Omri Boehm 2024

Omri Boehm (hebräisch עמרי בהם [ˈɔmri bɛm], geboren 1979 in Haifa) ist ein israelisch-deutscher Philosoph und Hochschullehrer. Seit 2010 ist er Associate Professor für Philosophie an der New Yorker New School for Social Research.

Leben

Nach eigener Aussage „geprägt durch eine bildungsdeutsche jüdische Großmutter und einen traditionsverhafteten iranischen jüdischen Großvater“ wuchs Boehm in Israel auf und leistete seinen Wehrdienst beim Geheimdienst Shin Bet.[1] Boehm studierte u. a. an der Universität Tel Aviv und wurde 2009 über Kants Spinoza-Kritik an der Yale University in Philosophie promoviert. Eine Stelle als Postdoktorand führte ihn an die Universität München. Er lehrt seit 2010 als Associate Professor Philosophie an der New Yorker New School for Social Research. Er publizierte unter anderem zu Baruch de Spinoza, René Descartes und Immanuel Kant. In dem im Jahr 2020 veröffentlichten Buch A future for Israel: beyond the two-state solution plädiert Boehm für einen föderalen, binationalen Staat („Republik Haifa“) als Alternative zur Zweistaatenlösung, die er für gescheitert hält. Für das 2022 in deutscher Übersetzung erschienene Buch Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. Universalismus als rettende Alternative erhielt er 2024 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung.

Boehm lebt in den USA und besitzt die israelische und die deutsche Staatsbürgerschaft.[2]

Politische Positionen und Ideen

Boehm vertritt in seinem Werk Israel – eine Utopie (2020) die Idee eines jüdisch-palästinensischen binationalen Bundesstaates als Alternative zum 1948 gegründeten jüdischen Staat Israel. Er argumentiert, dass dies den ursprünglichen Idealen des Zionismus entspreche und eine gerechtere Lösung für alle Einwohner Palästinas bieten würde. Dabei kritisiert er andere liberale und linke Kräfte in Israel, die weiterhin an der Zweistaatenlösung festhalten. Allerdings wird auch angemerkt, dass Boehm die Rolle der Palästinenser in seinem Konzept möglicherweise vernachlässigt und die Realitäten des Konflikts nicht vollständig berücksichtigt. Seine Idee einer Republik Haifa wird als utopisch betrachtet, bietet jedoch Raum für Diskussion und Reflexion über alternative Friedenslösungen im Nahostkonflikt.[3]

Ebenso vertritt er in seinen politischen Positionen und Ideen einen radikalen Universalismus, der traditionelle Konzepte von Identität und Rechten in Frage stellt. Er argumentiert gegen die konventionelle Auffassung des Universalismus in westlichen liberalen Demokratien und behauptet, dass diese lediglich eine leere Hülle sei, die den eigenen Interessen dient und die Idee der Menschheit zerstört. Boehm setzt sich für einen „wahren Universalismus“ ein, den er aus verschiedenen historischen Quellen ableitet, darunter die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die Schriften Immanuel Kants und biblische Erzählungen. Er betont die Bedeutung individueller Autonomie und Selbstbestimmung sowie die Überlegenheit der Gerechtigkeit über alle Autoritäten. Kritiker werfen Boehm vor, dem Fanatismus durch seine Betonung der Wahrheit vor der Demokratie Vorschub zu leisten. Dennoch bleibt sein Werk ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Idee von Pflichten gegenüber Rechten und zur Suche nach einer nicht-nihilistischen Lösung für die aktuellen gesellschaftlichen Gegensätze. Boehm fordert eine Rückbesinnung auf die „absolute Liebe zur Menschheit“ und setzt sich gegen Partikularismus und Identitätspolitik ein. Seine politischen Positionen stehen im Kontrast zu traditionell liberal-demokratischen Ansätzen und sind geprägt von einer starken humanistischen Motivation.[4]

Schriften (Auswahl)

The Binding of Isaac (2007)
Bücher
Beiträge

Auszeichnungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Ingo Zander: Omri Böhm - Israel. Eine Utopie. Rezension, WDR, 16. September 2020.
  2. Heiko Flottau: Die Zweistaatenlösung ist tot. Rezension in: Journal21, 18. Juli 2020.
  3. Klaus Hillenbrand: Traum von der „Republik Haifa“. In: taz.de. 18. Juli 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 10. Februar 2024.
  4. Jens-Christian Rabe: Die einzig wahre Autorität. In: sueddeutsche.de. September 2022, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. Februar 2024.
  5. Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung im Jahr 2024: Omri Boehm, bei Stadt Leipzig