Zeitgenössische Darstellung der Exekutionen des Thorner Blutgerichts

Das Thorner Blutgericht war die Hinrichtung von zehn Bürgern in Thorn in Polnisch Preußen am 9. Dezember 1724 nach vorangegangenen Ausschreitungen gegen das dortige Jesuitenkloster (Thorner Tumult).

Vorgeschichte

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Thorn war mit seiner meist deutschen Bevölkerung seit 1557 größtenteils protestantisch (zumeist lutherisch). Unter König Stephan Báthory und seinem Nachfolger Sigismund III. Wasa setzte die Gegenreformation in Polen-Litauen ein. Mit der Gründung des Jesuitenklosters mit Gymnasium 1593 sollte der katholische Einfluss in der Stadt gestärkt werden.

Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte wurden der konfessionelle und der politische Druck von Seiten des polnischen Staates erhöht. Eine polnische Garnison, die Krongarde, kam in die Stadt und legte ihr drückende Lasten auf. Es kam wiederholt zu Konflikten zwischen der protestantischen Bevölkerung und katholischen Gymnasiasten.

Thorner Tumult

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Während der Fronleichnamsprozession kam es am 16. Juli 1724 zu Handgreiflichkeiten zwischen nicht zur Thorner Bürgerschaft gehörenden katholischen Gymnasiasten und Thorner Bürgern.[1] Ein protestantischer Gymnasiast wurde in die Jesuitenschule verschleppt und dort festgehalten. Eine aufgebrachte Menschenmenge versammelte sich vor der Schule und verließ den Platz auch nach der Freilassung des Jungen nicht. Alle Versuche einer Befriedung der Situation scheiterten, so dass die Menge schließlich in die Schule und das Kloster eindrang und sie verwüstete.

Prozess

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König August der Starke, Gemälde von Louis de Silvestre

Auf Initiative der Jesuiten wurden die Vorfälle von einer königlichen Kommission ausführlich untersucht. Am 30. Oktober wurden durch das königliche Hofgericht in Warschau die Bürgermeister Johann Gottfried Rösner und Jakob Heinrich Zernecke sowie zwölf weitere Bürger zum Tode verurteilt. Die Marienkirche als letzte protestantische Kirche wurde katholisch und dem neuen Bernhardinerkloster übergeben. Die Hälfte der Ratsherren- und Schöppensitze sollten künftig von katholischen Bürgern besetzt werden, das evangelische Gymnasium wurde aufgelöst.

Es kam zu Protesten und Petitionen, auch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I.

Hinrichtungen

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Johannes Gottfried Roesner, Kupferstich 1727

Den Verurteilten wurde ein Übertritt zum katholischen Bekenntnis angeboten, um der Vollstreckung zu entgehen. Einige konvertierten, Jakob Heinrich Zernecke wurde ohne Übertritt begnadigt.[2]

Am 9. Dezember 1724 wurden Johann Gottfried Rösner und neun weitere Bürger durch das Schwert enthauptet. Polnische Truppen unter dem Kommando von Jerzy Dominik Lubomirski sicherten die Hinrichtung ab. Noch am Tag der Hinrichtung wurde in der Marienkirche die erste katholische Messe festlich gefeiert.

Nachwirkungen

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Die Hinrichtungen erregten europaweit Aufsehen und fanden ihren Niederschlag in über 165 Flugschriften und hunderten von Zeitungsartikeln. Der stärkste Protest kam aus dem benachbarten Königreich Preußen. König Friedrich Wilhelm I. war sehr aufgebracht. Großbritannien entsandte einen Sondergesandten an den Reichstag in Regensburg und den Warschauer Hof. Die Ereignisse in Thorn beeinträchtigten das Bild Polens in Europa erheblich. Noch bei der späteren Teilung Polens prangerte Voltaire unter Hinweis auf die Ereignisse von 1724 die religiöse Intoleranz der Polen an.[3]

Die Ratsmehrheit in Thorn blieb protestantisch, auch das evangelische Gymnasium konnte nach einem Jahr wieder eröffnet werden.

In der Kunst

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Das Thorner Blutgericht hat zu zahlreichen literarischen Bearbeitungen angeregt. Zu nennen sind:

  1. Der Bürgermeister von Thorn. Roman, 1891.
  2. Die Thorner Tragödie. Roman, 190.

Eingang fand es auch in Gustav Freytags Roman Die Ahnen, 1872.

Gedenktag

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Die Evangelische Kirche in Deutschland erinnert mit einem Gedenktag im Evangelischen Namenkalender am 7. Dezember an die Opfer des Thorner Blutgerichts.[4]

Siehe auch

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Literatur

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Forschungsliteratur

Zeitgenössische Quellen

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Einzelnachweise

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  1. Zu den Ereignissen Franz Jacobi: Rösner, Johann Gottfried. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 53, Duncker & Humblot, Leipzig 1907, S. 501–504.
  2. Er beschrieb die Ereignisse in Thornische Chronica … Geschichte dieser Stadt (Digitalisat).
  3. Martin Schulze Wessel: Religiöse Intoleranz, grenzüberschreitende Kommunikation und die politische Geographie Ostmitteleuropas im 18. Jahrhundert. In: Jörg Requate, Martin Schulze Wessel (Hrsg.): Europäische Öffentlichkeit Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert. Campus Verlag, Frankfurt/Main, 2002, ISBN 3-593-37043-3 S. 77.
  4. Die Opfer des Thorner Blutgerichts im Ökumenischen Heiligenlexikon