1975 promovierte sie mit einer Arbeit über Immanuel Kant. Ihre Habilitation folgte 1980 mit der Schrift Einheit und Mannigfaltigkeit an der Universität Heidelberg. Zwei Jahre später wurde sie dort außerordentliche Professorin. Von 1985 bis 2007 war sie Ordinaria für Philosophie und Geistesgeschichte an der Universität Luzern (emeritiert seit 2007). Im Jahr 1996 weilte sie für ein Forschungssemester an der Harvard University. Von 2002 bis 2008 war Gloy auch als ständige Gastprofessorin/-dozentin an der Universität Wien tätig. Außerdem lehrte sie bis 2016 am Humboldt-Studienzentrum der Universität Ulm und lehrt weiterhin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Gloy ist Mitbegründerin der Internationalen Gesellschaft „Systeme der Philosophie“ und Mitglied in den Wissenschaftlichen Beiräten des „Wiener Jahrbuchs“, der „Zeitschrift für Deutsche Philosophie“, Beijing, der „Fichte-Studien“, des „Internationalen Jahrbuchs des Deutschen Idealismus“ und der „Internationalen Zeitschrift für Philosophie“, des „Vereins für Komparative Philosophie und Interdisziplinäre Bildung“, Wien, Rat der „Internationalen UNESCO-Zeitschrift Philosophie, Soziologie und Psychologie“ an der Charkower Nationalen Technischen Universität (Ukraine), Mitglied des Patronatskomitees der Akademie der Generationen Solothurn., Lehrbeauftragte der Seniorenuniversität Luzern. Sie hat Gastprofessuren in aller Welt wahrgenommen, so in China, Taiwan, Japan, Korea, Kolumbien, Argentinien, Brasilien, Peru, Griechenland und Österreich.
Schwerpunkte
Die Schwerpunkte der Arbeiten Gloys wurden durch zwei ihrer Lehrer, Carl Friedrich von Weizsäcker und Dieter Henrich, sowie durch die frühen Begegnungen mit verschiedenen Kulturen geprägt.
Carl Friedrich von Weizsäcker motivierte sie zu naturwissenschaftlichen und naturphilosophischen Fragestellungen, denen nicht nur ihre Dissertation, sondern auch verschiedene andere Werke gewidmet sind.
Die Anregung zur Beschäftigung mit spekulativer Philosophie kam von Dieter Henrich. Dieses Interesse bildete sich zunächst in der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Idealismus, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling heraus. Diesbezügliche Untersuchungen sowohl zu historischen Gestalten des Idealismus wie auch selbständige Überlegungen zur Dialektik erwuchsen zu fundamentalem Interesse und fanden ihren Niederschlag in Karen Gloys Habilitationsschrift sowie in anderen Werken und Aufsätzen.
Gastprofessuren und Vorträge in aller Welt (Europa, Asien, Ostasien, Nord- und Südamerika) brachten Karen Gloy in Kontakt mit heterogenen Kulturen, Mentalitäten und Denkweisen. Daraus ergab sich die Fragestellung nach verschiedenen Rationalitätstypen und Denkmustern, die Thema verschiedener ihrer Werke sind. In ihrem Büchern Vernunft und das Andere der Vernunft (2000) und Denkformen und ihre kulturkonstitutive Rolle (2016) wehrt sich Gloy gegen eine einseitige Vernunftauslegung, wie sie zum 'Logozentrismus des Abendlandes' geführt hat. Dem stellt sie andere Vernunfttypen und rationale Denkmuster entgegen: die sumerische Listenmethode, die Dihairesis, das prozessorientierte dialektische Denken, die metaparadoxale Rationalität und das analogische Denken. Ausgehend von diesen Studien widmet sich Gloy in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund eigener Feldforschung bei rezenten Naturethnien in Papua-Neuguinea, Irian Jaya und den Salomonen sowie im Amazonasgebiet der interkulturellen Philosophie.
Darüber hinaus gilt ihr Interesse dem Verhältnis von Philosophie und Kunst und der Frage, ob Philosophie vielleicht eine bestimmt organisierte, argumentative, logische Form von Kunst sei.
Auszeichnungen
2002: Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Universität Ioannina / Griechenland
Schriften
Forschungsbericht und Interkulturelle Philosophie
Unter Kannibalen. Eine Philosophin im Urwald von Westpapua. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-681-4.
Kulturüberschreitende Philosophie. Das Verständnis unterschiedlicher Denk- und Handlungsweisen. Wilhelm Fink, München 2012, ISBN 978-3-7705-5387-7. (Grundsätzlicher, an Beispielen orientierter Beitrag zur Interkulturellen Philosophie, verwendet aber auch eigene Forschungserlebnisse)
Was ist die Wirklichkeit? Fink, Paderborn 2015, ISBN 978-3-7705-5948-0. (Forschungsbeitrag von Bhutan).
Naturwissenschaftliche und naturphilosophische Fragen
Die Kantische Theorie der Naturwissenschaft. Eine Strukturanalyse ihrer Möglichkeit, ihres Umfangs und ihrer Grenzen.Dissertation. de Gruyter, Berlin 1976, ISBN 3-11-006569-X.
Studien zur theoretischen Philosophie Kants. Würzburg 1990, ISBN 3-88479-445-0.
Einheit und Mannigfaltigkeit. Eine Strukturanalyse des „und“. Systematische Untersuchungen zum Einheits- und Mannigfaltigkeitsbegriff bei Platon, Fichte, Hegel sowie in der Moderne.Habilitationsschrift. de Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-008418-X.
Hrsg.: Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Vorlesungen über Logik und Metaphysik. Heidelberg 1817. Hamburg 1992, ISBN 3-7873-1003-7.
Die Philosophie des deutschen Idealismus, Königshausen, Neumann, Würzburg 2021, ISBN 978-3- 8260-7248-2
Denkmuster und Rationalitätstypen
Vernunft und das Andere der Vernunft. Alber, Freiburg 2001, ISBN 3-495-47890-6.
mit Manuel Bachmann: Rationalitätstypen. Alber, Freiburg/ München 1999, ISBN 3-495-47960-0.
mit Manuel Bachmann: Das Analogiedenken. Vorstösse in ein neues Gebiet der Rationalitätstheorie. Freiburg/ München 2000, ISBN 3-495-47964-3.
Bewusstseinstheorien. Zur Problematik und Problemgeschichte des Bewusstseins und Selbstbewusstseins. 3. Auflage. Alber, Freiburg/ München 2004, ISBN 3-495-48117-6.
Demokratie in der Krise? Überlegungen angesichts der Corona-Krise, Königshausen/Neumann, Würzburg 2020, ISBN 978-3-8260-7126-3
Philosophie zwischen Dichtung und Wissenschaft anhand von Rainer Maria Rilkes „Duineser Elegien“, Königshausen/Neumann, Würzburg 2020, ISBN 978-3-8260-7211-6.
Solidarität. Formen und Beziehungen zu Anderen, Königshausen u. Neumann, Würzburg 2023, ISBN 978-3-8260-8147-7
Festschrift für Gloy
Alessandro Lazzari: Metamorphosen der Vernunft : Festschrift für Karen Gloy. Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 3-8260-2439-7.
Literatur
Wladimir Alekseevič Abaschnik: Das Vernunftverständnis im postmetaphysischen Zeitalter. Mit besonderer Berücksichtigung der Positionen von Karen Gloy und Wolfgang Welsch. In: Karen Gloy (Hrsg.): Unser Zeitalter – ein postmetaphysisches? (= Studien zum System der Philosophie. Band 6). Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2938-0, S. 73–81. (online)