Porträt von Irmtrud Wojak vor der Fritz Bauer Bibliothek in Bochum
Irmtrud Wojak vor der Fritz Bauer Bibliothek in Bochum (2024)

Irmtrud Wojak (* 1. Januar 1963) ist eine deutsche Historikerin und Ausstellungskuratorin. Sie war von Ende März 2009 bis November 2011 Gründungsdirektorin des NS-Dokumentationszentrums (München). 2013 gründete sie die gemeinnützige Buxus Stiftung[1] mit dem Ziel, ein an den Menschenrechten orientiertes Handeln zu fördern. 2019 initiierte sie das Fritz Bauer Forum in Bochum.[2]

Leben

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Irmtrud Wojak studierte Geschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sie promovierte mit einer Arbeit zur deutschen jüdischen und politischen Emigration während der NS-Zeit nach Chile, ebenfalls in Bochum. Anschließend absolvierte sie mehrere Forschungsaufenthalte in Uruguay, Argentinien sowie den Niederlanden, um die Geschichte von Holocaust-Überlebenden näher zu erforschen. Sie erhielt unter anderem Stipendien an der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und am United States Holocaust Memorial Museum in Washington. Wojak war Mitgründerin und viele Jahre Vorsitzende des Vereins „Erinnern für die Zukunft e.V.“, der sich dafür einsetzte, dass die Überlebenden des Holocaust aus Bochum und Wattenscheid zu Besuch in ihre frühere Heimatstadt eingeladen wurden.

Am Fritz Bauer Institut in Frankfurt a. M. setzte sich Wojak besonders für die Erforschung von Leben und Werk des Namensgebers ein. Sie publizierte zusammen mit Joachim Perels ausgewählte Schriften Bauers („Die Humanität der Rechtsordnung“) und erforschte auf dessen Spuren die verschiedenen Selbstzeugnisse des Deportationsspezialisten Adolf Eichmann („Eichmanns Memoiren“), die ihr das Israelische Staatsarchiv als erster Historikerin zugänglich machte. Wojak arbeitete an der Transkription der Tonbänder des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses mit und kuratierte 2004 zusammen mit dem belgischen künstlerischen Kurator Erno Vroonen die erste große Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst zum Auschwitz-Prozess („Auschwitz-Prozess. 4 Ks 2/63. Frankfurt am Main“). 2008 kündigte sie am Fritz Bauer Institut und habilitierte sich im selben Jahr mit einer Biografie über Fritz Bauer an der Leibniz Universität Hannover. Als Leiterin des Bereiches Forschung und Mitglied der Geschäftsleitung beim International Tracing Service (ITS) in Bad Arolsen sorgte sie dort 2008/09 für den Aufbau einer wissenschaftlichen Bibliothek und trug mit zur Öffnung des Archivs für die Forschung bei.

2014/15 entwickelte und erprobte Wojak im Zuge ihrer Erforschung der Geschichte der gescheiterten Entnazifizierung das Konzept der Interaktiven Fritz Bauer Bibliothek (IFBB) mit Überlebensgeschichten weltweit. Sie erhielt für ihre Forschungen ein einjähriges Stipendium am Radcliffe Institute for Advanced Study der Harvard-Universität. Überlebensgeschichten sind für Wojak Geschichten von Menschen, die für ihre und/oder die Rechte von anderen Menschen Widerstand leisten, und dies unter Risiken und nicht selten auch Lebensgefahr. Das digitale Projekt der IFBB ging 2019 in Bochum online. Das war auch das Jahr, in dem sie in Bochum einen Ort für das geplante Fritz-Bauer-Forum fand.

Irmtrud Wojaks Forschungsschwerpunkte sind die

Gründungsdirektorin des NS-Dokumentationszentrums München

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Irmtrud Wojak wurde 2009 zur Gründungsdirektorin des geplanten NS-Dokumentationszentrums in München berufen. Um den Namen des geplanten NS-Dokumentationszentrums und das Konzept für die Ausstellung kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Münchener Stadträten, dem Kuratorium des Zentrums und Wojak. Diese sprach sich gegen einen Namen aus, der das Kürzel „NS“ enthalte, auch wenn das Zentrum von Beginn an unter dem Arbeitsnamen „NS-Dokumentationszentrum“ geplant war.[3] Im englischsprachigen Raum und in Israel, insbesondere gegenüber den Überlebenden, hielt Wojak den Sprachgebrauch für falsch da dieses Kürzel auch im Nationalsozialismus üblich war.[4] Diese Ansicht teilten nicht nur Wojak, sondern auch das Kuratorium und Münchens damaliger Oberbürgermeister Christian Ude. Der Münchener Stadtrat Marian Offman betonte damals, dass nicht alle Überlebenden sich gegen das Kürzel ausgesprochen hätten. Schlussendlich wurde eine alternative Benennung der Einrichtung, etwa Forschungszentrum zur Geschichte des Nationalsozialismus, von allen Parteien außer der SPD abgelehnt. Ablehnung erfuhr damit auch Wojaks Ansatz das Zentrum sowie die Dauerausstellung stärker auf eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus auszurichten und das „Nie Wieder!“ der Überlebenden in das jetzt zu übertragen. Wojak sah in der Auseinandersetzung um den Namen und ihr Konzept, das in der Schublade des Münchner Kulturreferats blieb, eine offene politische Auseinandersetzung.[5]

Ende Oktober 2011 wurde Irmtrud Wojak von ihren Aufgaben als Direktorin des NS-Dokumentationszentrums freigestellt.

Mitte November 2011 kam es zur Einigung und einer gemeinsamen Pressemitteilung von Wojak und der Stadt München, in der von den „nachhaltig unterschiedlichen Auffassungen“ zwischen Wojak und den beratenden Gremien über die „Ausrichtung, die Inhalte und die Funktion“ des geplanten Zentrums die Rede ist, aufgrund derer eine Trennung erfolgte.[6]

Die Fritz Bauer Bibliothek in Bochum, ein Gebäude im Stil des Brutalismus mit bunten Fenstern
Die Fritz Bauer Bibliothek in Bochum © Fritz Bauer Forum | BUXUS STIFTUNG, Fotograf: Richard Lensit

Gründerin der BUXUS STIFTUNG und des Fritz Bauer Forums

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2012 entwickelte Wojak die Ideen zu einer Fritz Bauer Bibliothek, einem interaktiven Forschungsprojekt, das weltweit Geschichten vom Widerstand und Überleben dokumentiert. Um dieses Projekt zu verwirklichen, gründete sie 2013 die BUXUS STIFTUNG. Zwischen 2014 und 2015 erhielt Wojak ein einjähriges Forschungsstipendium am renommierten Radcliffe Institute for Advanced Studies der Harvard-Universität, welches ihr die Erprobung des Projekts ermöglichte. 2017 wurde das Projekt mit einem internationalen Forschungsseminar am Radcliffe Institute ausgezeichnet und ging 2019 unter dem Namen Interaktive Fritz Bauer Bibliothek online.

Noch im gleichen Jahr stieß Wojak auf das Gelände der ehemaligen Trauerhalle Havkenscheid im Bochumer Osten. Dort entsteht seit 2021 das Fritz Bauer Forum.

Ehrungen

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Veröffentlichungen

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Monografien und Mitautorschaften

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Herausgeberschaften

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Übersetzungen

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Einzelnachweise

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  1. Irmtrud Wojak: Warum der Name BUXUS. In: Fritz Bauer Forum. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  2. Irmtrud Wojak: Über die Gründerin. In: Fritz Bauer Forum. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  3. Susanne Lettenbauer: Mit oder ohne „NS“? Deutschlandradio Kultur, 5. April 2011. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  4. Franz Kotteder: Heftiger Streit um ein Kürzel. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  5. Johannes Löhr: Disziplinarische Schritte gegen Wojak. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  6. NS-Dokumentationszentrum: Die Direktorin geht von Bord. 19. September 2018, abgerufen am 8. Februar 2023.
  7. Fellowship / Fellows Fellowship / Fellows Irmtrud Wojak. Abgerufen am 8. Februar 2023 (englisch).
Personendaten
NAME Wojak, Irmtrud
KURZBESCHREIBUNG deutsche Historikerin
GEBURTSDATUM 1. Januar 1963