Samuel Singer (geboren 12. Juli 1860 in Wien; gestorben 5. Dezember 1948 in Bern) war ein Schweizer Germanist österreichischer Herkunft mit Forschungsschwerpunkt Mediävistik. Grundlegendes leistete er auch im Gebiet der Märchen- und Sagenforschung, und seine Sammlung mittelalterlicher Sprichwörter mündete Jahrzehnte später in den 13-bändigen Thesaurus proverbiorum medii aevi.

Leben

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Singer, Sohn des Kaufmanns Adolf Singer und der Regine geborener Frankfurter, besuchte 1869–1877 das Akademische Gymnasium in Wien und studierte 1877–1884 an der heimatlichen Universität Rechtswissenschaft, Philosophie, Geschichtswissenschaft und Nationalökonomie, ab 1883 auch die Fächer Germanistik, Romanistik und Anglistik. 1881/82 legte er die juristische Staatsprüfung in Wien ab. 1884 promovierte er (ohne Dissertation) bei Wilhelm Erich Wahlberg in Jura, 1885 bei Richard Heinzel mit einer Arbeit über Bruchstücke eines Wörterbuchs der germanischen Sprachen in deutscher Philologie. Anschliessend erstellte er am Goethe-Institut in Weimar den kritischen Apparat zur Edition von Goethes Ungleichen Hausgenossen; 1886/87 war er Gasthörer in Leipzig, 1887/88 in Berlin. Wegen seiner jüdischen Herkunft sah er wenig Möglichkeiten für eine wissenschaftliche Laufbahn in Österreich und emigrierte deshalb in die Schweiz, wo er sich 1891 (ohne Habilitationsschrift) an der Universität Bern in germanischer Philologie und deutscher Sprache und Literatur[1] habilitierte.

In Bern wirkte Singer zuerst als Privatdozent und lehrte ab 1896 als ausserordentlicher, ab 1904 als ordentlicher Professor Vergleichende Literaturgeschichte und Sagenkunde. 1910 wurde er ebenda Ordinarius für Deutsche Philologie und Literatur des Mittelalters. Von 1907 bis zu seiner Emeritierung 1930[2] amtete Singer auch als Direktor der Altdeutschen Abteilung des germanistischen Seminars in Bern, 1913 und 1914 zudem als Dekan der Philosophisch-historischen Fakultät.

1921 erhielt er das Schweizer Bürgerrecht und gab damit die österreichische Staatsbürgerschaft auf.

Schaffen

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Einen Schwerpunkt von Singers Forschungen bildete die deutschsprachige (auch schweizerische) Literatur des Mittelalter. Seine breiten Kenntnisse und Interessen, die auch rechtshistorische und volkskundliche Fragestellungen umfassten, ermöglichten eine «komparatistische Einbettung» seiner Studien.[3] Grosse Verdienste erwarb er sich auch in der Märchenforschung sowie mit mehreren Studien über Wolfram von Eschenbach. Im Weiteren wirkte er als Herausgeber und Vermittler mittelhochdeutscher Literatur.

Seine Sammlung mittelalterlicher Sprichwörter bildete die Grundlage für den erst ab 1995 publizierten Thesaurus proverbiorum medii aevi, der nach Singers Konzeption nicht lediglich ein blosses Nachschlagewerk ist. Vielmehr galt ihm die Einheitlichkeit der mittelalterlichen Geisteswelt, «auf die gleiche christliche Religion gegründet, durch die gleiche lateinische Sprache und Bildung überbaut, an die antike Humanität angeschlossen», als beispielhaft für die Überwindung nationalistischer Beschränktheit.[4]

Singer war Gründungsmitglied, später Vorstandsmitglied, zeitweilig Vizepräsident und schliesslich Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde sowie Mitglied der Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur in Zürich.

Sein Nachlass befindet sich in der Burgerbibliothek Bern.[5]

Werke (Auswahl)

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Eine ausführliche Zusammenstellung von Samuel Singers Werken enthält das Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Band 19, S. 271–279, ein vollständiges, von Marta Marti zusammengestelltes Schriftenverzeichnis für die Zeit 1884–1930 die Festgabe für Samuel Singer, 1930, S. 204–217.

Schriften
Editionen und Bearbeitungen
Mitarbeit an Handwörterbüchern
Herausgeberschaft

Ehrungen

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Das Lexikon deutsch-jüdischer Autoren präzisiert als «mittelhochdeutsch», das Österreichische Biographische Lexikon und das Internationale Germanisten-Lexikon hingegen als «neuhochdeutsch».
  2. «1930» gemäss Österreichischem Biographischem Lexikon, Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Internationalem Germanisten-Lexikon und Historischem Lexikon der Schweiz; die Angabe «1939» in der Deutschen Biographischen Enzyklopädie ist unzutreffend.
  3. Österreichisches Biographisches Lexikon; die gesamte dortige Formulierung wird wortwörtlich vom Historischen Lexikon der Schweiz übernommen.
  4. Ricarda Liver: Ein Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters. Thesaurus proverbiorum medii aevi. – UniPress 114, Oktober 2002, abgerufen am 14. Oktober 2015.
  5. Samuel Singer im Katalog der Burgerbibliothek Bern.
Personendaten
NAME Singer, Samuel
KURZBESCHREIBUNG Schweizer Germanist
GEBURTSDATUM 12. Juli 1860
GEBURTSORT Wien
STERBEDATUM 5. Dezember 1948
STERBEORT Bern