Basisdaten | |
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Titel: | Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik |
Kurztitel: | Strafgesetzbuch der DDR |
Früherer Titel: | Reichsstrafgesetzbuch |
Abkürzung: | StGB |
Art: | Nationales Recht |
Geltungsbereich: | Deutsche Demokratische Republik |
Rechtsmaterie: | Sanktionsrecht |
Ursprüngliche Fassung vom: | 12. Januar 1968 (GBl. I S. 1) |
Inkrafttreten am: | 1. Juli 1968 |
Neubekanntmachung vom: | 14. Dezember 1988 (GBl. I S. 33) |
Letzte Änderung durch: | G vom 29. Juni 1990 (GBl. I S. 526) |
Außerkrafttreten: | 3. Oktober 1990 |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das Strafgesetzbuch (StGB, zur Abgrenzung auch StGB-DDR) der DDR regelte die Kernmaterie des Strafrechts in der DDR. Während es dazu die Voraussetzungen und Rechtsfolgen strafbaren Handelns bestimmte, war das Verfahren zur Durchsetzung seiner Normen, das Strafverfahren, durch ein eigenes Gesetzbuch (Strafprozessordnung) geregelt.
Neben vielen Regelungen, die auch in Rechtsstaaten üblich sind, finden sich im StGB der DDR Normen, die der Sicherstellung der Herrschaft der SED und der Verfolgung politisch Andersdenkender dienten. Wie die gesamte DDR-Justiz war auch das Strafrecht und die Strafrechtspflege dem Herrschaftsanspruch der Partei verpflichtet.
Ebenfalls im Gegensatz zu rechtsstaatlichen Prinzipien stand die Anwendung des Strafgesetzbuches in Fällen großer politischer Wichtigkeit, in der ein rechtsstaatliches Strafverfahren nicht gewährleistet war.
In der DDR galt zunächst – wie in ganz Deutschland – das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 ohne die vom Alliierten Kontrollrat außer Kraft gesetzten Staatsschutzparagraphen fort. Die Lücke füllte zunächst eine weit gefasste Anwendung des Artikels 6 der Verfassung von 1949 aus, bis 1957 das Strafrechtsergänzungsgesetz neue Staatsschutzbestimmungen und Strafarten festlegte.
Das Strafgesetzbuch der DDR wurde am 12. Januar 1968 erlassen und trat am 1. Juli 1968 in Kraft[1].
Das Strafgesetzbuch wurde mehrfach, zuletzt in den Jahren 1977, 1979, 1982, 1985, 1987, 1988 und 1990 geändert. Es sah bei schwersten Vergehen auch die Todesstrafe vor, was erst durch Gesetz vom 18. Dezember 1987 gestrichen wurde.[2] Die letzten Todesurteile der DDR waren 1981 verhängt und vollstreckt worden.
Der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1990 hatte in Artikel 4. Rechtsanpassung bestimmt, dass die in seiner Anlage III bezeichneten Vorschriften aufzuheben sind. Dort war unter 19. Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuches festgelegt, dass das Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik durch Aufhebung […] der §§ 90, 99, 105, 106, 108, 213, 219, 249 geändert wird. Dadurch konnten eine Reihe politischer Handlungen und Verhaltensweisen nicht länger als Straftaten verfolgt werden.
Das übrige Strafgesetzbuch fand mit der Wiedervereinigung seine Erledigung.
Das Strafgesetzbuch der DDR war folgendermaßen aufgebaut:
In der Präambel hieß es u. a. … Das sozialistische Recht der Deutschen Demokratischen Republik verkörpert den Willen des Volkes, dient dem Schutz der Bürgerrechte und bestätigt die Deutsche Demokratische Republik als den wahren deutschen Rechtsstaat. … Das sozialistische Strafrecht gebietet, dass jeder zur Verantwortung gezogen wird, der sich eines Verbrechens oder Vergehens schuldig macht.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches der DDR enthielt die gesetzlichen Definitionen von Verbrechen und dessen Rechtsfolgen, außerdem allgemeine Vorschriften zur Beurteilung von Straftaten.
Dieser Teil enthielt die einzelnen Straftatbestände, geordnet nach geschützten Rechtsinteressen (sog. Rechtsgütern), nämlich
Das Strafgesetzbuch der DDR umfasste nicht sämtliche Straftatbestände. Einige Delikte waren auch in anderen Gesetzen als Ordnungsstrafvorschriften eingefügt, wie z. B.
Eine Vielzahl von Strafrechtsnormen wurde für die Verfolgung politisch Andersdenkender oder die Sicherung der Herrschaft der SED oder des Grenzregimes instrumentalisiert. Grundlage für das politische Strafrecht waren vor allem der Artikel 6 der DDR-Verfassung und die Kontrollratsdirektive Nr. 38.[3]
Obwohl diese Strafvorschriften einen objektiven Schutzzweck verfolgten, erlaubte die Formulierung als Generalklausel eine fast beliebige Ausweitung auf jeden einigermaßen passenden Tatbestand. Eine restriktive Auslegung von Generalklauseln, wie sie in der Bundesrepublik durch den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verlangt wird, war in der Strafrechtspflege der DDR nicht ausdrücklich vorgesehen. Vielmehr wurde durch die im Kapitel 1 niedergelegten Grundsätze eine Auslegung durch die politische Zielsetzung überformt, so beispielsweise in Artikel 2
… Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird verwirklicht durch nachdrückliche staatliche und gesellschaftliche Einwirkung auf den Gesetzesverletzer sowie durch seine Bewährung und Wiedergutmachung. …
Immerhin wurde in Artikel 4 ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt
… in strikter Übereinstimmung mit den Gesetzen …
sowie das Rückwirkungsverbot normiert. Durch die Einordnung in Artikel 4 ergibt sich jedoch eine gewisse Nachrangigkeit gegenüber den in Artikel 1 bis 3 formulierten, politisch geprägten Grundsätzen. Dementsprechend steht der Begriff strikt nicht für eine enge juristische Auslegung, sondern für eine enge sozialistische Auslegung.
Im Zuge der vom MfS betriebenen systematischen Kriminalisierung Oppositioneller wurden auch relativ bestimmte Tatbestände wie Devisenvergehen oder Sachbeschädigung instrumentalisiert.
Die „Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung“ (Besonderer Teil, Kapitel 8, 2. Abschnitt) wurden in der Praxis unter anderem zur Verfolgung Oppositioneller eingesetzt. Hierzu zählten vor allem:
Der ungesetzliche Grenzübertritt war in der DDR nach § 213 Abs. 2 des StGB der DDR, in der Fassung ab 28. Juni 1979, eine strafbare Handlung. Der Tatbestand galt für das widerrechtliche Passieren der Staatsgrenze der DDR oder die rechtswidrige oder nicht fristgerechte Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik. Die Strafbarkeit stand im Widerspruch zum Völkerrecht, insbesondere Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN, welche die Reisefreiheit garantiert.
Insbesondere der § 215 („Rowdytum“) war so unbestimmt, dass er oft für politische Verurteilungen genutzt wurde.
„Wer sich an einer Gruppe beteiligt, die aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens Gewalttätigkeiten, Drohungen oder grobe Belästigungen gegenüber Personen oder böswillige Beschädigungen von Sachen oder Einrichtungen begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Haftstrafe bestraft.“
Der § 219 („Ungesetzliche Verbindungsaufnahme“) wurde genutzt, Kontakte in nicht sozialistische Staaten (insbesondere zu den Ostbüros von Parteien in der Bundesrepublik Deutschland) zu verfolgen. Konkret war unter Strafe gestellt: „1. wer Nachrichten, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden, im Ausland verbreitet oder verbreiten lässt oder zu diesem Zweck Aufzeichnungen herstellt oder herstellen lässt, 2. wer Schriften, Manuskripte oder andere Materialien, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden, unter Umgehung von Rechtsvorschriften an Organisationen, Einrichtungen oder Personen im Ausland übergibt oder übergeben lässt“.
Auch der § 245 („Geheimnisverrat“) hatte eine vergleichbare Funktion.
Unter der Kapitelüberschrift „Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik“ finden sich eine Reihe von Instrumenten zur politischen Justiz:
Eine Reihe von Strafrechtsnormen hatten allein deklaratorischen Charakter und wurden systematisch durch das Regime gebrochen, ohne dass eine Strafverfolgung denkbar gewesen wäre. So kontrollierte trotz der formellen Gewährleistung des Briefgeheimnisses (StGB (DDR) § 153) das Ministerium für Staatssicherheit den gesamten Postverkehr der DDR aus oder in den Westen sowie große Teile des Postverkehrs innerhalb der DDR.[4]
Eine Reihe von Strafrechtsnormen der DDR wich von denen in der Bundesrepublik Deutschland ab. Beispiele sind:
Seit 1972 regelte das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft in Verbindung mit StGB § 153 ff. in Form einer Fristenregelung die Straffreiheit der Abtreibung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft.
Die Strafbestimmung aus § 151 StGB wurde mit dem Gesetz vom 14. Dezember 1988 aufgehoben. Zur Strafbarkeit der Homosexualität: Siehe auch Paragraph 175
Das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG) zählt eine Reihe von Normen des DDR-Strafrechts auf, die in der Regel der politischen Verfolgung dienten.[5] Diese Regelvermutung ist widerlegbar. Weitere Normen des DDR-Strafrechts können der politischen Verfolgung gedient haben. Der Regelkatalog beinhaltet aus dem Strafgesetzbuch der DDR:
Menschen, die nach dem § 249 des StGB der DDR (Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten) verurteilt worden sind, können unter bestimmten Voraussetzungen rehabilitiert werden.[6]
Personen, die wegen Fahnenflucht verurteilt wurden, werden in der Regel nicht rehabilitiert. Ausgenommen davon sind Personen, die den Grenztruppen der DDR angehört haben.[7]