Grab Tendrjakows mit seinem Porträt auf dem Kunzewoer Friedhof (Moskau)

Wladimir Fjodorowitsch Tendrjakow (russisch Владимир Фёдорович Тендряков, wiss. Transliteration Vladimir Fëdorovič Tendrjakov, * 5. Dezember 1923 in Makarowskaja, Oblast Wologda; † 3. August 1984 in Moskau) war ein russischer Schriftsteller. Er gilt als wichtiger Vertreter der Tauwetter-Periode in der sowjetischen Literatur.

Leben

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Tendrjakow wurde 1942 Funker eines Infanterieregiments der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg an der Front zwischen Don und Donez und später an der Stalingrader Front[1]. In den Kämpfen an der Steppenfront um Charkow 1943 wurde er schwer verwundet.[2] Im Januar 1944 wurde er demobilisiert und unternahm erste erfolglose Versuche als Autor. Nach seiner Genesung arbeitete er als Lehrer für vormilitärische Ausbildung[3] im Kirower Oblast und war Funktionär im Jugendverband. Nach einem Studienjahr an der Moskauer Filmhochschule wechselte er an das Gorki-Institut in Moskau. Von 1946 bis 1951 studierte er Literaturwissenschaft bei Konstantin Paustowski[1]. Während des Studiums begann er Erzählungen zu schreiben, von denen einige zwischen 1948 und 1953 in der russischen illustrierten Zeitschrift Ogonjok veröffentlicht wurden. Ab 1955 arbeitete er als Berufsschriftsteller. Viele seiner Novellen und Erzählungen erschienen erstmals in literarischen Zeitschriften wie Nowy Mir. Sie waren beim Publikum sehr beliebt, da er auch gesellschaftliche Probleme und Konflikte thematisierte. Obwohl er seit 1948 Mitglied der KPdSU war, erhielt er keine hohen Auszeichnungen und wurde von einer Moskauer Schriftstellerversammlung 1957 kritisiert. Auch in den folgenden Jahren sah er sich wiederholter Kritik der Partei ausgesetzt. Einige seiner Werke konnten erst nach seinem Tod erscheinen.

Literarisches Werk

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Stets wiederkehrende Motive in seinen Werken sind der Umgang mit individueller Schuld und das Spannungsfeld zwischen persönlicher Gewissensentscheidung und gesellschaftlicher Verantwortung. Oft geht es auch um die Selbstfindungsprozesse Jugendlicher, dabei werden die Protagonisten durch unerwartete Ereignisse aus ihrem gewohnten Alltag herausgerissen: In Die Nacht nach der Abschlußfeier (Ночь после выпуска) kritisiert die Klassenbeste in ihrer Abschlussrede entgegen der Erwartungshaltung der Zuhörer in scharfen Worten das Schulsystem, das nicht zu selbstständigen Entscheidungen befähigt. In Die Abrechnung (Расплата) erschießt der junge Kolja seinen Vater, der zuvor die Familie tyrannisiert hatte. Die unter der Oberfläche liegenden Konflikte, die zu diesen Vorfällen führen, werden von Tendrjakow herausgearbeitet. Dabei wird klar, dass zwischenmenschliche Beziehungen komplex sind und dass wechselseitige Erwartungen oft enttäuscht und gute Absichten selten belohnt werden. So heißt es auch in dem Roman Mondfinsternis (Затмение), der das Scheitern einer Liebesbeziehung zum Thema hat: „Gegenseitiges Verstehen bezahlen die Menschen mit Blut und mit Stücken ihres Lebens.“

Tendrjakow greift in Drei, Sieben, As Zitate der klassischen russischen Literatur auf: „Das Bild der toten Alten wurde in Hermanns Phantasie sehr bald von Drei, Sieben und As verdrängt.“[4] Ebenso übernimmt er Dostojewskis Maxime aus Schuld und Sühne: „Du sollst nicht töten.“[5]

Gesellschaftliche Probleme zeigt Tendrjakow oft exemplarisch anhand von Personen auf, die unterschiedliche Wertvorstellungen vertreten. Durch Bürokratie und Intrigen werden Konflikte noch verschärft. Viele Erzählungen Tendrjakows haben ein offenes oder, insbesondere in seinem Spätwerk, pessimistisches Ende.

Werke in deutscher Übersetzung

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Einzelnachweise

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  1. a b Nadeshda Ludwig: Nachwort. In: Wladimir Tendrjakow: Der siebente Tag. Militärverlag der DDR, Berlin 1988, S. 152
  2. Wladimir Scharawin: Skizzen zu einer Biographie des Schriftstellers W. F. Tendrjakow. In: Staatliches Archiv für sozialpolitische Geschichte der Oblast Kirow (GASPI KO). 3. Juli 2017; (russisch).
  3. Das Unterrichtsfach wurde in der Mitte des Schuljahres 1942/43 mit einer Direktive des Volkskommissariats für Bildung der RSFSR eingeführt (Jurij Grigorjewitsch Rossinskij: Sistema obrasowanija RSFSR w gody Welikoj otetschestwennoj wojny. - In: Otetschestwennaja i sarubeshnaja pedagogika, 2/2015) [1]
  4. Alexander Puschkin: Pique Dame. In: Alexander Puschkin: Ausgewählte Werke, Bd. 3. Aufbau-Verlag, Berlin 1949, S. 233
  5. Vgl. Jürgen Rühle: Literatur und Revolution. Die Schriftsteller und der Kommunismus. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, Wien, Zürich 1963, S. 147 f.
  6. Eintrag im Katalog der Deutschen National-Bibliothek

Literatur

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Personendaten
NAME Tendrjakow, Wladimir Fjodorowitsch
ALTERNATIVNAMEN Tendrjakov, Vladimir Fëdorovič
KURZBESCHREIBUNG russischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM 5. Dezember 1923
GEBURTSORT Makarowskaja
STERBEDATUM 3. August 1984
STERBEORT Moskau