Kunststoffkamm
Ein Handwerker in Kerala, Indien, fertigt Kämme aus Horn

Der Kamm ist ein Werkzeug, mit dem Haare in eine Richtung ausgerichtet sowie Schmutz und Ungeziefer beseitigt werden können. Er ist das älteste in Benutzung stehende Werkzeug zur Körperpflege. Ein Kamm besteht aus einer unterschiedlich großen Anzahl mehr oder weniger feiner Zähne (den Zinken) sowie einem Griff, der oft auch über die Zahnreihe verlängert ist. Kämme mit längeren Zinken können zum Befestigen von Haaren genutzt werden.[1]

Materialien

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Kämme wurden aus Elfenbein, Geweih, Binsen, Knochen, Horn oder Holz gefertigt. Binsen-Kämme sind aus dem Neolithikum bekannt.[2] Kämme aus Schildpatt wurden im 19. Jahrhundert in Europa populär. Moderne Kämme werden meist aus Kunststoffen wie Zelluloid, Silikon oder Hartgummi hergestellt, seltener aus rostfreiem Edelstahl.

Kulturgeschichte

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Runen auf dem Kamm von Frienstedt: kaba (als kamba zu lesen)
Jost Amman: Kammmacher (1568)

Der bisher älteste bekannte Kamm stammt aus einer Höhle im Wadi Murabbaʿat im Westjordanland.[3] Er wurde aus neun Splittern von Myrtenholz gefertigt, die mit Asphalt verklebt und dann mit Zwirn verbunden wurden. Er ist auf 10220 ± 45 BP (unkal.) datiert (Beschleuniger ETH Zürich). Es kann sich dabei jedoch auch um eine Hechel handeln. Knochenkämme sind aus der Schicht B (Natufien) der Kebara-Höhle im Karmel bekannt. Aus dem ausgehenden Natufien (8300–7600 BC cal.) stammen Kämme aus Mureybit (Phasen IB, II, III).[4] Auch bei diesen ist nicht immer klar, ob es sich um Haar- oder Hechelkämme handelt.

Kämme wurden auch benutzt, um Läuse und Nissen aus dem Haar zu entfernen. Dazu verwendete man besonders eng stehende Zinken.[5] Ein koptischer Holz-Kamm aus Antinoë in Ägypten enthielt noch sieben Nissen.[6] Vergleichbare Funde sind aus dem hellenistischen und römischen Palaestina bekannt.[7]

Im Römischen Reich wurden Spiegel und Kämme als weibliches Symbol verwendet, besonders auf Grabstelen,[8] was aber nicht bedeutet, dass Männer sie nicht verwendeten.[9]

Der Kamm von Frienstedt (Thüringen) stammt aus dem 3. Jahrhundert und ist aus Hirschgeweih geschnitzt. Der 12,5 cm lange Kamm ist das älteste Zeugnis der westgermanischen Sprache in Deutschland – er trägt als Runeninschrift das Wort kaba (Aussprache: „kamba“) für „Kamm“.[10]

In frühmittelalterlichen Gräbern sind Kämme aus Bein oder Geweih für Männer der Oberschicht belegt. Bis ins späte Mittelalter fand der Dreilagenkamm Verwendung. Ein Beispiel dafür ist der Dublin-Castle-Kamm aus dem Hochmittelalter, der bei den Ausgrabungen 1961/62 am Dublin Castle entdeckt wurde. Er wird ins 11. bis 12. Jahrhundert datiert.

Kämme im Friseurhandwerk

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Im Friseurhandwerk werden Kämme nach ihrem Verwendungszweck und Aussehen unterschieden in Haarschneidekämme, Stielkämme, Wasserwellkämme, Frisierkämme, Strähnenkämme und Toupierkämme mit Lockenhebern.[11]

Textilverarbeitung

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Kämme zur Verarbeitung von Fasern

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In der Textilverarbeitung werden Fasern durch spezifische Kämme zur weiteren Nutzung wie Spinnen oder Filzen vorbereitet. Der Vorgang dient zur Rohstoffauswertung bzw. zur Erzielung einer bestimmten Durchschnittsstapellänge der bearbeiteten Faserart. Dabei kommen drei ganz unterschiedliche Verfahren zur Anwendung:

Ein Paar Handkarden

Während beim Kardieren das Material bis zum Ende des Prozesses auf den Karden verbleibt und verlustfrei als Kardvlies oder Kardenband abgezogen wird, fallen beim Wollkämmen und Hecheln ganz erhebliche Mengen an minderwertigen Restpartien an, die sogenannten Kämmlinge bzw. das Werg. Das Endprodukt beim Kämmen bezeichnet man als Kammzug.

Kämme zum Führen von Garnen

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Gatterkämme mit Schlitzen und Löchern für die Bandweberei

In der Weberei werden Kämme eingesetzt, um die Kettfäden in einem Webstuhl oder Webrahmen geordnet zu führen.

Siehe auch

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Literatur

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Geschichte

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Commons: Kamm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kamm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Kamm Duden Online, abgerufen am 10. April 2014
  2. Ronald Heynowski, Hartmut Kaiser, Ulrike Weller: Kosmetisches und medizinisches Gerät: Erkennen – Bestimmen – Beschreiben. Bestimmungsbuch Archäologie 4. Berlin, Deutscher Kunstverlag.
  3. Tamar Schick ת' שיק: A 10,000 Year Old Comb from Wadi Murabba'at in the Judean Desert. מסרק בן שנה מואדי מורבעאת שבמדבר יהודה. Atiqot 27, 1995, 199–202. JSTOR:23458202 Accessed: 21-10-2016
  4. Daniele Stordeur: Objets dentés en os de Mureybet (Djezireh, Syrie), des phases IB à III : 8400 à 7600 bc. Paléorient 2/2, 1974, S. 437–442.
  5. J. W. Maunder: The appreciation of lice. Proceedings of the Royal Institution of Great Britain 55, 1983, 131.
  6. Ricardo L. Palma: Ancient Head Lice on a Wooden Comb from Antinoë, Egypt. Journal of Egyptian Archaeology 77, 1991, 194. JSTOR:3821971. Accessed: 21-10-2016
  7. Y K. Mumcuoglu, J. Zias: Head lice, Pediculus humanus capitis (Anoplura: Pediculidae) from hair combs excavated in Israel and dated from the first century B.C. to the eighth century A.D. Journal of Medical Entomology 25, 1988, 545–547
  8. L. Shumka, Designing Women: The Representation of Women’s Toiletries on Funerary Monuments in Roman Italy. In: J. Edmondson, A. Keith (Hrsg.), Roman Dress and the Fabrics of Roman Culture. Phoenix Suppl. 46, Studies in Greek and Roman Social History 1. Toronto, University of Toronto Press 2008, 172–191
  9. Penelope M. Allison: Characterizing Roman Artifacts to investigate gendered Practices in Contexts without sexed Bodies. American Journal of Archaeology 119/1, 2015, 110. JSTOR:10.3764/aja.119.1.0103 Accessed: 21-10-2016
  10. Christoph G. Schmidt, Robert Nedoma, Klaus Düwel: Die Runeninschrift auf dem Kamm von Frienstedt, Stadt Erfurt. In: Die Sprache. Band 49, Nr. 2, 2010–2011, S. 123–186
  11. Udo Ohm, Christina Kuhn, Hermann Funk: Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf: Fachtexte knacken - mit Fachsprache arbeiten. Waxmann Verlag, 2007, ISBN 978-3-8309-6744-6 (google.de).
  12. Ursula Kircher: Bandweben mit dem Gatterkamm, 15 Seiten (PDF-Download)
  13. Ursula Kircher: Weben auf Rahmen, 54 Seiten (PDF-Download)
  14. Ursula Kircher: Weben auf Rahmen (PDF-Download), S. 20.