Sigrid Jacobeit (geb. Dorow am 29. Januar 1940 in Johannismühle bei Baruth/Mark) ist eine deutsche Ethnographin/Ethnologin und Agrarwissenschaftlerin. Sie war von 1992 bis 2005 Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.[1]

Leben und Forschung

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Nach dem Abitur 1958 in Luckenwalde begann Sigrid Jacobeit ein Studium der Landwirtschaft an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin (1959–1965).[2] Jacobeit übernahm 1971 die Leitung des Heimatmuseums Museum der agraren Produktivkräfte in Wandlitz von Walter Blankenburg, welches sie bis 1980 leitete.[3] Parallel dazu absolvierte sie an der Humboldt-Universität ein Fernstudium der Ethnographie/Geschichte(1971–1975). 1979 promovierte sie zu Arbeits- und Lebensbedingungen der Klein- und Mittel-Bäuerinnen in der Nazizeit. Nach einer Tätigkeit als freischaffende Autorin von 1980 bis 1985 lehrte sie von 1986 bis 1991 als Wissenschaftliche Assistentin und Oberassistentin am Institut für Ethnographie an der Humboldt-Universität. 1990 habilitierte sie sich zum Dr. sc. phil. an der Humboldt-Universität. Der Titel ihrer Dissertation lautet: Die Grundbedürfnisse Ernährung und Kleidung im Alltag des deutschen Volkes zwischen 1800 und 1945.[1]

Nach dem Fall der Mauer änderte sich der Universitätsbetrieb grundlegend. Dies führte zu Neubesetzungen der Lehrstühle und beendete ihre Lehrtätigkeit an der Universität.[4] Ab 1991 erhielt sie Lehraufträge an der Technischen Universität Berlin und Freien Universität Berlin. Weitere Lehrveranstaltungen hielt sie an den Universitäten in Luxemburg, Jena, Nowosibirsk, Zürich und Dortmund.[1] Sie hält zahlreiche Vorlesungen und Interviews im In- und außereuropäischen Ausland sowie in den USA. 2002 wurde sie von der Humboldt-Universität zur Honorarprofessorin ernannt und setzt bis heute ihre wissenschaftliche Arbeit fort.

In Zusammenarbeit mit ihrem Mann, dem Chronisten, Historiker und Ethnologen Wolfgang Jacobeit, verfasste und veröffentlichte sie zwischen 1986 und 1995 drei Bände der Illustrierten Alltagsgeschichte des deutschen Volkes, ein autobiografisches Werk über Wolfgang Stegemann sowie weitere Werke.[5] Sie recherchierte zur allgemeinen Frauengeschichte, erstellte Biografien zu Frauen im Widerstand vor und während des Nationalsozialismus und verfasste eine Studie über die Osram-Arbeiterinnen in der Kriegsproduktion des Zweiten Weltkriegs.[6] 1987 erschien mit Liselotte Thomas-Heinrich ihr gemeinsames Werk Kreuzweg Ravensbrück – Lebensbilder antifaschistischer Widerstandskämpferinnen.

Jacobeit begründete mit die Interdisziplinäre Frauenforschungsgruppe Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück – FU Berlin (IFFG), welche 1997 mit dem Margherita-von-Brentano-Preis ausgezeichnet wurde. Die IFFG hat durch enge Zusammenarbeit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und der Freien Universität Berlin wichtige Voraussetzungen für Forschung und Lehre über das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen geschaffen. Zum Zeitpunkt der Preisverleihung waren Birgit Bosold, Elisabeth Böhmer, Insa Eschebach, Ursula Fuhrich-Grubert, Johanna Kootz, Irmela von der Lühe und Claudia Ulbrich Bestandteil dieser Gruppe. 1997 wurde das Forschungsvorhaben der IFFG Victims and survivors. Jewish Women Prisoners in Ravensbrück Concentration Camp during and after World War II vorgestellt. Bis Dezember 1999 wurde dieses Projekt in Kooperation mit der Universität Tel Aviv durchgeführt.[7]

Sigrid Jacobeit ist Gründungsmitglied und ehemalige Vorsitzende der Sektion Volkskunde der Gesellschaft für Ethnographie e. V. . 2007 gründete sie zusammen mit Henry Tesch mit der Unterstützung von Eike Benzin, Lehrerin am Carolinum und Ulrich Meßner, Direktor des Müritz Nationalpark die International Summerschool am Gymnasium Carolinum in Neustrelitz.[2][8]

Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

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Sigrid Jacobeit übernahm im Dezember 1992 das Amt als Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, des größten Frauen-Konzentrationslagers auf deutschem Reichsgebiet zwischen 1939 und 1945. Zuvor war sie von 1991 bis 1992 stellvertretende Direktorin des Museums der Arbeit in Hamburg.[9] Jacobeit ermöglichte die Neuorientierung und umfangreiche Umgestaltung der Mahn- und Gedenkstätte in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Landes Brandenburg. Sie war auch Mitglied im Internationalen Ravensbrück-Komitee. Es gelang ihr, persönliche Verbindungen zu Überlebenden des Frauen-, Männer- und Jugend-Konzentrationslagers Ravensbrück aus zahlreichen europäischen Ländern hinaus international aufzubauen und in intensivem Gedankenaustausch deren Vorstellungen zur Neugestaltung und weiteren Entwicklung der Mahn- und Gedenkstätte zu erfahren.[1] Ende Mai 2005 trat Jacobeit in den Ruhestand.[1] Ihre Nachfolgerin als Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück war Insa Eschebach.

Die Sommer-Universität Ravensbrück wurde im Jahr 2005 von Sigrid Jacobeit und dem Historiker Stefan Hördler mit Unterstützung der damals amtierenden brandenburgischen Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Johanna Wanka, gemeinsam ins Leben gerufen.[10] Die Sommer-Universität fand 2005 zum ersten Mal statt und wurde von Insa Eschebach zur Europäischen Sommer-Universität entwickelt.

Auszeichnungen

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Ausstellungen (Auswahl)

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Veröffentlichungen (Auswahl)

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Monografien und Herausgeberschaft von Sammelbänden
Aufsätze
Ausstellungskataloge
Literatur
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Einzelnachweise

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  1. a b c d e Leiterin der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück. In: www.irk-cir.org. Internationales Ravensbrück Komitee, abgerufen am 3. August 2021.
  2. a b Carolinum historisch literarische Zeitschrift. (PDF) In: www.carolinum.de. Schulverein Carolinum e.V., 2017, abgerufen am 30. Juli 2021.
  3. Claudia Schmid-Rathjen: Kulturhistorischer Ortsspaziergang durch Wandlitz. In: landschaften-in-deutschland.de. Landschaften in Deutschland online, Dezember 2020, abgerufen am 28. Juli 2021.
  4. Kerstin Schweizer: Leiterin einer KZ-Gedenkstätte. In: taz.de. taz.am Wochenende, 1. April 1995, abgerufen am 30. Juli 2021.
  5. Thomas Pilz: Chronist Wolfgang Jacobeit gestorben. In: www.moz.de. Märkisches Medienhaus GmbH & Co. KG, 2. August 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. Juli 2021; abgerufen am 28. Juli 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.moz.de
  6. Sigrid Jacobeit: Sigrid Jacobeit. KZ-Gedenkstätten als nationale Erinnerungsorte. Zwischen Ritualisierung und Musealisierung. In: docplayer.org. Der Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Jürgen Mlynek, 5. November 2002, abgerufen am 28. Juli 2021.
  7. Frauen im Konzentrationslager Ravensbrück. In: www.fu-berlin.de. Freie Universität Berlin, abgerufen am 28. Juli 2021.
  8. International Summerschool. In: www.carolinum.de. Gymnasium Carolinum, abgerufen am 5. August 2021.
  9. Teresa Brinkel: Volkskundliche Wissensproduktion in der DDR. In: Reihe: Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie. LIT Verlag, 2012, abgerufen am 29. Juli 2021.
  10. "Europäische Sommer-Universität Ravensbrück". In: www.ravensbrueck-sbg.de. Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, abgerufen am 2. August 2021.
Personendaten
NAME Jacobeit, Sigrid
ALTERNATIVNAMEN Dorow, Sigrid (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG deutsche Ethnografin, Agrarwissenschaftlerin, ehemals Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Agrarwissenschaftlerin
GEBURTSDATUM 29. Januar 1940
GEBURTSORT Johannismühle bei Baruth/Mark