Der größte Quizshow-Skandal wurde Ende der 1950er-Jahre in den USA aufgedeckt: Kandidaten mehrerer populärer Quizshows waren von den Producern der Sendungen so vorbereitet worden, dass sie Verlauf und Ausgang des Wettbewerbs vorherbestimmen konnten.

Hintergrund

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Die 1950er-Jahre waren das Jahrzehnt des Fernsehens. Hatten 1950 nur 9 % der amerikanischen Haushalte ein eigenes TV-Gerät, so waren es am Ende des Jahrzehnts 86 %. Entsprechend groß war der Einfluss des Mediums auf die öffentliche Meinung.

Gleichzeitig befanden sich die USA in einem wissenschaftlich-technologischen Wettstreit mit der Sowjetunion. In diesem Klima gewann „Intelligenz“ und persönliches „Wissen“ an allgemeiner Wertschätzung als Sinnbild der technologischen und intellektuellen Überlegenheit Amerikas.

Seit es Quiz- und Rateshows im Fernsehen gibt, bei denen zum Teil extrem hohe Geldbeträge zu gewinnen sind, kommt es auch immer wieder zu Versuchen, Glück und Zufall durch betrügerische Manipulationen auszuschalten.

Ablauf

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1955 startete der US-Sender CBS die Quizshow The $64,000 Question, eine Art Genie-Version von Trivial Pursuit, die „Wissen“ nicht mehr nur mit Anerkennung, sondern auch mit finanziellem Reichtum honorierte (der Betrag entspricht im Jahr 2024 ca. 648.000 $). Um den Erfolg der Sendung zu garantieren, wurden recht bald von den Produzenten nur Kandidaten ausgewählt, die beim Fernsehpublikum starke Sympathien hervorriefen und so gute Einschaltquoten garantierten. Deshalb war es wichtig, dass diese Kandidaten möglichst lange in der Show blieben. Und das wiederum ging nur, wenn sie alle Fragen richtig beantworten würden. Damit begann der Betrug.

Charles Van Doren (rechts) mit Twenty-One-Moderator Jack Barry (Mitte)

1956 entwickelte der Sender NBC ein Konkurrenzformat, Twenty-One, dessen Ablauf sich an dem Kartenspiel Blackjack orientierte. Star der Sendung wurde bald der Kandidat Charles van Doren, Sohn einer angesehenen Familie und junger Assistenzprofessor an der Columbia-Universität. Er gewann rund 138.000 $ (im Jahr 2024 ca. 1.376.000 $), zierte als „klügster Mann der Welt“ die Titelseite des Time Magazine und bekam eine gut dotierte Kulturrubrik in einer NBC-Morgensendung.

Obwohl es schon sehr früh Gerüchte über betrügerische Praktiken bei den Quizshows gab, dauerte es lange, bis erste Zeitungsberichte die Manipulationsvorwürfe beschrieben. Ein Reservekandidat der Quizsendung Dotto erklärte schließlich, er habe bemerkt, dass eine Siegerin hinter der Bühne in einem Notizbuch las, in dem alle Antworten auf die ihr gestellten Fragen verzeichnet waren. Erst daraufhin wurden 1958 auch die Bekenntnisse von Herb Stempel, einem der bekanntesten Kandidaten von Twenty-One, gedruckt, die bis dahin niemand veröffentlichen wollte, da die Programmverantwortlichen sie dementiert hatten. Stempel behauptete, er und zahlreiche andere Kandidaten hätten alle Antworten auf die Spielfragen vorab bekommen. Auf Anweisung der Producer sei er als armer Ex-GI aufgetreten, der sich mühsam sein Studium finanzieren müsse. Außerdem sei er einem regelrechten Training unterworfen worden, bei dem sein Auftreten minutiös geprobt worden sei: Stottern, auf die Lippen beißen und die genaue Art der Fragenbeantwortung. Dann sei ihm eines Tages gesagt worden, dass er gegen van Doren verlieren müsse, da er der Quote schade. Davon zutiefst gekränkt, wollte sich Stempel nun rächen.

Juristische Aufarbeitung

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Im Sommer 1958 beschäftigte sich erstmals ein New Yorker Gericht mit den Manipulationsvorwürfen. Der zuständige Richter Mitchell Schweitzer weigerte sich aber, die Beweismittel der Anklagejury zu veröffentlichen. (Er wurde in den 1970ern wegen Korruption aus der Anwaltskammer ausgeschlossen.)[1] Daraufhin schaltete sich der Kongress-Sonderausschuss für legislative Aufsicht ein, der für das Fernmeldewesen und damit auch fürs Fernsehen zuständig war. Der Sonderausschuss befragte Kandidaten, Producer, Sponsoren und Senderverantwortliche und führte im Oktober und November 1959 öffentliche Anhörungen durch.

Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, da die meisten Ex-Kandidaten um ihren öffentlichen Ruf bangten und nicht aussagen wollten. Die Sender und Sponsoren leugneten jede Kenntnis der Quizshow-Praktiken. Stempel hielten sie vor, sich in psychiatrischer Behandlung zu befinden.[2] Dennoch wurden immer neue Shows der Mogelei überführt: Bei For Love or Money waren die Geräte manipuliert, um den Gewinn möglichst niedrig zu halten, bei Name That Tune und The Big Surprise wurden in der Show dieselben Fragen wie im Casting gestellt, bei The $64,000 Question gab es nur Fragen aus dem Fachgebiet der jeweiligen Kandidaten. Bei der Sendung Tic-Tac-Dough, die wie Twenty-One von Jack Barry entwickelt und moderiert wurde und Vorbild für das Tick-Tack-Quiz in Deutschland war, gab es die Fragen ebenso wie bei Twenty-One einfach vorab. TTD-Producer Howard Felsher gab schließlich die Manipulation zu. Seiner Aussage nach wurde bei mehr als 75 % seiner Sendungen geschummelt. Und er beteuerte: „Ich hatte nie das Gefühl etwas wirklich Falsches zu tun.“[3] Ausschlaggebend wurde aber die Aussage des Twenty-One-Kandidaten James Snodgrass, der die ihm gegebenen Antworten zur Sicherheit vor der Sendung als Einschreiben an sich selbst verschickt hatte. Dieser Beweis war unwiderlegbar. Nach langem Leugnen gestand schließlich auch van Doren seine Beteiligung an der Manipulation ein. „Ich würde fast alles darum geben, wenn ich die letzten drei Jahre meines Lebens ungeschehen machen könnte“[4], erklärte er vor Gericht. Aber sein Ruf und seine Universitätskarriere waren zerstört.

Das Problem lag darin, dass alle Manipulationen, die den Verantwortlichen vorgeworfen wurden, nach damaligem amerikanischen Recht zwar ehrenrührig, aber nicht strafbar waren. Da Amerikaner damals keine Fernsehgebühren bezahlten, habe keiner einen finanziellen Schaden erlitten. Deshalb verurteilte man auch niemanden wegen Betrugs am Publikum. Lediglich eine Gruppe von Kandidaten und einige Producer wurden wegen „Behinderung der Justiz“ und „Falschaussage“ schuldig gesprochen.

Folgen

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Direkte Folge der Untersuchungen war, dass die Sender sofort alle Quizshows mit hohen Gewinnen aus dem Programm nahmen und die Programmverantwortlichen und Moderatoren entließen. Einige durften nie wieder fürs Fernsehen arbeiten. Außerdem wurden in den USA von da an alle Sendungen einer strengen staatlichen Kontrolle unterstellt. Und der diskreditierte Begriff Quiz Show verschwand aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und wurde durch das Wort Game Show ersetzt.

Mindestens ebenso einschneidend waren die gesellschaftlichen Auswirkungen. „Der Angriff gegen den Fernsehbetrug war nur ein trivialer, früher Riss im Fundament jener Selbstgefälligkeit und Apathie, die das amerikanische Leben zunehmend stärker bestimmten“, schrieb der damalige Sonderausschuss-Ermittler Goodwin.[5] Die Amerikaner hatten ihre Naivität verloren, einfach das zu glauben, was sie sehen konnten. Selbst Präsident Dwight D. Eisenhower erklärte, mit diesem Betrug sei dem amerikanischen Volk „etwas Schreckliches angetan worden“.

Die Entwicklung der Quiz- und Rateshows in Deutschland blieb von diesem Skandal unberührt, obwohl damals die beiden hauptbetroffenen Formate auch hier ausgestrahlt wurden: Alles oder nichts (The $64,000 Question) und Hätten Sie’s gewußt? (Twenty-One). Aber im quotenunabhängigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen war – damals – Manipulation kein Thema.

Übernahme in die Populärkultur

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Andere Manipulationsfälle

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. s. Richard N. Goodwin: Quiz Show. Aus den Erinnerungen von Richard N. Goodwin. Reinbek 1995, S. 81
  2. Quiz Scandal (Contd.), in: Time Magazine vom 8. September 1958
  3. The Big Fix, in: Time Magazine vom 19. Oktober 1959
  4. John P. Holms / Ernest Wood: Game Show Almanac. Radnor (Penn.) 1995, S. 131; Richard N. Goodwin: Quiz Show. Aus den Erinnerungen von Richard N. Goodwin. Reinbek 1995, S. 99
  5. Richard N. Goodwin: Quiz Show. Aus den Erinnerungen von Richard N. Goodwin. Reinbek 1995, S. 109f.
  6. Quiz mit Türken. In: Der Spiegel. Nr. 51, 1953, S. 34 f. (online).
  7. siehe auch Gerd Hallenberger, Joachim Kaps (Hrsg.): Hätten Sie’s gewusst? Marburg 1991, S. 36ff.
  8. 05.01.1998: «Das isch de Fuessballer Moldovan gsi» – Tommaso R. sorgt für den grössten «Bschiss» der Schweizer Fernseh-Geschichte. In: watson.ch vom 5. Januar 2016
  9. «Risiko»-Betrüger R. kassiert viereinhalb Monate. (Memento vom 31. Oktober 2009 im Internet Archive), 15. Dezember 2000
  10. s. plusminus (ARD), 24. August 2004.