Joseph Keilberth (1945)

Joseph Keilberth (* 19. April 1908 in Karlsruhe; † 20. Juli 1968 in München) war ein deutscher Konzert- und Operndirigent.

Leben und Wirken

Herkunft

Joseph Keilberths Familie stammte aus der Oberpfalz. Er war der Sohn des Kammermusikers Josef Keilberth (1882–1933), Solocellist an der Badischen Hofkapelle Karlsruhe, und dessen Frau Anna, geb. Kögl (1888–1942). Sein Großvater Friedrich Keilberth (1844–1919) war Militärmusikmeister (Dirigent) in München.[1]

Karlsruhe und Prag

Joseph Keilberth begann 1925 seine Karriere am Badischen Staatstheater in Karlsruhe, zunächst als Korrepetitor für die Badische Staatskapelle Karlsruhe, ehe er zum Kapellmeister ernannt wurde. 1935 bewarb er sich um den Posten des Generalmusikdirektors in seiner Heimatstadt und setzte sich gegen seinen Mitbewerber Herbert von Karajan durch. Ob er bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten bzw. ob er überhaupt dem völkisch gesinnten Kampfbund für deutsche Kultur und später der Nachfolgeorganisation, der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde, angehörte, wie Fred K. Prieberg behauptet,[2] ist zweifelhaft, da eine Beitrittserklärung mit der Unterschrift bisher nicht vorliegt. Bei der Bewertung von Dokumenten wäre zudem zu berücksichtigen, dass Keilberth den gleichen Vornamen wie sein Vater führte, zum fraglichen Zeitpunkt unter der gleichen Adresse wohnte und noch dazu am gleichen Theater engagiert war. Gesichert ist hingegen, dass Keilberth bis zum Zeitpunkt des Verbots der Karlsruher Schlaraffengesellschaft noch immer als „Ritter Kla-Mottl der zartbesaitete“ Mitglied der „Schlaraffia Carolsuhu“ war. Noch im Januar 1939 führte er mit dem Karlsruher Orchester ein Werk Igor Strawinskys auf, der von den Nationalsozialisten als Kulturbolschewist bezeichnet und abgelehnt wurde.[3]

1940 übernahm Keilberth auf Empfehlung Wilhelm Furtwänglers als Generalmusikdirektor das Deutsche Philharmonische Orchester in Prag, das dort schon in der k.k. Monarchie bestanden hatte und nun im so genannten Reichsprotektorat Böhmen und Mähren weiter existierte. Ein Konzert Keilberths, das in Zusammenhang mit Adolf Hitlers Geburtstag steht, ist nicht bekannt. Er dirigierte das Prager Orchester bei ca. 400 Auftritten, Musik von erst durch die Nationalsozialisten geförderten Komponisten fand Eingang in etwa 20 Programme. Da es Keilberth gelang, für den Prager Klangkörper eine Einstufung als „u.k.“ („unabkömmlich“) zu erreichen, was eine Einberufung von Musikern verhinderte, bestand das Orchester bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs fort und konnte noch am 1. Mai 1945 einen Beethoven-Abend in Prag geben. Laut Prieberg war Keilberth von 1942 bis 1945 Landesleiter der Reichsmusikkammer im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren.[4] In der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde er im August 1944 in die von Adolf Hitler genehmigte Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Dirigenten aufgenommen, was ihn vor einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront, bewahrte.[5][6]

Berlin und Dresden

Nach Inhaftierung und Zwangsarbeit wurde Joseph Keilberth mit seiner Familie nach Sachsen abgeschoben und erreichte am 10. Juni 1945 Dresden. Er wurde umgehend zum Oberleiter der Sächsischen Staatskapelle Dresden berufen und eröffnete die Konzertsaison am 16. Juli 1945. Keilberth hatte die Position bis 1949 inne, blieb aber bis 1950 in Dresden. Außerdem wirkte er von 1948 bis 1951 als Leitender Kapellmeister der Staatskapelle Berlin, die zu dieser Zeit im Admiralspalast spielte, da die Lindenoper zerstört war und erst am 4. September 1955 wieder eröffnet wurde.

Bamberg, Hamburg und München

Ab 1950 bis zu seinem Tod 1968 wirkte Joseph Keilberth als Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Bamberg aus seinem Prager Orchester hervorgegangen waren. Von 1951 bis 1959 amtierte er als Hamburgischer Generalmusikdirektor und Leiter des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. 1959 wechselte er auf den Posten des Bayerischen Generalmusikdirektors an der Bayerischen Staatsoper in München. Keilberth starb 1968 am Dirigentenpult während einer Festspielaufführung von Richard Wagners Tristan und Isolde im Nationaltheater München. Bis heute ist er der einzige Dirigent, der in Bayern zweien der führenden Orchester des Landes gleichzeitig vorstand.

Gastdirigate

Von 1952 bis 1956 dirigierte Joseph Keilberth insgesamt 56 Vorstellungen bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth. 1955 nahm er dort den gesamten Ring des Nibelungen im Auftrag der Firma Decca zum ersten Mal als Live-Mitschnitt in Stereo auf. Aus rechtlichen Gründen (inzwischen hatte die Firma EMI die Exclusivrechte für Aufnahmen aus Bayreuth erworben) durften diese Aufnahmen nicht veröffentlicht werden. Die Aufnahmen verschwanden im Archiv und wurden erst 2006 zum ersten Mal veröffentlicht. Außerdem trat er ab 1957 bei den Salzburger Festspielen sowie bei den Internationalen Musikfestwochen in Luzern (heute Lucerne Festival) und den Wiener Festwochen auf. Als ständiger Gast arbeitete er ab 1936 mit den Berliner Philharmonikern und den Münchner Philharmonikern, ab 1943 mit den Wiener Symphonikern, ab 1944 mit den Wiener Philharmonikern, ab 1951 mit dem Musikkollegium Winterthur sowie ab 1965 mit dem NHK Symphony Orchestra Tokyo. Daneben gab es zahlreiche Produktionen und Konzerte beim Bayerischen Rundfunk, dem Westdeutschen Rundfunk in Köln und dem Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart.

Privates

Grabstätte von Joseph Keilberth

Keilberth war seit 1936 mit der Tänzerin Ingeborg geb. Schultze (* 1912) verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter.[1] Joseph Keilberth wurde auf dem Waldfriedhof Grünwald beigesetzt.

Bedeutung

Joseph Keilberth wurde insbesondere durch seine Mozart-, Beethoven- und Wagner-Interpretationen sowie durch Aufführungen der Werke von Anton Bruckner, Johannes Brahms, Bedřich Smetana, Antonín Dvořák, Max Reger, Richard Strauss, Hans Pfitzner und Paul Hindemith bekannt.[7] Auf zahlreichen Gastspielreisen war er außerordentlich erfolgreich. Er hat mit den namhaftesten Orchestern sowie Gesangs- und Instrumentalsolisten eine beachtliche Zahl von Schallplatten produziert, die eine wichtige Epoche deutscher Musikkultur dokumentieren.

Der Joseph-Keilberth-Saal der Konzerthalle Bamberg ist seit 1993 die neue Heimstatt der Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie. Auch ein Saal im Wohnstift Karlsruhe-Rüppurr ist nach ihm benannt, ebenso eine Grundschule im Norden Münchens. Straßen in Dresden, Grünwald und München tragen ebenfalls den Namen des Dirigenten.

Diskografie (Auswahl)

Eröffnung oder Wiedereröffnung von Kulturstätten

Auszeichnungen

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Deutsche Biographie: Keilberth, Joseph - Deutsche Biographie. Abgerufen am 4. Juni 2023.
  2. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 3877
  3. Thomas Keilberth: Joseph Keilberth. Ein Dirigentenleben im XX. Jahrhundert. Hrsg. von Hermann Dechant. Phonographie von Edeltraut Schneider. Apollon-Musikoffizin Austria, Wien 2007, S. 21 und S. 55.
  4. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. CD-ROM-Lexikon, Kiel 2009, 2. Auflage, S. 3877
  5. Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Österreichischer Bundesverlag Wien 1991
  6. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 299.
  7. Eine ausführliche Aufstellung der von Joseph Keilberth dirigierten Werke findet sich bei Thomas Keilberth: Joseph Keilberth. Ein Dirigentenleben im XX. Jahrhundert. Hrsg. von Hermann Dechant. Phonographie von Edeltraut Schneider. Apollon-Musikoffizin Austria, Wien 2007, S. 719–734.