Erdmann Neumeister 1719

Erdmann Neumeister (* 12. Mai 1671 in Uichteritz; † 18. August 1756 in Hamburg) war ein deutscher Kirchenliederdichter, Poetiker und Theologe der Barockzeit.

Leben

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Erdmann Neumeister war der Sohn des aus Wurzbach stammenden Schulmeisters, Organisten und Verwalters Johann Neumeister und der Margaretha geb. Francke aus Weida. Er besuchte nach Erhalt einer stipendienartigen Stadtstelle von April 1686 bis Januar 1691 die kursächsische Landesschule Pforta. Ab dem Frühjahr 1691 studierte er in Leipzig Evangelische Theologie und Poetik. Am 25. Februar 1694 wurde Neumeister Baccalaureus Artium und zugleich Magister. 1695 legte er seine Habilitationsschrift „De poetis germanicis“ vor und wurde Dozent für Dichtkunst. Anlässlich einer Kur in Bibra nahm ihn der dortige Pfarrer Büttner 1696 als Substitut an.

Ab 1697 wirkte Neumeister als Bibraer Pfarrer und Adjunkt der Eckartsbergischen Superintendentur; anfangs sogar unter großen materiellen Schwierigkeiten. Er heiratete am 24. November 1697 in Weißenfels Johanna Elisabeth Meister, eine Tochter des herzoglichen Küchenmeisters Christoph Meister. 1704 gelang es ihm, als Hofdiakon in Weißenfels am dortigen Hof angestellt zu werden. Hier kam er in Kontakt mit dem Komponisten Joh. Philipp Krieger. Bereits 1706 wurde er Oberhofprediger, Konsistorialrat und Superintendent in Sorau in der Niederlausitz, als er Anna Maria von Sachsen-Weißenfels nach deren Verheiratung an Erdmann II. von Promnitz begleitete. Bereits dort begann sein lebenslanger theologischer Kampf gegen den Pietismus. In Sorau hatte er engen Kontakt zu Georg Philipp Telemann. Da sich seine gräflichen Herren mehr und mehr pietistischen Ansichten zuwandten, verließ Neumeister Sorau in Unfrieden und bewarb sich erfolgreich in Hamburg.

Von 1715 bis zu seinem Tode 1756 war er Hauptpastor an der Jakobikirche in Hamburg. In seinen Schriften übernahm er auch anti-semitische Thesen von Martin Luther, unter anderem auch den Vorwurf des Ritualmordes.[1][2][3][4][5] Neumeister verfasste auch einen Lexikon-Artikel „Juden, oder Jüden“[6], den die Historikerin Barbara Suchy als „Hetzpredigt“ charakterisierte.[7] Neumeisters Fürsprache, Johann Sebastian Bach als Organisten zu verpflichten, fand 1720 im Kirchenvorstand kein Gehör. 1747 hielt er seine Jubelpredigt zum 50-jährigen Amtsjubiläum. Neumeister starb 85-jährig und fast blind am 18. August 1756. Sein Grab in der Kirche wurde wie viele andere 1944 bei einem Bombenangriff zerstört, nur ein ihn porträtierendes überlebensgroßes Ölbild hinter der Kanzel blieb erhalten.

Wirken

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Gemälde in St.-Jacobi, Hamburg

Neumeister schrieb zahlreiche Kantatentexte und führte erstmals in dieser Gattung nach dem Vorbild der Oper Rezitative und Arien ein. Christoph Graupner komponierte zwischen seiner Anstellung in Darmstadt als designierter Kapellmeister in den Jahren 1709 und 1711 mindestens elf Kantaten auf Neumeisters Texte.[8] Insgesamt fünf seiner wegweisenden Texte wurden durch Johann Sebastian Bach zwischen 1711 und 1714 vertont (Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt, BWV 18, Nun komm, der Heiden Heiland, BWV 61, BWV 24, BWV 28 und Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, BWV 59). Weitere Komponisten, die seine Libretti vertonten, waren Philipp Heinrich Erlebach, Johann Philipp Krieger und Georg Philipp Telemann. Neumeisters literarisches Werk umfasst ferner zahlreiche Erbauungsschriften sowie Jugendgedichte moralisch-satirischer Natur. Meusels Lexikon verzeichnet nahezu 200 Druckschriften von Neumeister.[9]

Bereits im Alter von 24 Jahren hatte er 1695 unter dem Titel De Poetis Germanicis einen geistvollen, scharf kritischen Überblick über die gesamte damalige deutsche Barockliteratur verfasst. Erst durch Günter Merwalds Verdeutschung von 1978 sind diese spöttisch-kritischen Äußerungen, die dem generell akzeptierten Barock-Kanon in überraschender Weise widersprechen, einem breiten Publikum zugänglich geworden. 1707 veröffentlichte er eine schon in Leipzig entstandene poetologische Schrift unter dem Titel Allerneueste Art zur reinen und galanten Poesie zu gelangen, die er von seinem Freund Christian Friedrich Hunold herausgeben ließ, da sich die darin enthaltenen weltlichen Liebesgedichte seiner Jugendjahre nicht mit seinem geistlichen Stand vereinbaren ließen.

Verwandtschaftliche Verbindungen

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Erdmann Neumeister hatte verschiedene verwandtschaftliche Verbindungen zu Theologen und Geisteswissenschaftlern seiner Zeit:

Erdmann Gotthold als ältester Sohn wurde Superintendent in Eckartsberga, Erdmann Gottlieb Neumeister war 1739 Diaconus an der Jakobikirche in Hamburg geworden, aber schon 1742 gestorben, sein Bruder Erdmann Gottwert folgte ihm 1742 in das Amt des Diakonus.

Vorfahren als Ahnenreihe[10]

Gedenktag

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18. August im Evangelischen Namenkalender.[11]

Werke (Auswahl)

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Literatur (Auswahl)

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Commons: Erdmann Neumeister – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Erdmann Neumeister – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Erdmann Neumeister: Priesterliche Lippen in Bewahrung der Lehre. Leipzig/Görlitz 1714.
  2. Johannes Wallmann: Die Evangelische Gemeinde Theresienstadt. Zum Umgang der evangelischen Kirche mit ihrer Geschichte. Leipzig, 2019. Dort schreibt Wallmann (S. 152): „Die ungeheuerlichsten Worte des Judenhasses, die jemals von einem lutherischen Theologen geschrieben wurden, finden wir bei einem Theologen aus dem frühen 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Aufklärung. Der Hamburger Hauptpastor Erdmann Neumeister […] übertrifft mit seinem Hass und seiner Verabscheuung der Juden seinen als Judenfeind berüchtigten Vorgänger Johannes Müller noch bei Weitem. Alle mittelalterlichen Beschuldigungen gegen die Juden, eingeschlossen der Vorwurf des Ritualmordes an kleinen Kindern, werden von ihm wiederholt.“
  3. Bach’s Holy Dread. In: The New Yorker. (newyorker.com). Dort schreibt der Autor Alex Ross: "...die Legende, dass Juden christliche Kinder zu rituellen Zwecken töten. Solche Gefühle wurden von den schrilleren Theologen der Bach-Zeit wiederholt. Einer war der Hamburger Pfarrer und Dichter Erdmann Neumeister.".
  4. Judenfeindliche Töne in Deutschlandfunk, 28. März 2013 (deutschlandfunk.de). Die Autorin Monika Konigorski schreibt, Neumeister hätte antisemitische Lexikonartikel verfasst.
  5. Brief von Erdmann Neumeister an Ernst Salomon Cyprian. In: Anke Költsch: Konversion und Integration - Konversionen vom Judentum zum lutherischen Christentum im frühneuzeitlichen Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg. De Gruyter, Berlin 2021, ISBN 978-3-11-069152-8, S. 171 f. - siehe auch Theodor Wotschke "Erdmann Neumeisters Briefe an Ernst Salomon Cyprian" in Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte XXX, S. 145, Brief XXXI vom 2. September 1730: "Es ist in verwichener Woche ein Auflauf des Pöbels wider die Juden entstanden. Da schickte uns der Magistrat eine Verordnung zu, dawider zu predigen. Hierzu erkennet man unser Amt vor tüchtig. Aber wenn wir sonst wider der Juden Bosheit und Frechheit, die wegen ungeziemender Konnivenz aufs höchste gestiegen, und wider Irrsal in der Religion predigen, so brennt die Elbe."
  6. Johann Heinrich Zedler: Grosses Vollständiges Universallexikon, Bd. 14, Leipzig 1735, S. 1497 ff.
  7. Barbara Suchy: Die Darstellung von Juden und Judentum in den englischen, französischen und deutschen Lexika und Enzyklopädien der Aufklärung. Köln/Wien 1979.
  8. Marc-Roderich Pfau: Erdmann Neumeister als Kantatendichter Graupners. In: Mitteilungen der Christoph-Graupner-Gesellschaft. Nr. 4 (Dezember 2008). Darmstadt 2008, S. 20–35.
  9. Neumeister (Erdmann). In: Johann Georg Meusel: Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. Band 10: N–Qu. Gerhard Fleischer, Leipzig 1810, S. 81–93 (Textarchiv – Internet Archive).
  10. Quelle: Stammtafeln Francke. 6. Ausgabe. 1999, Tafel X.
  11. Erdmann Neumeister im Ökumenischen Heiligenlexikon
VorgängerAmtNachfolger
Johannes RiemerHauptpastor an St. Jacobi zu Hamburg
1715–1756
Christian Samuel Ulber
Personendaten
NAME Neumeister, Erdmann
KURZBESCHREIBUNG deutscher Dichter und Theologe
GEBURTSDATUM 12. Mai 1671
GEBURTSORT Uichteritz
STERBEDATUM 18. August 1756
STERBEORT Hamburg