Marianne Fritz (geb. Frieß; * 14. Dezember 1948 in Weiz/Steiermark; † 1. Oktober 2007 in Wien) war eine österreichische Schriftstellerin.

Leben

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Die in der Steiermark geborene Marianne Fritz legte nach einer Ausbildung zur Bürokraft auf dem zweiten Bildungsweg die Matura ab. Sie lebte und arbeitete als freie Schriftstellerin, finanziell abhängig von Stipendien, in bescheidenen Verhältnissen in Wien. Sie scheute den Umgang mit der Öffentlichkeit, über ihren Lebenslauf ist abgesehen von ihrer literarischen Arbeit wenig bekannt. In den 1970er Jahren war sie mit dem Schriftsteller Wolfgang Fritz verheiratet.

Ehrenhalber gewidmetes Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof

Marianne Fritz starb am 1. Oktober 2007 mit 58 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus in Wien an einer schweren Blutkrankheit. Sie wurde in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 40, Nr. 79) bestattet. Am 27. November 2014 wurde in Wien-Neubau der Marianne-Fritz-Park eröffnet.

Die Romane von Marianne Fritz

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Anfänge

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Bereits für ihre erste Veröffentlichung, den 1978 erschienenen Roman Die Schwerkraft der Verhältnisse, erhielt Marianne Fritz den Robert-Walser-Preis. Darin wird die Geschichte einer Kindsmörderin erzählt, die gequält von äußeren Umständen erst in einer Irrenanstalt und mit dem Verlust ihrer Sprache einen Schutz gegen die von ihr als beängstigend wahrgenommene Umwelt findet.

Das „Festungsprojekt“

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Seither arbeitete sie an einem literarischen Großprojekt, dem sie den Arbeitstitel Die Festung gegeben hat und das literarisch die Geschichte der ersten und zweiten Republik Österreich thematisiert.

Der 1980 vorgelegte Roman Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani, angesiedelt im Jahr 1921, schildert Konflikte, die nach der Vergewaltigung einer Roma-Frau in einem österreichischen Dorf entstehen, greift gleichzeitig aber die Schicksale der Dorfbewohner auf und lässt so ein umfassendes Bild der Zeit entstehen, welches über die Handlung reicht.

Dessen Sprache du nicht verstehst

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1985 erschien unter dem programmatischen Titel Dessen Sprache du nicht verstehst ein zwölfbändiger Roman, der ausgehend vom Jahre 1914 exemplarisch die Geschichte der Proletarierfamilie „Null“ aus dem Marktflecken „Nirgendwo“ in den Mittelpunkt stellt. Dieser zentrale Gegenstand wird von hunderten weiterer, ausschließlich proletarischer Haupt- und Nebenfiguren begleitet, so dass auf über 3000 Seiten ein komplexes Bild einer historisch zwar fixierbaren, jedoch gleichzeitig teilweise mythologisierten Parallelwelt entsteht. Das Ziel bleibt dabei, eine Geschichtsschreibung anzustreben, die jene erfasst, welche üblicherweise nur als Objekte im Strom der Ereignisse mitgerissen werden. Korrespondierend dazu bedient sich Marianne Fritz einer eigenwilligen Formen- und Erzählsprache, welche die üblichen Grenzen von Gattungen sowie allgemeiner sprachlicher Konvention sprengt und diese weit hinter sich zurücklässt. Sie verwendet einen unüblichen Satzbau, verändert Interpunktionsregeln, wodurch dem Satz neue Bedeutungsebenen zugewiesen werden, lässt Artikel wegfallen und dergleichen mehr. Die Geschichte der sonst Namenlosen erhält dadurch ihre eigene Sprache und setzt sich von jener der offiziellen Geschichtsschreibung ab.

Naturgemäß

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Mit den ersten beiden Teilen der auf drei Abteilungen angelegten Fortführung Naturgemäß hat Marianne Fritz ihren Stil konsequent weiter verfolgt, doch wollten ihr dabei nur noch wenige Leser folgen. Bereits bei Erscheinen von Naturgemäß I. Entweder Angstschweiß Ohnend Oder Pluralhaft (1996), der in fünf Bänden vorgelegt wurde, sprach die Kritikerin der FAZ von einer „Satzbauruine“ und einem „Disneyland der Dekonstruktion“, auch Naturgemäß II. Es ist ein Ros entsprungen / Wedernoch / heißt sie (1998) rief Befremdung hervor. Beide Bände, in denen der geografische wie zeitliche Rahmen des Festungsprojektes erweitert wird, sind im Faksimile des Typoskripts erschienen, Kursivschrift, Unterstreichungen, wechselnde Schriftbilder, Karten, Formeln und Randnotate überwuchern den Text. Seit 1998 arbeitete Marianne Fritz am dritten Teil, den sie jedoch bis zu ihrem Tod nicht fertigstellen konnte.

Bedeutung

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Fritzpunkt

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Seit 2002 veranstaltet das Stadttheater Wien unter dem Namen Fritzpunkt eine ständige Reihe von Theateraufführungen, öffentlichen Aneignungen, performativen Installationen, Medienprojekten, Lesereihen, Vorträgen und Aktionen im öffentlichen Raum zum Werk von Marianne Fritz, z. B. im Rahmen des steirischen herbstes 2008 und 2010.

Das Fritz-Manöver, eine Übung für den Ernstfall, eines der Beispiele für diese Auseinandersetzung, bestand im Versuch, 1357 Menschen auf der Stadtwildnis Gaudenzdorfer Gürtel in Wien zu versammeln, um jeweils eine Doppelseite aus dem Roman Naturgemäß II simultan zu lesen, womit in etwa 10 Minuten der gesamte Roman bewältigt werden könnte. Am 11. September 2006 fanden sich einige hundert Literaturbegeisterte zur ersten „Übung für den Ernstfall“ zusammen.

Im Dezember 2010 installierte das Theaterkollektiv Fritzpunkt in der österreichischen Bundeshauptstadt die fragmentarische Operation „Textgelände Wien“. Das bis dato noch nicht verlegte Romanfragment „Naturgemäß III“ der Autorin Marianne Fritz war Ausgangsmaterial für Aktionen verschiedenster Genres, die von temporären Fritz-Interpretinnen und -Interpreten vom 1. bis zum 12. Dezember 2010 sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum realisiert wurden.

Am 14. Dezember 2011, dem 63. Geburtstag der Autorin, veröffentlichte das Theaterkollektiv Fritzpunkt das Romanfragment Naturgemäß III (Oder doch / Noli me tangere / „Rührmichnichtan!“) als Online-Fassung unter www.mariannefritz.at.

2017 wurde Fritzpunkt aufgelöst. Seitdem hat es sich die Agentur für Unabkömmlichkeitsbegründungen zur Aufgabe gemacht, mit einer Aufhebekunst das Archiv des Theaterkollektivs Fritzpunkt zum Verschwinden zu bringen und dieses Vorhaben mit dem Projekt "The archive is present oder Lob der Lücke" im September 2023 abgeschlossen.[1]

Werke

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Auszeichnungen

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Das Verschwinden des Archivs, auf germ.univie.ac.at
Personendaten
NAME Fritz, Marianne
ALTERNATIVNAMEN Marianne Frieß (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNG österreichische Schriftstellerin
GEBURTSDATUM 14. Dezember 1948
GEBURTSORT Weiz, Steiermark, Österreich
STERBEDATUM 1. Oktober 2007
STERBEORT Wien