Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation (russisch Уголовный кодекс Российской Федерации, УК РФ) ist die alleinige Kodifikation des materiellen Strafrechts, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen strafbaren Handelns in der Russischen Föderation bestimmt.[1] Ein Nebenstrafrecht gibt es in Russland nicht.[2] Ordnungswidrigkeiten sind im russischen Gesetzbuch Über die Ordnungswidrigkeiten geregelt.[3]

Das Strafgesetzbuch wurde von der Staatsduma am 24. Mai 1996 verabschiedet und am 13. Juni 1996 vom russischen Präsidenten Boris Jelzin unterzeichnet. Es ist am 1. Januar 1997 in Kraft getreten[4] und wurde bis 2007 bereits durch 41 Gesetze geändert.[5] Davor galt in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik (R.S.F.S.R.) das Strafgesetzbuch (Ugolownyj Kodex) vom 22. November 1926, dessen Artikel 58 besondere Bedeutung erlangt hat.[6]

Mit Überwindung von Sozialismus und Staatswirtschaft hat das neue Strafgesetzbuch ca. 80 Tatbestände aufgehoben. So sind der Abschnitt „Straftaten gegen das sozialistische Eigentum“ sowie alle Strafvorschriften, die private kommerzielle Aktivitäten verboten und den einseitigen Schutz der Staatswirtschaft gewährt haben, abgeschafft worden. Im Gegenzug wurden rund 70 neue Tatbestände eingeführt.[7]

Die fortwährende gesellschaftliche Transformation kommt auch in einer fortwährenden Strafrechtsreform zum Ausdruck.[8]

Aufbau

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Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation (StGB RF) ist in zwei Hauptteile unterteilt:

Allgemeiner Teil

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Besonderer Teil

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Voraussetzungen und Rechtsfolgen strafbaren Handelns

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Voraussetzungen

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Im Gegensatz zum deutschen dreistufigen Aufbau aus Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld werden in Russland vier Elemente der Straftat überprüft: Objekt der Straftat, objektive Seite der Straftat, Subjekt der Straftat und subjektive Seite der Straftat.[13]

Das Objekt der Straftat bezeichnet das strafrechtliche geschützte Rechtsgut, etwa das durch den Betrugstatbestand in Art. 159 StGB RF geschützte Eigentum.[14] Die objektive Seite der Straftat meint die Tathandlung, die einen bestimmten Taterfolg herbeigeführt hat. Zwischen beiden muss ein kausaler Zusammenhang bestehen.[15] Zum Subjekt der Straftat gehören die allgemeinen Merkmale des Täters, wie z. B. die Strafmündigkeit und die Schuldfähigkeit, sowie die besonderen Merkmale, wie z. B. den Beamtenstatus bei den Amtsdelikten. Das Hauptelement der subjektiven Seite der Straftat ist die Schuld. Art. 24 StGB RF unterscheidet zwischen zwei möglichen Arten von Schuld: Vorsatz und Fahrlässigkeit, beim Vorsatz wiederum nach direktem und indirektem Vorsatz.[16]

Gegebenenfalls werden neben diesen vier Elementen weitere Gründe geprüft, die den Charakter einer Handlung als Straftat ausschließen, in der russischen Strafrechtswissenschaft erfolgt jedoch keine Unterteilung der straftatausschließenden Gründe in Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe.[17]

Rechtsfolgen

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Die Straftatbestände des StGB RF lassen dem Richter bei der Strafzumessung einen ungewöhnlich weiten Spielraum zwischen sehr unterschiedlichen Strafarten.

Art. 44 StGB RF unterscheidet dem Wortlaut nach zwischen:[18]

Am 4. Juni 1999 hatte der damalige russische Präsident Boris Jelzin alle anhängigen Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt und ein Moratorium zur Vollstreckung der Todesstrafe erlassen. Dies war Bedingung für die Aufnahme Russlands in den Europarat gewesen.[19] Im November 2009 hat das Verfassungsgericht der Russischen Föderation die Anwendung der Todesstrafe untersagt und damit nicht nur das Moratorium von 1999 verlängert, sondern die Todesstrafe abgeschafft.[20] Bereits im Jahr 2001 war die Begnadigungskommission des russischen Präsidenten aufgelöst worden.[21]

Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat Russland wiederholt wegen der Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu Entschädigungszahlungen verurteilt, so wegen der Verurteilung von Alexei Anatoljewitsch Nawalny,[22] von Mitgliedern der Punk-Band Pussy Riot[23] und wegen des Todes von Sergei Leonidowitsch Magnitski in Untersuchungshaft.[24]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Dimitri Olejnik: Wirtschaftsstrafrecht in Russland – Teil 1 Ostinstitut Wismar, 2015
  2. Konstantin Stern: Strafgesetzbuch – Уголовный кодекс 15. Dezember 2009
  3. Gesetzbuch der Russischen Föderation über die Ordnungswidrigkeiten vom 30. Dezember 2001, N 196-FZ, Sobr.Zak. RF vom 7. Januar 2002, Nr. 1 (Teil 1), Pos. 1.
  4. Friedrich-Christian Schroeder: Das neue russische Strafgesetzbuch. JZ 1997, S. 19–21
  5. Strafgesetzbuch der Russischen Föderation. Nach dem Stand vom 1. Januar 2007. Deutsche Übersetzung und Einführung von Friedrich-Christian Schroeder, Duncker & Humblot 2007. ISBN 978-3-428-12420-6
  6. Wilhelm Gallas (Hrsg.): Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjet-Republik (R.S.F.S.R.). Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Übersetzung, De Gruyter, Reprint 2018. ISBN 978-3111253077
  7. Dimitri Olejnik: Wirtschaftsstrafrecht in Russland – Teil 1 Ostinstitut Wismar, 2015
  8. Ugolovnoe pravo Rossii. Praktičeskij kurs, pod red. A.I. Bastrykina, Moskau 2007, Seite 24 (Strafrecht Russlands. Der praktische Kurs)
  9. Art. 105 Strafgesetzbuch dekoder.org, abgerufen am 18. Februar 2020
  10. Reform des russischen Strafrechts – Ist häusliche Gewalt nunmehr legal? Ostinstitut Wismar, 28. Februar 2017
  11. Caroline von Gall: Analyse: Vorerst gescheitert: "Pussy Riot" und der Rechtsstaat in Russland Dossier Russland, Bundeszentrale für politische Bildung, 6. November 2012
  12. Oleg Kaschin: Aus und vorbei für Paragraph 282? dekoder.org, 16. Juni 2016
  13. Wienold in: Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, 2013, Rn. 559
  14. Kurs ugolovnogo prava. Obščaja čast´. Tom 1: Učenie o prestuplenii/Pod red. N.F. Kuznecovoj, I.M. Tjazkovoj, Moskau 2002, S. 172 (Kurs des Strafrechts. Allgemeiner Teil. Buch 1: Lehre über das Verbrechen)
  15. L.A. Prochorov, M.L. Prochorova, Ugolovnoe pravo, 1999 (Strafrecht)
  16. Kurs ugolovnogo prava. Obščaja čast´. Tom 1: Učenie o prestuplenii/Pod red. N.F. Kuznecovoj, I.M. Tjazkovoj, Moskau 2002, S. 173 (Kurs des Strafrechts. Allgemeiner Teil. Buch 1: Lehre über das Verbrechen)
  17. Friedrich-Christian Schroeder: Die Straftatausschließungsgründe des russischen Rechts im Lichte der deutschen Strafrechtsdogmatik, ZStW 2011, S. 82 ff.
  18. vgl. Caroline von Gall: Verbrechen und Strafe – zu den rechtlichen Grundlagen des Strafvollzugs in Russland OST-WEST. Europäische Perspektiven (OWEP), 2/2014
  19. Kommt die Todesstrafe in Russland wieder? Die Tagespost, 19. November 2009
  20. Todesstrafe in Russland abgeschafft Neues Deutschland, 20. November 2009
  21. Wilfried F. Schoeller: Ich flehe um Hinrichtung. Die Begnadigungskommission des russischen Präsidenten Deutschlandfunk, 4. Mai 2003
  22. Vorgehen gegen Kreml-Kritiker Nawalny rechtswidrig: EGMR wirft Russland politische Unterdrückung vor Legal Tribune Online, 9. April 2019
  23. EGMR zur Gefängnisstrafe für "Pussy Riot": Russland muss Entschädigungen zahlen Legal Tribune Online, 17. Juli 2018
  24. EGMR in Straßburg: Russland im Magnitski-Fall verurteilt tagesschau.de, 27. August 2019