Cristoforo Roncalli auf einem Kupferstich nach Ottavio Leoni von 1623

Cristoforo Roncalli genannt „il Pomarancio“ (8. September 1552 in Pomarance14. Mai 1626 in Rom)[1] war ein italienischer Maler zwischen Manierismus und Frühbarock. Den Hauptteil seiner Karriere verbrachte er in Rom.

Es gibt noch zwei andere Maler, die ebenfalls als „Pomarancio“ bekannt sind: Niccolò Circignani und dessen Sohn Antonio.

Leben

Roncalli stammte väterlicherseits aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die ursprünglich aus Bergamo nach Pomarance gekommen waren,[2] seine Eltern waren Giovanni Antonio Roncalli und Francesca Incontri.[1] Cristoforo war das vierte von sechs Kindern. besonders nahe stand ihm offenbar sein Bruder Donato, der laut Mancini (1621) Jurist[1] war; die beiden ersuchten 1608 in Volterra gemeinsam um das Bürgerrecht und erhielten es auch.[1]

1570–72 wirkte Cristoforo in seiner Heimatstadt Pomarance.[1] Verschiedene Quellen und der Nekrolog erwähnen eine Lehre in Florenz,[3] und 1576 malte er ein Altarbild für den Dom von Siena, wo er sich auch 1579–80 anlässlich mehrerer Aufträge aufhielt.[1]

Freskendekor von Pomarancio (und Werkstatt) im Appartement der Fürstin Isabella (sala dell’alcova) des Palazzo Colonna, Rom

Auf der Basis seiner toskanischen Ausbildung entwickelte Roncalli seine persönliche künstlerische Sprache, die einen Ausgleich schafft zwischen der harmonischen Ausgewogenheit Raffaels und der Gefühlsbetontheit Federico Baroccis und ab dem Ende des 16. Jahrhunderts auch empfindsame Helldunkel-Kontraste integriert, die vermutlich von den Neuerungen Caravaggios inspiriert sind.[1]

1582–83 war er in Rom, wo er in päpstlichen Diensten in den Loggien und in der Galleria Gregoriana des Vatikanspalastes arbeitete.[1] Eine Skizze mit Personifikationen der Winde im Metropolitan Museum (New York) beweist auch seine Mitarbeit in der Sala della Meridiana im Turm der Winde (1582).[1] Dabei oder während der (heute verlorenen) Dekorationen des Collegio Romano 1583 begann auch seine regelmäßige Zusammenarbeit mit Paul Bril.[4] Sein offizielles römisches Debüt sind die 1583 entstandenen Malereien im Oratorio del Crocifisso in der Kirche San Marcello al Corso, wo er wahrscheinlich von seinem Landsmann Circignani eingeführt worden war.[1]

In Santa Maria in Aracoeli schuf er in den folgenden Jahren zwei Zyklen: 1584–86 das Leben des Hl. Paulus in der Cappella Della Valle,[5] und zwischen Januar 1588[6] und 1590 die Passion Christi in der Cappella Mattei.[1] Verschiedene Quellen seit Giulio Mancini (1621) sehen zwischen diesen beiden Zyklen bereits eine stilistische Wende vom manieristischen Erzählen und der Emphase im Sinne Girolamo Muzianos hin zu einem von Barrocci inspirierten Naturalismus.[1]

Der Erzengel Raffael und Tobias, Fresko in der Cappella Rucellai in Sant’Andrea della Valle, Rom

Ab Ende 1588 war Roncalli Mitglied der Accademia di San Luca.[1] In der Folge wurde er durch die Unterstützung von Virgilio Crescenzi und des Kardinals Cesare Baronio der führende Maler des Oratorianerordens des Hl. Filippo Neri, nicht nur in Rom, sondern auch in Neapel[1] – es ist jedoch nur wenig aus dieser Zusammenarbeit erhalten. Crescenzi wählte Roncalli auch als Lehrer für seine Söhne, insbesondere für Giovan Battista Crescenzi.[7] Von Baronio erhielt Roncalli diverse Aufträge für die römischen Kirchen Santi Nereo e Achilleo (1599) und San Gregorio al Celio (1603). In seinem Gemälde Die Heiligen Domitilla, Nereus und Achilleus (für Ss. Nereo e Achilleo) beschreitet er bereits barocke Pfade „ohne die Anmut von Barrocci zu verlieren“.[1]

Roncallis künstlerische Position zwischen Tradition und Zukunft brachte ihm die Achtung und Bewunderung bedeutender Kollegen ein, darunter Peter Paul Rubens[8] und Annibale Carracci, der seine Taufe Konstantins (1601) in San Giovanni in Laterano lobte.[9] Auch Caravaggio und Roncalli sollen sich gegenseitig geschätzt haben.[10]

Vom Ende des 16. Jahrhunderts an erhielt Roncalli zahlreiche Aufträge in Rom, die er mithilfe seiner Werkstatt und zahlreicher Mitarbeiter bewältigte, u. a. in verschiedenen Adelspalästen, im Lateran und Vorlagen für Mosaiken in der Capella Clementina des Petersdoms (Der Tod von Ananias und Saffira, 1599–1604, heute in Santa Maria degli Angeli).[1] Von August 1604 bis Frühling 1605[11] arbeitete er auch an der illusionistischen Dekoration der Kuppel von San Silvestro in Capite.[12] 1605 malte er die Familienkapelle der Rucellai in Sant’ Andrea della Valle aus – laut Baglione (1642) eine „der schönsten Sachen in Rom“ (una «delle più belle cose di Roma»).[13]

Deckendekoration von Pomarancio in der Sala del tesoro der Basilika von (Loreto) (1605–1609)

Kurz darauf reiste er nach Loreto, wo er zwischen 1605 und 1609 im Auftrag von Kardinal Antonio Maria Gallo, dem Rektor der Basilika von Loreto, eines seiner Hauptwerke schuf: Die Freskendekoration der Sala del Tesoro mit Szenen aus dem Leben der Maria (1605–1609);[14] später folgten auch die Kuppelfresken der Basilika, die er 1615 vollendete, die aber nicht mehr erhalten sind.[1] Kardinal Gallo ließ dem Künstler so viel Freiheit, dass Roncalli 1606 zusammen mit dem Marchese Vincenzo Giustiniani eine Reise ins nördliche Europa unternehmen konnte;[15] mit von der Partie war auch Marc' Antonio Ferretti, der einige Madrigale über heute verlorene Bilder Pomarancios dichtete.[1]

Im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts schuf Roncalli auch eine Reihe von Werken in Umbrien, in Preci, Norcia,[16] Foligno und Assisi.[1]

1606–07 ernannte Papst Paul V. Cristoforo Roncalli zum Cavaliere (= Ritter).[1] Seine Erfolge und die harte Konkurrenz zwischen den römischen Malern machten ihn jedoch auch zur Zielscheibe einiger Spottgedichte,[1] und in einem 1607 geführten Prozess wurde Cavalier d’Arpino angeklagt, Leute gedungen zu haben, die Roncalli auf offener Straße aggressiv angegriffen hätten.[1]

Kommunion des Hl. Sylvester, Öl auf Leinwand, ca. 1605–15. Museo civico, Osimo (urspr. in der Kirche San Silvestro)

Nach 1600, besonders im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts entwickelte sich Pomarancios Malerei in eine intimere Richtung, „mit weichen Akzenten in den Kontrasten und einer Vertiefung des Chiaroscuro“.[1] Beispiele dafür sind sein San Carlo im Gebet im Palazzo Apostolico von Loreto oder der Hl. Nicola da Tolentino und die Seelen im Purgatorium in Sant’ Agostino in Pesaro, ebenso wie das Selbstbildnis in den Uffizien.[1]

Bei seinen vielen Aufträgen in den Marken und in Rom arbeitete Roncalli häufig zusammen mit Pietro Paolo Iacometti, Giovanni Antonio Scaramuccia und vor allem Alessandro Prestati, dessen Sohn Roncallis Enkelin Lisabetta heiratete.[1] Sie halfen auch 1614 bei der Dekoration des Palastes von Kardinal Gallo in Osimo.[17] Nach dem Tode des Kardinals wurde Roncalli die Mitarbeit seiner Gehilfen vorgeworfen, und in Loreto wollte ihm ein Amtsdiener des apostolischen Stuhls sogar den vereinbarten beträchtlichen Lohn für seine Arbeit vorenthalten.[1]

Obwohl Pomarancio nach seiner Rückkehr nach Rom gesundheitliche Probleme und finanzielle Sorgen hatte,[1] nahm er weiterhin am künstlerischen Leben der Stadt teil: Im Oktober 1624 wurde er neben Simon Vouet Vizepräsident[18] und später Rektor der Schule der Accademia di San Luca, zusammen mit Cavalier d’Arpino, Antonio Tempesta, Giovanni Baglione und Gian Lorenzo Bernini.[19]

Er arbeitete bis zuletzt[20] und starb am 14. Mai 1626.[1] Die ehrenvollen Totenfeiern fanden in Santa Maria sopra Minerva statt[1] bevor er in seiner Gemeindekirche Santo Stefano del Cacco begraben wurde.[21]

Werke

Cristoforo Roncalli kann als einer der wichtigsten römischen Maler seiner Zeit gelten. Er malte sowohl Fresken als auch Ölgemälde. Sein Stil zeichnet sich durch große Eleganz und Bewegtheit und eine durch Correggio und Barrocci inspirierte Weichheit und Lieblichkeit aus. Daher zeigt er trotz manieristischer Wurzeln bereits deutliche Tendenzen zum Barock, die nach 1600 natürlicherweise stärker werden. Viele seiner Werke befinden sich noch vor Ort in italienischen Kirchen und Palazzi. Seine wichtigsten Hauptwerke sind in der obigen Biografie erwähnt. Es folgt eine Auswahl seiner Werke:

Maria und das Jesuskind in der Glorie, Fresko in der Sala del tesoro, Basilika von Loreto (1605–1609)
Verkündigung Mariä, Fresko in der Sala del tesoro der Basilika von Loreto (1605–1609)

Literatur

Hauptquelle

17. Jahrhundert

20. & 21. Jahrhundert

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  2. Mancini, 1621, 1956, S. 236 und Kirwin, 1972a, S. 513, hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  3. Laut Kirwin, 1978, S. 26 nota 58, hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  4. Laut Cappelletti, 2006, S. 53; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  5. Laut Heideman, 1982, S. 69–110, hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  6. laut Sickel, 2013; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  7. Baglione, 1642, 1935, S. 364 f; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  8. Furlotti, 2003, S. 508–512; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  9. Dies erwähnen: Mancini, 1621, 1956, S. 237; und Kirwin, 1979, S. 36–38, Nr. 41ab + 42ace; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  10. Laut Benati, 2004–2005, S. 231–247; und Kirwin, 1978, S. 25; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  11. Kirwin, 1972a, S. 454; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  12. Laut Baglione, 1642, 1935, S. 291; und Giffi, 2004; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  13. Baglione, 1642, 1935, S. 289; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  14. Chiappini di Sorio, 1983, S. 95–98; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  15. Chiappini di Sorio, 1983, S. 14–18, 30; und Tosini, 2017; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  16. Barroero, 1989, S. 259–264; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  17. Francucci, 2013; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  18. Aurigemma, 1995, S. 77 f; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  19. Bolzoni, 2013, S. 111, nota 300; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  20. Mancini, 1621, 1957, S. 133; Chiappini di Sorio, 1983, S. 32; Tosini, 2017, S. 199 f; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  21. Baglione, 1642, 1935, S. 292; hier nach: Anna Maria Ambrosini Massari: „RONCALLI, Cristoforo, detto Pomarancio“, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Volume 88, 2017
  22. L. Mozzoni & G. Paoletti: Jesi "Città bella sopra un fiume", Ed. Comune di Jesi, 1994
  23. Romano Cordella: Norcia e territorio