Ziauddin Sardar

Ziauddin Sardar (geb. 31. Oktober 1951 in Dipalpur, Distrikt Okara, Punjab, Pakistan) ist ein britischer, in London lebender Schriftsteller, Historiker, Fernsehproduzent und Kulturkritiker pakistanischer Herkunft. Er gilt als einer der führenden islamischen Intellektuellen Großbritanniens und hat sich auf Themenbereiche wie Zukunft des Islams, Wissenschaft[1] und kulturelle Beziehungen spezialisiert. Er ist ein Verfechter des Projektes der „Islamisierung des Wissens“ (Islamization of knowledge) und Kritiker postmodernen Denkens, das er als nihilistisch verurteilt.[2]

Leben und Wirken

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Jugend und Ausbildung

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Ziauddin Sardar kam als Kind von Pakistan nach England und wuchs in London auf. Er studierte Physik und Informatik an der City University in London. 1975 entwickelte er im Auftrag des Hajj Research Centre der König-Abdulaziz-Universität in Dschidda (Saudi-Arabien) ein Simulationsmodell für die Wallfahrt. Zusammen mit Zaki Badawi gab er die Hajj Studies heraus.[3] Später arbeitete er eine Zeit an der Middlesex University, Vereinigtes Königreich.

Arbeit als Journalist und Fernsehproduzent

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Sardar war auch als Journalist (darunter für Nature und New Scientist) und als Fernsehreporter tätig. Er arbeitete als Redakteur von Futures, veröffentlichte regelmäßig im New Statesman und gründete die Zeitschrift Critical Muslim.[4][5]

Ein Ergebnis von Sardars Rolle als Fernsehproduzent war eine Serie von Fernsehsendungen mit dem Titel Faces of Islam („Gesichter des Islams“). Diese Sendungen bestanden aus Gesprächen zwischen Sardar und Muslimen, die mehr oder weniger in den Diskurs über die Islamisierung der Wissenschaft eingebunden waren. Die Themen, die dabei diskutiert wurden, waren Schlüsselbegriffe des islamischen Denkens. So diskutierte er den Begriff Dīn („Religion“) mit Muhammad Naquib al-Attas, ʿadl („Gerechtigkeit“) mit Khurshid Ahmad und ʿilm („Wissen“) mit Anwar Ibrahim. Sardars Gesprächspartner waren Unterstützer seiner ideologischen Position oder zumindest eng mit ihr verbunden, nicht-arabische Muslime waren unter den Teilnehmern in der Mehrheit. 1989 wurde auch ein Buch zu der Sendereihe veröffentlicht, nämlich Faces of Islam: Conversations on Contemporary Issues.[6]

Auseinandersetzung mit Jean Baudrillard und Seyyed Hossein Nasr

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In den frühen 1990er Jahren kritisierte Sardar Jean Baudrillards Konzept der Simulation und Postmoderne und dessen Idee, dass der Golfkrieg nicht stattgefunden habe, sondern nur ein Spiel von Bildern oder Simulacrum sei.[7]

In der Debatte um das schwerpunktmäßig aus dem US-amerikanischen International Institute of Islamic Thought (IIIT) bei Washington, D.C. heraus betriebene „Einbringen des Islam in das Wissen“ (Islamization of knowledge) bzw. die „Islamisierung der Wissenschaft“ (Islamization of science)[8] leistete sich Sardar Anfang der 1990er Jahre verbale Scharmützel mit dem amerikanisch-persischen islamischen Philosophen Seyyed Hossein Nasr (geb. 1933). Das Urteil von Nasr über Sardar fiel dabei nicht besonders freundlich aus. So warf Nasr ihm vor, ungebildet zu sein und nicht die Fähigkeit zu besitzen, die islamische Tradition richtig zu interpretieren. Sardar sei eine Person, die nur das Wort „Islamisch“ bei verschiedenen Disziplinen ergänze und meine, dass dies ausreiche.[9]

Spätere Aktivitäten und Ehrungen

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Die britische Zeitschrift Prospect wählte Sardar 2002 zu einem der 100 bekanntesten Intellektuellen Großbritanniens, die britische Tageszeitung The Independent nannte ihn: 'Britain's own Muslim polymath'.[10]

Sardar beschreibt in seinem autobiographischen Roman Desperately Seeking Paradise: Journeys of a Sceptical Muslim (2005; „Verzweifelte Suche nach dem Paradies: Reisen eines skeptischen Muslims“) seine Suche nach dem Ideal des Islams. Nach einem Treffen mit Osama bin Laden in Pakistan habe er mehr und mehr begonnen, die vorgefertigten Lösungen von Fundamentalisten anzuzweifeln, die die Rettung durch einen islamischen Staat auf der Grundlage der Scharia erwarteten.

Angesichts der Großbauprojekte in Mekka, insbesondere der Abraj Al Bait Towers und des Jabal Omer Komplexes, warnte Ziauddin Sardar 2014 davor, dass Mekka zu einer Art Disneyland verkomme, und sprach von der Zerstörung von Mekka.[11] Zeitweise war er Berater von Anwar Ibrahim und teilte seine Zeit zwischen England und Malaysia auf.[12]

Bei der vom Londoner Büro des US-amerikanischen International Institute of Islamic Thought (Internationales Institut für Islamisches Gedankengut) organisierten IIIT European Summer School 2017 war er einer der Sprecher.[13]

Publikationen (Auswahl)

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Ziauddin Sardar hatte bis 2005 mehr als vierzig Bücher über verschiedene Aspekte des Islams publiziert. Mehrere seiner Bücher verfasste er zusammen mit der zum Islam konvertierten walisischen Anthropologin Merryl Wyn Davies[14].

Literatur

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Siehe auch

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Einzelnachweise und Fußnoten

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  1. Die islamische Wissenschaft (Islamic Science) beispielsweise teilte er in vier Schulen ein, seine eigene bezeichnet er dabei als die Ijmali school of thought (Ijmalism). - Vgl. Studies in the Islam and Science Nexus, Band 1, 2012, herausgegeben von Muzaffar Iqbal (Online-Teilansicht) & “Islamic science: The Contemporary Debate” von Ziauddin Sardar, in: Helaine Selin (Hrsg.): Encyclopaedia of the History of Science, Technology, and Medicine in Non-Westen Cultures. 1997, S. 455–458 (Online-Teilansicht)
  2. Abaza: Debates on Islam and knowledge in Malaysia and Egypt. 2003, S. 52.
  3. London : Croom Helm for Hajj Research Centre, King Abdul Aziz University, Jeddah, [1978]-
  4. criticalmuslim.io: What is Critical Muslim?
  5. Interview mit dem Islamgelehrten Ziauddin Sardar : Für einen Bewusstseinswandel im Islam
  6. Stenberg: The Islamization of Science. 1996, S. 44.
  7. Abaza: Debates on Islam and knowledge in Malaysia and Egypt. 2003, S. 53.
  8. Bzw. das Einbringen des Islam in das Wissen oder die Islamisierung des Wissens (engl. Islamization of knowledge).
  9. Stenberg: “Seyyed Hossein Nasr and Ziauddin Sardar on Islam and science”. 1996, S. 276.
  10. Pat Kane: The A to Z of Postmodern Life, by Ziauddin Sardar In: The Independent, 28. Mai 2002. Abgerufen am 27. Oktober 2017 
  11. Michael Kerr, Mecca hat turned into Disneyland, in: The Telegraph am 2. Oktober 2014. Sardar nennt es auch ein „groteskes Metropolis“. - abgerufen am 27. Oktober 2017.
  12. Abaza: Debates on Islam and knowledge in Malaysia and Egypt. 2003, S. 29.
  13. IIIT European Summer School 2017 - Centar za napredne studije / Centre for Advanced Studies, Sarajevo (abgerufen am 4. November 2017). – Zusammen mit Jonathan A.C. Brown (dem Direktor des von dem saudi-arabischen Investor Prinz Alwaleed bin Talal finanzierten Prince Al-Waleed Bin Talaal Center for Muslim-Christian Understanding in der amerikanischen Hauptstadt Washington, D.C.) und den europäischen IIIT-Direktoren Beddy Ebnou (Brüssel, Belgien) und Ahmet Alibašić (Bosnien und Herzegowina).
  14. Zu Merryl Wyn Davies, vgl. Katharina Lange: »Zurückholen, was uns gehört«: Indigenisierungstendenzen in der arabischen Ethnologie. 2005 (Online-Teilansicht). Siehe auch Damian Howard: Being Human in Islam: The Impact of the Evolutionary Worldview. 2011 (& Online-Teilansicht)
Personendaten
NAME Sardar, Ziauddin
ALTERNATIVNAMEN Sardar, Ziauddin; Sardar, Zia; Sardār, Ḍijā'ddīn; Sardār, Dịyā-ad-Dīn; Sardār, Z̤iyāʾ-ad-Dīn; Z̤iyāʾ-ad-Dīn Sardār; Sardār, Z̤iyāʾuddīn; Z̤iyāʾuddīn Sardār; Sardār, Ḍiyāʾ-ad-Dīn
KURZBESCHREIBUNG britisch-pakistanischer Schriftsteller, Historiker, Fernsehproduzent und Kulturkritiker; Persönlichkeit des Islams in Großbritannien
GEBURTSDATUM 31. Oktober 1951
GEBURTSORT Dipalpur, Pakistan