Wildor Hollmann (2001)

Wildor Hollmann (* 30. Januar 1925 in Menden (Sauerland); † 13. Mai 2021 in Brüggen[1]) war ein deutscher Internist und Sportmediziner. Er gilt als Mitbegründer der „Trimm-dich-Bewegung“ in Deutschland[2] und als „Vordenker der heutigen Sportmedizin“.[3]

Leben und Werk

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Hollmann besuchte die Josef-Schule und das Walram-Realgymnasium in Menden. Nach dem Abitur 1943 leistete er den Arbeitsdienst, wurde anschließend zum Flugzeugführer bei der Luftwaffe ausgebildet und erlitt im Kriegsdienst drei Verwundungen.[4] Von 1945 bis 1947 war er in britischer Kriegsgefangenschaft. Anschließend studierte er an der Universität Köln Medizin. 1949 begann er im Rahmen seiner medizinischen Doktorarbeit im Bereich der Spiroergometrie mit experimenteller Forschung. Nach dem Staatsexamen 1953 und der Promotion 1954 arbeitete er als Assistent an der Medizinischen Universitätsklinik Köln. Er habilitierte sich dort 1961 – im Jahr seiner Facharztanerkennung als Internist – für das Fach Sportmedizin und erhielt 1964 den Ruf auf einen Lehrstuhl für Kardiologie und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), dem er 1965 folgte. Bereits 1958 gründete er das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, das die Medizinische Universitätsklinik Köln mit der Deutschen Sporthochschule Köln verband. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Bedeutung von körperlicher Aktivität und Inaktivität für Gesundheitserhaltung und Leistungsförderung (vom Kindes- bis zum Seniorenalter - bei gesunden und kranken Menschen).

Hollmann war nach Einschätzung von Georg Neumann durch eine „weitsichtige Zusammenarbeit“ mit Kurt Tittel, einem der seinerzeit führenden Sportmediziner der DDR, verbunden. Das „Aufrechterhalten einer vernünftigen Ost-West-Beziehung“ sei zu dieser Zeit „keine leichte und mitunter brisante Aufgabe“ gewesen, urteilte Neumann.[5] Hollmann veröffentlichte mit Tittel 2008 das Buch „Geschichte der deutschen Sportmedizin“.[6]

Hollmann war 14 Jahre lang Rektor, Prorektor oder Dekan des medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichs der Deutschen Sporthochschule Köln. Als Rektor gelang ihm die Durchsetzung der Anerkennung der Sporthochschule als eigenständige wissenschaftliche Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht, verbunden mit einem großzügigen Ausbau. Er war von 1984 bis 1998 Präsident des Deutschen Sportärztebundes (Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention) und von 1986 bis 1994 Präsident des Weltverbandes für Sportmedizin (Fédération Internationale de Médecine du Sport / International Federation of Sports Medicine - FIMS).[7] Beide Gesellschaften ernannten ihn zum Ehrenpräsidenten.

Auch nach seiner Emeritierung 1990 setzte Hollmann seine Forschungs- und Lehrtätigkeit fort. Noch nach seinem 90. Geburtstag hielt er regelmäßig Vorlesungen an der Sporthochschule.[8] Zusammen mit dem Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln und dem Forschungszentrum Jülich führte er zahlreiche experimentelle Untersuchungen über Gehirn und Geist in Verbindung mit körperlicher Aktivität durch. Als akademischer Lehrer betreute er über 1000 Diplomarbeiten und über 200 Dissertationen. Er selbst verfasste über 800 Publikationen, darunter zahlreiche Bücher. Seine wichtigste Monographie, das Buch Sportmedizin – Grundlagen für körperliche Aktivität, Training und Präventivmedizin (in den ersten 4 Auflagen mit Theodor Hettinger, später mit Heiko K. Strüder und Julia Diehl) gilt als ein Standardwerk der Sportmedizin. Hans-Georg Predel nannte Hollmann 2015 den „charismatischen Nestor und Pionier der internationalen Sport- und Präventionsmedizin“.[9]

Ende Januar 2020 wurde an der Deutschen Sporthochschule Köln eine Dauerausstellung über Hollmann eröffnet (Titel „Wildor Hollmann – ein bewegtes Leben“).[10]

Hollmann starb 96-jährig an den Folgen einer COVID-19-Infektion.[11]

Kontroversen

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Im Buch Doping Dokumente: Von der Forschung zum Betrug von Brigitte Berendonk heißt es, Hollmann habe sich in den 1970er Jahren für Anabolikadoping ausgesprochen.[12] Im Forschungsprojekt „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ heißt es im Abschnitt „Die öffentliche Anabolika-Debatte bis 1976“, an der Deutschen Sporthochschule Köln sei „mit anabolen Steroiden experimentiert“ worden; Institutsleiter Hollmann habe sich aber „öffentlich aus ethischen und ärztlichen Gründen gegen den Gebrauch“ ausgesprochen.[13] Hollmann äußerte 1977 in Bezug auf mögliche Schädigungen durch dosierte Hormongaben: „Schädigende Nebenwirkungen sind hierdurch noch niemals beobachtet worden“ (…) „Wenn aber eben diese Hormone in derselben Größenordnung von außen zugeführt werden, wie sie sonst nur durch Trainingsbelastung durch in Körper in Freiheit gesetzt werden, so fällt es schwer, hierzu den Beweis der Schädlichkeit zu erbringen.“[14] Hollmann bestritt, in den 1970er und 1980er Jahren Dopingforschung betrieben zu haben. Er bestätigte, dass er die Re-Transfusion von Eigenblut erforschte. Bei Versuchen an Sportstudenten im Jahr 1974 wurden bis zu neunprozentige Steigerungen der Herz-, Kreislauf-, Atmungs- und Stoffwechselleistungen festgestellt. Hollmann betonte 1981, diese „Möglichkeit der Leistungssteigerung“ sei im Sport abzulehnen; Blutdoping sei „unärztlich und sportlich unethisch“.[15] In einem Gespräch mit dem Handelsblatt im Jahr 2013 sagte Hollmann in Bezug auf den Vorwurf der Doping-Forschung: „Sie haben den großen Fehler gemacht, alle Forschung mit Doping zu betiteln, die mit Leistung zu tun hat. Ohne unsere leistungsbezogenen Studien gäbe es heute keine Präventivmedizin, keine Reha-Zentren.“[16]

Der Spiegel schrieb 2011, Hollmann habe während seiner Karriere seinen Einfluss in wichtigen Gremien der deutschen Sportwissenschaft wie dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft zugunsten des von ihm geleiteten Instituts an der DSHS ausgenutzt, etwa um Forschungsgelder zu erhalten. Es habe in der Bundesrepublik Deutschland „kaum einen besser vernetzten Sportwissenschaftler als Hollmann“ gegeben. Laut einer zitierten Studie von Hanno Strang und Giselher Spitzer habe es eine „Dominanz der sportmedizinischen Achse Köln-Freiburg“ gegeben, die einen wissenschaftlichen Wettbewerb verhindert habe. Hollmann wies die Vorwürfe zurück und sagte, die Kölner Sporthochschule sowie die Uni Freiburg hätten die meisten Fördergelder zugesprochen bekommen, weil sie „die beiden größten und forschungsintensivsten sportmedizinischen Institute der Bundesrepublik“ gewesen seien. Hollmann sei „lange inkonsequent“ geblieben, „wenn es um Doping ging.“ Er hätte „von Anfang an laut aufbegehren können, er wusste genug, er verstand genug, er hätte sich Gehör verschafft als Westdeutschlands oberster Sportmediziner. Doch er tat es nicht.“[17][18]

Forschungsergebnisse

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Sonstige Tätigkeiten

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Besondere sportärztliche Tätigkeit

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Berufliche und Forschungsauszeichnungen

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Öffentliche Auszeichnungen

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Veröffentlichungen (Auswahl)

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Verfilmungen

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Westfalenpost vom 13. Mai 2021: Weltbürger. Wildor Hollmann verstorben. Menden verliert Ehrenbürger, von Thomas Hagemann, abgerufen am 13. Mai 2021
  2. "Trimm dich"-Vater Hollmann nach Corona gestorben auf t-online.de vom 15. Mai 2021, abgerufen am 26. Mai 2021
  3. Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wildor Hollmann Netzwerk Alternsforschung - Universität Heidelberg. Abgerufen am 8. März 2019.
  4. rp-online.de: Reportage (14. Januar 2019)
  5. Georg Neumann: Nachruf Prof. Dr. med. habil. Dr. h. c. Kurt Tittel. (PDF) In: Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft. Abgerufen am 4. März 2019.
  6. Wildor Hollmann, Kurt Tittel: Geschichte der deutschen Sportmedizin. Dr.-Haus Gera, 2008, ISBN 978-3-9811758-2-0 (bisp-surf.de [abgerufen am 4. März 2019]).
  7. Idw-online.de, abgerufen am 10. Dezember 2008.
  8. 92-jähriger Professor: Alle lieben Hollmann. In: Spiegel Online. 18. April 2017 (spiegel.de [abgerufen am 8. März 2019]).
  9. Hans-Georg Predel: Wildor Hollmann: Zum 90. Geburtstag des Nestors der Sportmedizin. In: Ärzteblatt. 112(16): A-737 / B-621 / C-601, 2015.
  10. Wildor Hollmann – ein bewegtes Leben. (PDF) In: Deutsche Sporthochschule Köln. 29. Januar 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. September 2020; abgerufen am 28. Mai 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dshs-koeln.de
  11. FAZ.net: Wildor Hollmann ist tot
  12. Berendonk, Brigitte: Doping Dokumente. Von der Forschung zum Betrug. Springer-Verlag, 1991, ISBN 978-3-540-53742-7, S. 19.
  13. H. Strang, G. Spitzer: Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation. (PDF) 2011, abgerufen am 4. März 2019.
  14. Danckert, Peter: Kraftmaschine Parlament : der Sportausschuss und die Sportpolitik des Bundes. Meyer & Meyer, 2009, ISBN 978-3-89899-433-0, S. 155.
  15. Ärger ums „Geständnis“. In: Hamburger Abendblatt. 5. Dezember 1981, abgerufen am 18. Dezember 2020.
  16. Doping-Studie: Sportmediziner Hollmann weist Vorwürfe zurück. In: Spiegel Online. 9. August 2013 (spiegel.de [abgerufen am 4. März 2019]).
  17. Detlef Hacke, Udo Ludwig: SPORTGESCHICHTE: „Ich will nur eines: Medaillen“. In: Der Spiegel. Band 39, 26. September 2011 (spiegel.de [abgerufen am 4. März 2019]).
  18. siehe auch Wolfgang Zängl (2016): Die Doping-Connection: Deutsche Sportärzte und der DSB/DOSB
  19. W. Hollmann: Leistungen der Sportmedizin für die Kardiologie. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin Jahrgang 52, Nr. 6 (2001)
  20. www.sportmuseum.de (Memento vom 24. Februar 2010 im Internet Archive), abgerufen am 6. Februar 2010.
  21. Idw-online.de, Ehrenbürgerschaft von Menden, abgerufen am 10. Dezember 2008.
Personendaten
NAME Hollmann, Wildor
KURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt, Hochschullehrer und Forscher
GEBURTSDATUM 30. Januar 1925
GEBURTSORT Menden
STERBEDATUM 13. Mai 2021
STERBEORT Brüggen