Basisdaten | |
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Titel: | Siebzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes |
Art: | Bundesgesetz, Verfassungsänderung |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Erlassen aufgrund von: | Art. 79 Abs. 1 und 2 GG |
Rechtsmaterie: | Verfassungsrecht |
Erlassen am: | 24. Juni 1968 (BGBl. I S. 709)[1] |
Inkrafttreten am: | 28. Juni 1968 |
Außerkrafttreten: | noch aktuell |
Weblink: | http://www.documentarchiv.de/brd/1968/grundgesetz-notstandsgesetze.html |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Als „die Notstandsgesetze“ im engeren Sinne werden die Grundgesetzänderungen bezeichnet, die am 30. Mai 1968 – in der Zeit der ersten Großen Koalition – vom Deutschen Bundestag[2] und am 14. Juni vom Bundesrat[3] verabschiedet sowie am 24. Juni 1968 von Bundespräsident Lübke unterzeichnet[4] wurden. Außerdem wurde – bereits seit Ende der 1950er Jahre[5] – eine ganze Reihe von sog. „einfachen“ (nicht-verfassungsändernden) Notstandsgesetzen verabschiedet.[6] Die Beratungen über diese Gesetzespakete wurden von massiven Protesten der sogenannten Außerparlamentarischen Opposition (APO) begleitet. Die Notstandsgesetze änderten das Grundgesetz zum 17. Mal und fügten eine Notstandsverfassung ein, welche die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen (Naturkatastrophe, Aufstand, Krieg) sichern soll.[7]
Während im Gesetzentwurf von 1960 zwar noch von „Ausnahmezustand“[8] – unter anderem als Überschrift eines neu einzufügenden Abschnittes X.a – die Rede war,[9] kamen das Wort „Notstand“ – und Komposita mit „Notstand‑“ – in diesem und den späteren Entwürfen immer nur in den erläuternden und begründenden Ausführungen, aber nie im vorgeschlagenen Gesetzestext vor.[10] Auch in der schließlich verabschiedeten Fassung kam das Wort nicht vor.[11] Auch in der heutigen Fassung des Grundgesetzes kommt „Notstand“ bzw. ein Kompositum mit „-notstand-“ nur in zwei Artikeln vor, die beide aber nichts mit den Notstandsgesetzen zu tun haben.[12]
Die dann konkret anwendbaren Regelungen sind dann in den Sicherstellungs- und Vorsorgegesetzen und darauf aufbauenden Verordnungen verankert, z. B. dem Wirtschaftssicherstellungsgesetz und der darauf aufbauenden Wirtschaftssicherstellungsverordnung. Diese enthalten jeweils die Regelung, dass sie erst bei Vorliegen des Notstandes angewandt werden dürfen.
Ursprünglich hatte der – vom Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee im August 1948 ausgearbeitete – Entwurf für das Grundgesetz ein exekutives Notverordnungsrecht (inklusive Grundrechtssuspendierung) enthalten,[13] was sich an die entsprechende Regelung in der Weimarer Verfassung von 1919 anlehnte. Danach sollte im Fall eines Notstands die Bundesregierung bzw. die betroffene Landesregierung das Recht erhalten, Notverordnungen zu erlassen und Grundrechte außer Kraft zu setzen. Auch Bundesexekutionen gegen Bundesländer, die ihren Pflichten nicht nachkamen, waren vorgesehen, wie sie die Weimarer Verfassung als Reichsexekution gekannt hatte. Die Entscheidung darüber sollte aber nicht wie in der Weimarer Republik dem Staatsoberhaupt, sondern der Bundesregierung obliegen, die dabei aber der Zustimmung des Bundesrats bedurfte.[14] Diese sehr weitgehenden Exekutivrechte übernahm der Parlamentarische Rat auf Grund der schlechten Erfahrungen mit Artikel 48 der Weimarer Verfassung so nicht ins Grundgesetz. 1954 wurde dadurch, dass dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit für Verteidigungsfragen und die Möglichkeit geschaffen worden war, eine Wehrpflicht einzuführen,[15] der Schutz gegen einen etwaigen militärischen Angriff ermöglicht; 1956 kam die sogenannte Wehrverfassung hinzu.[16]
Die ersten Pläne für Notstandsgesetze wurden bereits 1956 vom Bundesinnenministerium vorgelegt, es folgten weitere Entwürfe 1958, 1960 (sogenannter „Schröder-Entwurf“), 1963 („Höcherl-Entwurf“), 1965 („Benda-Entwurf“) und 1967 („Lücke-Entwurf“):
Insbesondere die Entwürfe bis 1965 sahen eine Ausweitung der Macht der Exekutive vor und fanden nicht die notwendige Mehrheit.[24]
Von Entwurf zu Entwurf fand jedoch eine Stärkung parlamentarischer Rechte[25] und (verfassungs)gerichtlicher Kontrolle[26] bei gleichzeitiger Schwächung exekutiver Sondervollmachten statt.[27] Bis 1965 verweigerte die SPD jedoch ihre parlamentarische Zustimmung[28] – wenngleich die Sozialdemokraten spätestens seit 1962 in intensivem Austausch mit dem Bundesinnenministerium standen.[29]
Die Große Koalition von 1966 bis 1969 aus CDU/CSU und SPD unter Kanzler Kiesinger (CDU) verfügte über die notwendige Zweidrittelmehrheit[30] und sah die Schaffung der Notstandsgesetze als notwendige Regelung an:[31]
„Ich lehne es jedenfalls ab, gleichgültig von wem, Argumente entgegenzunehmen, die den naiven Eindruck erwecken sollen, als ob nicht jede Regierung jedes Staates Vorsorgen trifft und letztlich dazu verpflichtet ist. Mit anderen Worten: Der Außenminister kann gar nicht darüber diskutieren, ob eine Vorsorgegesetzgebung erforderlich ist.“
„Es ist nicht wahr, daß diese Entwürfe dem Geist und Sinn des Grundgesetzes widersprächen. Wahr ist vielmehr, daß sie eine notwendige Ergänzung des Grundgesetzes aus seinem Geist und Sinn darstellen.“
Gleichzeitig beanspruchten Brandt und Kiesinger:
„Ich bin davon überzeugt, daß jeder auch nur entfernt ausdenkbare Versuch zu einem Mißbrauch der Notstandsgesetze auf unseren leidenschaftlichen Widerstand stoßen würde. […] Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und dies ist ganz wörtlich gemeint.“
„Nicht eine politische oder militärische Diktatur, sondern ihre Verhinderung auch für den Fall der äußeren Gefahr ist doch das Ziel dieser Gesetze!“
Dennoch breitete sich – auch vor dem Hintergrund der erst um das Jahr 1960 (im Kontext der Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“) beginnenden öffentlichen Aufmerksamkeit für (nach 1945 allenfalls kurz unterbrochene)[36] personelle Kontinuitäten zwischen dem nationalsozialistischen und dem bundesdeutschen Beamtenapparat[37] – in der Bevölkerung zunehmend die Sorge aus, die Notstandsgesetze bedeuteten ein neues Ermächtigungsgesetz.[38] Zeichen dieser Sorge war die – „wohl kalkulierte“[39] – abgekürzte Bezeichnung der „Notstandsgesetze“ als „NS-Gesetze“ (s. nebenstehende Fotos[40]).
Ab Bildung der Großen Koalition 1966 opponierten vor allem Gewerkschaften,[41] FDP[42], das Kuratorium „Notstand der Demokratie“ und besonders die Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre mit SDS und LSD gegen die auf parlamentarische Weise nicht verhinderbaren Pläne. Die FDP postulierte 1967 in ihrem „Aktionsprogramm“ Ziele des Fortschritts:
„Das Parlament muß die Stätte der Freiheit und ihre Garantie zugleich sein. Es hat die politischen Grundauffassungen unseres Volkes zu repräsentieren. Die Freien Demokraten sehen es in der Opposition gesteigert als ihre Aufgabe an, in allen Bereichen des politischen Lebens die freiheitliche Verfassungsordnung der Bundesrepublik zu schützen. Darum kämpft die FDP:
- gegen die ungerechtfertigte Einschränkung der Grundrechte im Rahmen der Notstandsgesetzgebung;
- gegen die Ausschaltung des Parlaments, die vom Notstand zur Notstandsdiktatur führt;
- gegen pauschale Rechtsetzungsermächtigungen für die Exekutive in den einfachen Notstandsgesetzen und in der geplanten Verfassungsänderung;
- gegen die Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit;
- gegen die Verheimlichung von Gesetzesvorhaben vor dem Bürger und dem Plenum des Parlaments.
Die FDP fordert:
- eine Notstandsgesetzgebung, die ausreichend ist, um die Not wirklich zu meistern, die also weder den Rückgriff auf überverfassungsmäßiges Recht erlaubt, noch die Vorbehaltsrechte der Drei Mächte ganz oder teilweise weiterbestehen läßt;
- die Veröffentlichung der Texte der ‚Schubladenentwürfe‘ vor Verabschiedung der Notstandsverfassung;
- die erneute Beratung der bereits verabschiedeten Notstandsgesetze und eine eindeutige Festlegung und Bezeichnung der Rechtsetzungsbefugnisse für die Exekutive;
- die Beschränkung der Regelung des äußeren Notstands auf den Verteidigungsfall;
- die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in allen Einzelregelungen und Durchführungsverordnungen;
- die Feststellung des Notstandsfalls mit qualifizierter Mehrheit, den Zusammentritt des Notparlaments nur für den Fall, wenn dem beschlußfähigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen;
- die Gewährleistung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle;
- die Beschränkung der Regelung des inneren Notstands auf eine Ergänzung des Art. 91 GG durch den Zusatz der Worte ‚und Naturkatastrophen‘.“
Über das Verhältnis der studentischen und gewerkschaftlichen Protestteile zueinander heißt es auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung:
„Die Studentenbewegung war mit ihren Verbänden ein wichtiger Teil der APO, nahm beim Protest gegen die Notstandsgesetze aber nicht die federführende Rolle ein. Diese Funktion hatten vor allem die Gewerkschaften und insbesondere die IG Metall inne. Die Studierenden sorgten mit ihren neuen Protestformen wie Sit-ins und Teach-ins, die sie der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung entliehen hatten, jedoch für eine enorme Präsenz in den Medien. […] Das ohnehin spannungsvolle Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Studentenbewegung zerbrach, nachdem die Gewerkschaftsführungen Streiks gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze abgelehnt hatten[44].“
Infolgedessen kam es am 11. Mai 1968 zu zwei getrennten Demonstrationen in Bonn und Dortmund:
Bei der Abstimmung im Bundestag am 30. Mai 1968 votierten von den 496 vollstimmberechtigten Bundestagsabgeordneten und 22 beratenden West-Berliner Abgeordneten
Die FDP hatte einen eigenen Gesetzentwurf zur „Sicherung der rechtsstaatlichen Ordnung im Verteidigungsfall“ (Bundestags-Drucksache V/2130)[53] vorgelegt, der in nicht-namentlicher Abstimmung und ohne detaillierte Zählung der Stimmen abgelehnt wurde.[54] Der FDP-Entwurf sah zwar Änderungen von Artikel 12 (Berufsfreiheit),[55] aber – anders als die verabschiedete Fassung – keine Änderung von Artikel 10 (Brief- sowie Post- und Fernmeldegeheimnis) und Artikel 11 (Freizügigkeit) vor; auch Bestimmungen zum ‚inneren‘ und ‚Katastrophennotstand‘ waren nicht enthalten.[56]
Für die Verabschiedung der Notstandsgesetze wurde in der damaligen Diskussion – neben allgemeinen Erwägungen – auch das Bestreben, die Souveränität der Bundesrepublik auszuweiten,[57] geltend gemacht:
„Die Ergänzung des Grundgesetzes ist nicht zuletzt auch deshalb erforderlich, damit das immer noch aus der Zeit des Besatzungsrechts fortgeltende Notstandsrecht der Drei Mächte durch eine in die deutsche Verfassungsrechtsordnung eingefügte Regelung ersetzt wird.“
„Bisher hatten die Alliierten auch noch Rechte, die uns als Untermieter im eigenen Haus erscheinen ließen. Das soll jetzt geändert werden. Unsere Bundesrepublik ist erwachsen genug, um die Ordnung ihrer inneren Angelegenheiten ohne Einschränkung in die eigenen Hände zu nehmen; […].“
Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 des sog. Deutschlandvertrages bestimmte nämlich:[60]
Die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte in Bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen.
Wenige Tage vor Verabschiedung der grundgesetzändernden Notstandsbestimmungen – nämlich am 27. Mai 1968 – erklärte die Botschaft der USA in der Bundesrepublik:[61]
„Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hat die Texte des ‚Siebzehnten Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes‘, wie es vom Bundestag in zweiter Lesung angenommen worden ist, und eines ‚Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses‘, wie es vom Rechtsausschuß des Bundestages angenommen worden ist, zur Kenntnis genommen. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erachtet, in Übereinstimmung mit der Regierung der Französischen Republik und der Regierung des Vereinigten Königreichs […], daß die Texte, auf die in dem vorhergehenden Absatz Bezug genommen wird, den Erfordernissen des Artikel 5 Absatz 2 des Vertrages über die Beziehungen zwischen den Drei Mächten und der Bundesrepublik Deutschland […] entsprechen. Die von den Drei Mächten bisher innegehabten Rechte in Bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, […], werden dementsprechend erlöschen, sobald der jeweilige Gesetzestext in Kraft tritt.“
Entsprechende Erklärungen gaben auch die britische und die französische Botschaft ab.[62] Die übrigen Sonderrechte der Westmächte aus dem Deutschlandvertrag endeten allerdings endgültig erst 1991 nach der Ratifikation des Zwei-plus-Vier-Vertrags, der wegen der Wiedervereinigung nötig wurde, nachdem sie bereits zum 3. Oktober 1990 suspendiert worden waren.
Das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes ist auf den 24. Juni 1968 datiert, wurde am 27. Juni 1968 verkündet und trat am 28. Juni in Kraft.[63]
Bis dahin hatte das Grundgesetz 158 Artikel[64] Das Gesetz vom 24. Juni 1968 hat insgesamt 28 Artikel aufgehoben, geändert oder neu eingefügt.[65]
Die beschlossenen Änderungen lassen sich insgesamt fünf Fallgruppen zuordnen. Die ersten drei Fallgruppen regeln insgesamt vier Notstandeslagen in absteigender Schärfe. Die beiden letzten Teile umfassen ergänzende Motive und weiteren Einschränkungen von Grundrechten im Zuge der deutschen Notstandsgesetzgebung im Jahre 1968. Diese damals festgeschrieben Stufen des Notstandes entsprechen der Erkenntnislage dieser Zeit und lauten in Deutschland bis heute wie folgt:
Die beiden letzten Fallgruppen umfassen:
Die meisten der 28 Grundgesetzänderungen vom 24. Juni 1968 betreffen den sogenannten äußeren Notstand im Verteidigungsfall und im Spannungsfall. Der Verteidigungsfall ist in elf Artikeln des 1968 neu eingefügten und gleichnamigen Abschnittes Xa geregelt. Der Spannungsfall ist im Artikel 80a GG referenziert.
Er ist gemäß Artikel 53a GG aus Mitgliedern des Bundestag und des Bundesrates zu bilden. Der Gemeinsame Ausschuss tritt nur bei einem äußeren Notstand zusammen. Das ergibt sich auch aus der Formulierung in Art. 115e Abs. 1, der auf den Verteidigungsfall abstellt. Auch praktisch ist davon auszugehen, dass Bundestag oder Bundesrat erst im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik arbeitsunfähig werden können, aber nicht schon im Spannungsfall [73]. Der Gemeinsame Ausschuss besteht zu zwei Dritteln aus Mitgliedern des Bundestages und zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates.[74] Der Gemeinsame Ausschuss kann das Grundgesetz nicht ändern.[75]
Der ausschließliche Bezug auf den äußeren Notstand ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik[76] und der Gesetzesbegründung der Bundesregierung, Zitat wie folgt:
„Die ordentlichen parlamentarischen Organe des Bundes, der Bundestag und der Bundesrat, behalten in allen Notstandslagen alle Rechte, insbesondere das zur Gesetzgebung und zur parlamentarischen Kontrolle. Nur wenn und solange der Bundestag durch äußere Umstände arbeitsunfähig werden sollte (der Entwurf fasst diese Möglichkeit nur für den Fall eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik ins Auge), soll ein aus Abgeordneten des Bundestages und Mitgliedern des Bundesrates zusammengesetztes besonderes Verfassungsorgan, der Gemeinsame Ausschuss, anstelle von Bundestag und Bundesrat deren Aufgaben wahrnehmen.“
Des erst 1956 eingefügte Artikel 59a Grundgesetz wurde durch [78] Artikel 115a Grundgesetz[79] ersetzt. Beide betreffen sie die Feststellung, daß ein Verteidigungsfall eingetreten ist.
Die Ersetzung von Absatz 2[80] des ebenfalls erst 1956 eingefügten Artikel 65a Grundgesetz wurde durch Artikel 115b Grundgesetz[81] ersetzt und schreibt die Kommandogewalt über die Bundeswehr im Verteidigungsfall fest.
Der 1968 neu in Artikel 87a eingefügte Absatz 3 betrifft insbesondere den Schutz von zivilen Objekten und solchen zur Verkehrslenkung. Er umfasst beide Stufen des Notstandes, den Verteidigungsfall oder den Spannungsfall. Er lautet:[82]
Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.
Um den Unterschied zwischen beiden Sätzen (bzw. den Sinn des zweiten neben dem ersten) zu verstehen, ist auf die „soweit“-Einschränkung im ersten Satz zu achten: „soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist“.
Von den unten genannten 1968 beschlossenen Grundrechtseinschränkungen ist ein Teil der Einschränkungen aus Art. 12a GG in Bezug auf die Berufsfreiheit aus Art 12 GG (ohne Buchstabe) ausschließlich im äußeren Notstand zulässig.
Schließlich betraf auch die – schon erwähnte – Streichung von Artikel 142a – der vor allem das gescheiterte Projekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (abgekürzt EVG) zum Gegenstand hatte – eine Norm mit klarer Orientierung nach ‚außen‘, wenn auch nicht zwangsläufig notständischen Charakters (auch wenn der „Verteidigungsfall“ einkalkuliert war).
Er ist in Artikel 91 sowie Artikel 87a Absatz 4 Grundgesetz geregelt. Dabei betrifft Artikel 91 den (landes- und/oder bundes)polizeilich zu bewältigenden ‚inneren Notstand‘ sowie Artikel 87a Absatz 4 den qualifizierten Fall des ‚inneren Notstandes‘, dass „die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen“[83].
Artikel 91 GG wurde dahingehend ergänzt, dass nunmehr
Anders als der „Spannungsfall“ und der „Verteidigungsfall“ bedarf der „innere Notstand“ keiner parlamentarischen Feststellung und auch sonst keiner formellen Verkündung (was sich daraus erklärt, dass an Letzteren, anders als an die beiden ersten Fälle, keine spezifischen Grundrechtseinschränkungen anknüpfen, sondern sich ausschließlich die Zuständigkeiten verschieben). Die Anordnung der Maßnahmen nach Absatz 2 liegt bei der Bundesregierung; ihre Aufhebung kann vom Bundesrat verlangt werden.[86]
In dieser Ausprägung des inneren Notstandes sind Bundeswehr-Einsätze im Inneren auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 1 zur Amtshilfe sowie Abs. 2 Satz 2 sowie Absatz 3 zum Katastrophennotstand möglich. Zwingend ist es neben den Voraussetzungen von Art. 91 GG erforderlich, dass die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen.[87] Artikel 87a Abs. 4 lautet:[88]
„Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.“
In dem Zusammenhang lässt sich der Begründung des Rechtsausschusses entnehmen, dass ausschließlich im Falle „organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer“ damit zu rechnen ist, dass „die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen“: „Der Rechtsausschuß schlägt vor, den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr nur dann zuzulassen, wenn dies zur Bekämpfung von Gruppen militärisch bewaffneter Aufständischer erforderlich ist (Artikel 87 a Abs. 4).“[89]
Der sogenannte Katastrophennotstand ist im heutigen Satz 2 von Absatz 2 von Art. 35 GG und im dortigen Absatz 3 geregelt. Die Einfügungen von 1968 lauten im Wesentlichen:[90]
„(2) Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen....“
Im Falle von Absatz 2 fordert also das betroffene Land an; im Falle von Absatz 3 handelt dagegen die Bundesregierung. Zur Entstehungsgeschichte: Der heutige Satz 1 von Absatz 2 ist dagegen keine Einfügung von 1968, sondern eine Einfügung von 1972.[91]
Die nachfolgenden vier Grundrechte wurden durch das verfassungsändernde Gesetz vom 24. Juni 1968 betroffen:
Artikel 12 ist von den verfassungsändernden Notstandsgesetze mehrfach betroffen.[92] Text aus dem alten Art. 12 GG wurde in den neuen Artikel 12a zu den Dienstpflichten verschoben. Der neue Art. 12a GG schränkt die Berufsfreiheit im Verteidigungsfall ein.
In Art. 12 GG wurde dort vorrangig der bereits 1956 neu eingefügte Text zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung und zum sog. Ersatzdienst[93] in den 1968 neu eingefügten Art. 12a GG verschoben.[94] Für Frauen schufen diese Änderung eine neue Einschränkung der Berufsfreiheit.
Art. 12 II Satz 1 GG von 1956–68 | Art. 12a IV 4 Satz 1 GG seit 1968 |
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„Frauen dürfen nicht zu einer Dienstleistung im Verband der Streitkräfte durch Gesetz verpflichtet werden.“[95] | „Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden.“[96] |
Weitere (neue) Einschränkungen finden sich in Artikel 12a Absatz 3, 5 und 6:
Schließlich wurden in Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 die Wörter „oder auf Grund eines Gesetzes“ eingefügt, sodass dieser nunmehr lautet: „Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.“[98]
Artikel 11 wurde wie folgt geändert:[99]
Ursprüngliche Fassung von 1949 | Geänderte Fassung von 1968 |
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(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. | (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. |
(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden und in denen es | (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es |
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, | |
zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung, | |
zur Bekämpfung von Seuchengefahr | zur Bekämpfung von Seuchengefahr, |
Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, | |
zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung, | |
oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist. | oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist. |
Die in Art. 11 GG verwendeten der Formulierungen finden sich auch wörtlich in den Art. 87a und 91 GG über den inneren Notstand und nahezu wörtlich[100] in Art. 35 Absatz 2 GG[101] über den Katastrophennotstand. Aber nicht allein schon diese Tatbestandsmerkmale rechtfertigen Eingriffe in die Freizügigkeit, sondern sie müssen ferner auf gesetzlicher Basis („durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“) erfolgen. Das ergibt sich aus dem ersten unveränderten Absatz und gebliebenen sowie dem zwingenden Begriff „und“ in Absatz 2. Er enthält also einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt.
An Artikel 10[102] wurde in Absatz 2 ein neuer Satz 2 angefügt, der die Beschränkungen des Postgeheimnisses präzisierte.[103][104]
Das derzeit einschlägige Gesetz dazu ist das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) in der Fassung vom 26. Juni 2001 (zuletzt geändert durch Artikel 12 Gesetz vom 17. August 2017)[105].
In Artikel 19 Absatz 4 wurde folgender dritter Satz hinzugefügt: „Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.“[106] Satz 1 und 2 des Absatzes entsprechen auch heute noch[107] der Ursprungsfassung des Grundgesetzes.[108] Damit wird die Änderung von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG abgesichert. Also wird klargestellt, dass Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 eine Ausnahme ist.
In Artikel 10 Absatz 2 Satz 2 GG wird eine Formulierung verwendet, die sich so ähnlich auch in den notständischen Artikeln 87a Absatz 4 und Artikel 91 findet. Trotzdem wurden z. B. 2017 „nach Genehmigung durch die G 10-Kommission vom BfV, vom BND und vom MAD im ersten Halbjahr 143 und im zweiten Halbjahr 133 Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G 10 durchgeführt“,[109] ohne dass von irgendeiner Seite behauptet wurde, 2017 habe in der Bundesrepublik Deutschland ein ‚innerer Notstand‘ vorgelegen.[110]
Daraus könnte gefolgert werden, dass das spezifisch Notständische an den Bestimmungen der Artikel 91 (und 87a Absatz 4) nicht schon die „drohende Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ (die auch Tatbestandsvoraussetzung für G 10-Maßnahmen ist,[111], [112] ist, sondern dass dies vielmehr erst die Umstände sind, dass
oder sogar
Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen allerdings (mit variierender Groß- und Kleinschreibung) auch in Bezug auf Artikel 91 Absatz 1 von „Notstand“ – und zwar von „regionalen inneren/Inneren Notstand“.[113]
Auch um die Kritiker zu besänftigen,[114] wurden Artikel 9 und Artikel 20 ergänzt:
und
Der erst 1956 wieder eingeführte[118] und dann 1968 zum zweiten Mal gestrichene[119] Artikel 143 lautete in der Fassung von 1956: „Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Artikels 79 erfüllt.“[120]
Damit betrifft diese Streichung eindeutig den ‚inneren Notstand‘; stattdessen wurde dann 1968 Artikel 87a Absatz 4 (qualifizierter ‚innerer Notstand‘) in das Grundgesetz eingefügt. Die Änderung steht aber auch in einem – unklaren – Zusammenhang mit dem ‚Katastrophennotstand‘. Denn es stellt sich die Frage, ob Artikel 143 alte Fassung jeden notständischen Bundeswehr-Einsatz im Inneren von einem „Gesetz […], das die Erfordernisse des Artikels 79 erfüllt“, abhängig machte[121] oder aber Bundeswehr-Einsätze bei ‚Katastrophennotstände‘ vor 1968 durch einfaches Bundesgesetz hätten zugelassen werden können (was dann im Rahmen der Notstandsgesetze aber durch die Einfügungen in Artikel 35 erfolgte). Egal, ob diese Frage im ersteren oder letzteren Sinne beantwortet wird, steht also die Streichung von Artikel 143 also auch in einem – wenn auch unklaren – Zusammenhang mit dem ‚Katastrophennotstand‘.[122]
Artikel 12a steht in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem ‚äußeren Notstand‘, weil er den Verteidigungsfall und auch den Spannungsfall (Artikel 80a GG) referenziert[123]. Artikel 12a schreibt in Absatz 1 oder 2 aber auch Regeln für den Frieden fest.[124]
Die Streichung in Artikel 73 betrifft ebenfalls ‚äußeren Notstand‘ und den Frieden. Das entsprechende gilt für die 1968 in Artikel 73 Nr. 1 GG gestrichenen Wörter „der Wehrpflicht für Männer vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an [125]. Auch dieser Artikel legte für die Wehrpflicht nicht eine gesonderte Art von Notstand fest, sondern gilt schon in der Friedenszeit.[126]
Von dem Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes waren 28 (alte oder neue) Grundgesetz-Artikel betroffen;
Zum Begriff der „drohenden Gefahr“, der in den geänderten Fassungen von Artikel 11 (Freizügigkeit) und 87a Absatz 4 (qualifizierter ‚innerer Notstand‘) sowie in der alten und neuen Fassung von Artikel 91 vorkommt, heißt es in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages:
„Auch im Grundgesetz (GG) wird der Begriff der 'drohenden Gefahr' verwendet. Art. 11 Abs. 2 GG erlaubt die Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes. Zur Abwehr der gleichen Gefahr kann die Bundesregierung gemäß Art. 87a Abs. 4 GG die Streitkräfte einsetzen, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Art. 91 Abs. 1 GG erlaubt einem Land außerdem die Anforderung von Polizeikräften anderer Länder sowie von Einrichtungen und Kräften anderer Verwaltungen und der Bundespolizei, um eine drohende Gefahr für die genannten Schutzgüter abzuwehren. Der Begriff der 'drohenden Gefahr' wird dabei im Grundgesetz wie der Begriff der 'konkreten Gefahr' im Polizeirecht verstanden. Eine Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes droht also dann, wenn tatsächlich eine gravierende und nachhaltige Beeinträchtigung eines der Schutzgüter zu befürchten ist.“
Der Begriff „freiheitliche demokratische Grundordnung“, der in den „Notstandsgesetzen“ in den Artikel 10, 11, 87a (jeweils in der geänderten Fassung) und 91 (in der alten und neuen Fassung) vorkommt, wird im Grundgesetz selbst nicht definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Definition dieses Ausdrucks bisher nur im Rahmen von Parteiverbots-Verfahren gemäß Artikel 21 (wo der Terminus – unter anderem – ebenfalls vorkommt) geäußert. Siehe dazu und zur an diesen Definitionen vorgebrachten Kritik den
Die Termini einfacher / qualifizierter; regionaler / überregionaler „innerer Notstand“ sind keine Begriffe, die im Grundgesetz selbst vorkommen, sondern in den Gesetzesmaterialien sowie in Rechtsprechung und Lehre verwendet werden.
Das Grundgesetz selbst spricht
Auch „Katastrophenfall“ und „Katastrophennotstand“ sind keine Begriffe, die im Grundgesetz selbst vorkommen, sondern in den Gesetzesmaterialien sowie in Rechtsprechung und Lehre verwendet werden. Das Grundgesetz selbst spricht in Artikel 11 und Artikel 35 Absatz 2 von „Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen“; in Artikel 35 Absatz 3 von „Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes“.
Schließlich ist auch „äußerer Notstand“ kein Begriff des Grundgesetzes, sondern ein Oberbegriff für die im Grundgesetz vorkommende Begriffe „Spannungsfall“ und „Verteidigungsfall“.[129]
In Artikel 80a ist bloß die Rede von „wenn der Bundestag den Eintritt des Spannungsfalles festgestellt“; unter welchen faktischen Bedingungen / sachlichen Voraussetzungen der Bundestag den „Spannungsfall“ „feststell[en]“ darf, ist dort nicht gesagt.
In der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages für die verabschiedete Fassung der „Notstandsgesetze“ heißt es:
„Mit ihr [mit der Bestimmung des Artikel 80a] soll der Begriff des ‚Spannungsfalls‘ in die Verfassung eingefügt werden. Unter Spannungsfall wird eine Zeit erhöhter internationaler Spannungen verstanden, die die Herstellung erhöhter Verteidigungsbereitschaft erforderlich macht. Der Ausschuß hat sich entgegen anderslautenden Anregungen der Auffassung der Bundesregierung angeschlossen, daß in bestimmten Fällen Maßnahmen zur Herstellung der erhöhten Verteidigungsbereitschaft auch schon vor dem Verteidigungsfall getroffen werden müssen.“
Der „Verteidigungsfall“ ist in Artikel 115a definiert als „Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall)“. Die Norm enthält außerdem nähere Bestimmungen dazu, welche Verfassungsorgane befugt sind, diese „Feststellung“ zu treffen; außerdem heißt es in Absatz 4 der Norm: „Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so gilt diese Feststellung als getroffen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der Angriff begonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunkt bekannt, sobald die Umstände es zulassen.“