mathieu Gascongne im Dunkeln, weil sie von der musikhistorischen Forschung noch nicht aufgefunden werden konnten. Auch darüber hinaus gibt es über ihn nur wenige biografische Informationen, beispielsweise das Dokument, das ihn in der frühen Regierungszeit von König Franz I. (Regierungszeit 1515–1547) dem Gefolge des französischen Hofs zuordnet. Sein Name wird erstmals direkt genannt mehr am Anfang einer Liste von Zahlungsempfängern von 29 maîtres et chantres, denen der Lohn für die geleisteten Dienste vom 1. Oktober 1517 bis zum 30. September 1518 entrichtet wurde. Ein päpstliches Schreiben vom 15. Dezember 1518 zeigt ihn als Kleriker des Bistums Meaux, und zwar als Kaplan an der Kathedrale St. Marie-Magdalène in Tours und als Sänger an der königlichen Kapelle. All diese Zeugnisse scheinen zu belegen, dass seine Motetten Christus vincit, Christus regnat und Deus regnorum zur Krönung von Franz I. im Jahr 1515 komponiert wurden; zwei weitere, Caro mea vere est cibus und Cantemus et laetemur, beziehen sich direkt oder indirekt auf diesen Herrscher. Gascongnes Name ist zwar nicht in den überlieferten Dokumenten des französischen Hofs von 1500 bis 1517 enthalten, aber die Verbreitung seiner Musik sowie die erwähnten Motettentexte sprechen dafür, dass seine Kontakte zum Königshof schon erhebliche Zeit vor dem Jahr 1517 bestanden haben. Er hatte aber offensichtlich zwischen 1510 und 1514 von der päpstlichen Kurie keine Pfründen erbeten, obwohl dies die meisten Sänger der königlichen Kapelle taten; auch ist sein Name nicht in der Liste der Sänger enthalten, die zur Beisetzung von König Ludwig XII. Anfang 1515 Trauerbekleidung gekauft haben.

Dennoch waren Gascongne und seine Musik weithin bekannt. Dafür sprechen seine zwölfstimmige kanonische Motette Ista est speciosa, notiert auf der Rückseite des Titelblatts des zugehörigen Manuskripts (Handschrift GB-CME 1760) und entstanden vermutlich am Hof von Königin Anne von Bretagne († 1514) und König Ludwig XII. 30 der 57 hier enthaltenen Werke sind entweder von Mathieu Gascongne oder von Antoine de Févin. Außerdem spricht viel dafür, dass der Komponist seine Vertonung Caro mea vere est cibus 1512/13 im Auftrag des französischen Königs verfasst hat, um damit verschiedenen, gegen die Franzosen hetzenden Schreiben von Papst Julius II. (Amtszeit 1503–1513) entgegenzutreten. Eine weitere Gascongne zugeschriebene Motette, Non nobis Domine, rühmt die Krönung von König Franz und ist ein Kontrafakt einer Komposition von Jean Mouton, der mit dieser im Jahr 1510 die Geburt von Prinzessin Renée gefeiert hat. Ein Teil der Messen des Komponisten ist mit anderen gleichartigen Werken von Kollegen veröffentlicht worden, die ebenfalls Verbindungen zum königlichen Hof hatten, wie Antoine de Févin, Jean Mouton, Jean Richafort und Jehan Barrat (genannt Hotinet Barra).

Bedeutung

Die sechs von Gascongnes acht Messen, die in den Handschriften der Kathedrale von Cambrai enthalten sind, haben längere Zeit zu der Annahme geführt, er gehöre zu der sogenannten Schule von Cambrai mit den Komponisten Crispin van Stappen, Louis van Pullaer und Johannes Lupi. Erst später wurde auf Grund seines Stils und seiner Werkeverbreitung klar, dass er zur Musiktradition des französischen Königshofs gehört, die von Antoine de Févin und Jean Mouton zwischen 1510 und 1520 begründet worden ist. Sein besonderer Ruf als Chanson-Komponist geht auf seine dreistimmigen Werke zurück, die zwei verschiedenen Stilrichtungen zeigen. Die Chansons aus seiner Frühzeit einschließlich der sechs weltlichen Lieder gehören zum Typ des chanson rustique mit einer leicht verzierten weltlichen Melodie im Tenor und einer auffallend leichten imitativen Sopran- und Contratenor-Stimme. Seine späteren Stücke, besonders die sechs dreistimmigen Chansons, besitzen einen geradtaktigen Verlauf, der für die sogenannte lyrische oder Pariser Chanson typisch ist; alle drei Stimmen haben das gleiche Gewicht und sind oft durch Imitation miteinander verflochten. Die Motetten des Meisters sind denen von Févin und Mouton verwandt, sind meist vierstimmig und zeigen paarweise Imitation und Duos ebenso wie deklamatorische akkordische Teile und Imitationen in allen vier Stimmen. Auch fällt die Sorgfalt auf, mit der die musikalische Struktur jeweils dem vertonten Text angepasst ist. Bei seinen Messen verwendet Gascongne auch Material aus weltlichen polyphonen Werken anderer Komponisten, wie Josquin, Pierre de la Rue und Antoine de Févin und liefert damit frühe Beispiele für die sogenannte Parodiemesse.

Der Komponist und Musikherausgeber Pierre Attaignant hat 1534/35 mehr als die Hälfte der vierstimmigen Motetten und eine der beiden Magnificat-Vertonungen Gascongnes in seinen Motettenbüchern publiziert, darüber hinaus auch die Missa super »Nigra sum« im ersten Band mit Messen von 1532.

Werke

Literatur (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. John T. Brobeck: Gascongne, Mathieu. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. 2. Ausgabe. Personenteil, Band 7 (Fra-Gre). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2002, ISBN 3-7618-1117-9, Spalte 564–567
  2. Marc Honegger, Günther Massenkeil: Das große Lexikon der Musik. Band 3. Herder, Freiburg im Breisgau 1980, ISBN 3-451-18053-7
  3. Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2nd Edition. Band 9. McMillan Publishers, London 2001, ISBN 0-333-60800-3