Ludwig Bieberbach (1930)

Ludwig Georg Elias Moses Bieberbach (* 4. Dezember 1886 in Goddelau bei Darmstadt; † 1. September 1982 in Oberaudorf in Oberbayern) war ein deutscher Mathematiker und führender Vertreter der nationalsozialistischen Deutschen Mathematik.

Leben

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Als Sohn von Eberhard Bieberbach, Direktor der Irrenanstalt von Heppenheim/Bergstraße, und seiner Ehefrau Lina Ludwig studierte Ludwig Bieberbach an den Universitäten von Heidelberg und Göttingen. Promoviert wurde er 1910. Im selben Jahr reichte er seine Habilitationsschrift an der Universität Zürich ein. Die im Juli erhaltene Venia Legendi gab er aber ein paar Monate später zurück und nahm eine Tätigkeit als Privatdozent an der Universität Königsberg auf. 1913 lehrte er als ordentlicher Professor an der Universität von Basel, 1915 an der Universität von Frankfurt am Main. An der Berliner Universität lehrte er von 1921 bis 1945.

Von 1924 bis 1945 war Bieberbach Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Seit 1924 gehörte er auch der Deutschen Akademie der Naturforscher (Leopoldina) an. 1932 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Zürich (Operationsbereiche von Funktionen).

Im Dritten Reich gehörte Bieberbach zu den aktivsten Nationalsozialisten an der Berliner Universität. Er war SA-Mitglied seit 1933 und trat zum 1. Mai 1937 der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 3.934.006).[1] Als langjähriger Dekan und Prorektor übernahm er wichtige Führungspositionen in der Universität. Wegen seiner aktiven Beteiligung an der Verfolgung jüdischer Wissenschaftler bezeichnet die Geschichte der Berliner Universität ihn als „Großinquisitor der Universität“.[2] Zu den Opfern seiner Aktivitäten gehörten unter anderem Hilda Geiringer, Edmund Landau und Issai Schur, mit dem er noch 1928 über Geometrie der Zahlen publiziert hatte. Er versuchte, eine „Deutsche Mathematik“ zu begründen, und gründete eine Zeitschrift mit diesem Namen. In seinem Versuch, die Deutsche Mathematiker-Vereinigung in seinem Sinn zu instrumentalisieren, stieß er aber auf Widerstand unter anderem von Helmut Hasse und musste zurückstecken.[3] Sein ohne Absprache mit seinen Kollegen veröffentlichter Offener Brief an den bekannten dänischen Mathematiker Harald Bohr im Jahresbericht der DMV 1934[4] sorgte für einen Skandal, und er musste von seinen Ämtern in der DMV zurücktreten.

1945 wurde Bieberbach aus allen Ämtern entlassen. 1949 lud ihn Alexander Ostrowski ein, in Basel Vorlesungen zu halten, wurde dafür aber heftig kritisiert. In den 1950er Jahren lebte er in Berlin-Dahlem, später in Oberaudorf.

Das Zentralarchiv deutscher Mathematiker-Nachlässe an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen bewahrt einen Teilnachlass Bieberbachs auf.

Werk

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Ludwig Bieberbach arbeitete über Funktionentheorie und deren Verbindungen zu anderen Gebieten der Mathematik und verfasste 130 Artikel und Lehrbücher zu diesen Themen. Von besonderem Interesse sind seine drei Bieberbach’schen Sätze, welche zeigen, dass es in jeder Dimension nur eine endliche Anzahl von Raumgruppen gibt, womit er das 18. der 23 mathematischen Probleme von David Hilbert löste. Weiterhin stellte er 1916 die Bieberbachsche Vermutung auf, dass für die Koeffizienten jeder schlichten, d. h. holomorphen und eineindeutigen (also injektiven) Funktion

auf der offenen Einheitskreisscheibe in der komplexen Zahlenebene die Ungleichungen

für alle

gelten. Bieberbach bewies den Fall , Löwner 1923 den Fall . Vollständig bewiesen wurde die Vermutung erst 1984 von Louis de Branges de Bourcia.[5]

Weitere Arbeitsgebiete von Bieberbach betrafen die Analysis, die Funktionentheorie und die Theorie der konformen Abbildungen. Nach ihm sind die Bieberbachgruppe und die Fatou-Bieberbach-Gebiete benannt.

Schriften

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Literatur

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Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/2861597
  2. Sven Kinas: Massenentlassungen und Emigration. In: Michael Grüttner u. a.: Die Berliner Universität zwischen den Weltkriegen 1918–1945. Berlin 2012, S. 382 (Geschichte der Universität Unter den Linden, Band 2).
  3. Volker Remmert: Geschichte des DMV im Dritten Reich. In: Mitteilungen DMV, 2004.
  4. „Die Kunst des Zitierens, ein offener Brief an Harald Bohr in Kopenhagen“, Jahresbericht DMV 1934
  5. Math. Intelligencer, 1985, Band 7, Nr. 2, S. 23–32.
Personendaten
NAME Bieberbach, Ludwig
ALTERNATIVNAMEN Bieberbach, Ludwig Georg Elias Moses (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Mathematiker und NSDAP-Aktivist
GEBURTSDATUM 4. Dezember 1886
GEBURTSORT Goddelau
STERBEDATUM 1. September 1982
STERBEORT Oberaudorf, Oberbayern