Jesuitenkolleg in Glatz, heute Liceum Ogólnokształcące

Das Jesuitenkolleg Glatz (lateinisch Collegium Societatis Jesu Glacense) war eine katholische Bildungsstätte in Glatz, der Hauptstadt der böhmischen Grafschaft Glatz. Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 fiel das Kolleg zusammen mit der Grafschaft vorübergehend und nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 endgültig an Preußen. Im Kolleggebäude befand sich bis 1945 zugleich das Katholische Gymnasium. Schräg gegenüber lag das zugehörige Konvikt.

Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Jesuitenkolleg Glatz wurde im Jahre 1597 durch den böhmischen Landesherrn König Rudolf II. mit Zustimmung des Prager Erzbischofs Zbynko Berka von Duba und Leipa errichtet. Es hatte zunächst seinen Sitz im damaligen Augustiner-Chorherrenstift unterhalb des Schlossberges und ab 1624 in der ehemaligen Johanniterkommende an der Pfarrkirche Mariä-Himmelfahrt in Glatz. 1755 wurde das Kolleg zusammen mit den schlesischen Jesuitenkollegien von der böhmischen Ordensprovinz (provincia Bohemiae) getrennt und zu einer eigenen Ordensprovinz zusammengefasst. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 durch Papst Clemens XIV. wurde das Glatzer Kolleg erst drei Jahre später durch den preußischen König Friedrich II. aufgehoben.

Seit den 1520er Jahren breitete sich in Glatz die Reformation aus. Als nichtkatholische Priester die Seelsorge über die Pfarrkirche übernahmen, deren Patronatsrechte seit uralten Zeiten der Glatzer Johanniterkommende zustanden, wurden ab 1549 durch den damaligen Pfandherrn der Grafschaft Glatz Ernst von Bayern, Rekatholisierungsmaßnahmen eingeleitet, die jedoch wenig erfolgreich waren. Nach dessen Tod 1560 wurde das Patronatsrecht der Johanniter über die Pfarrkirche wieder durch Eingriffe des Rats der Stadt geschwächt und lutherische Prediger eingesetzt. Zudem kam es zu einem weitgehenden Niedergang des 1350 vom Prager Erzbischofs Ernst von Pardubitz gegründeten Augustiner-Chorherrenstifts. Dessen Propst Christoph Kirmeser setzte sich für die Gegenreformation ein, konnte sich jedoch in der überwiegend lutherischen Stadt nicht durchsetzen. Als 1586 mehrere Landadelige den stiftseigenen Meierhof in Niederschwedeldorf überfielen und 19 Kühe, vier Mastochsen und sechs Pferde forttrieben, reiste Kirmeser nach Prag und unterbreitete dem Erzbischof den Vorschlag, das Augustinerstift in ein Jesuitenkolleg umzuwandeln, um so den Stiftsbesitz zu sichern. Da er damit beim Erzbischof auf vollkommene Ablehnung stieß, gab er das Vorhaben vorerst auf. 1591 musste Kirmeser mit den Glatzer Ständen einen Vertrag schließen, mit dem er sich verpflichtete, sich an den Landesumlagen zu beteiligen. Daraufhin wandte er sich mit seinem ursprünglichen Plan an Bischof Medeks Nachfolger Zbynko Berka von Duba und Leipa, mit der Begründung, er sei nicht mehr in der Lage, das Stift gegen die Angriffe „der Lutheraner, Kalviner und Schwenckfelder“ zu behaupten. Nachdem sein Ansinnen wiederum abgelehnt worden war, wandte er sich mit Unterstützung der Jesuiten an den Papst, von dem Kirmeser 1594 zur Resignation aufgefordert wurde. Es ist nicht bekannt, ob Kirmeser aus eigenem Antrieb handelte oder möglicherweise von Anfang an die Übergabe der Augustinerpropstei an die Jesuiten verfolgte.

Am 9. März 1595 löste Papst Clemens VIII. die Ordensgemeinschaft der Glatzer Augustiner-Chorherren auf und übergab deren Besitzungen den Jesuiten. Nachdem Kaiser Rudolf II. als böhmischer Landesherr der päpstlichen Entscheidung zustimmte, musste auch der Prager Erzbischof seinen Widerstand aufgeben. In einem Brief vom 8. September 1597 äußerte er sich enttäuscht über die Auflösung des Augustinerstifts. Darin schrieb er, er habe beabsichtigt, die Glatzer Augustinerpropstei zu einem Bischofssitz und den Augustinerpropst zu einem Suffragan von Prag zu ernennen.[1] Die formelle Übergabe an den Jesuitenorden erfolgte am 28. September 1597 durch den Prager Propst Leopold Popel von Lobkowitz und die Kaiserlichen Räte Georg Berthold Pontanus und Matthias Kremer. Obwohl Glatz weiterhin fast gänzlich evangelisch war, führten die Jesuiten 1601 eine Fronleichnamsprozession unter dem Schutz des neu ernannten Landeshauptmanns Heinrich von Logau durch.

Der erste Rektor Johannes Werner baute die Augustinerpropstei zu einem Kolleg um und ließ ein neues Schulgebäude errichten. Mit Ausbruch des Böhmischen Ständeaufstands 1618 wurden die Jesuiten aus Glatz vertrieben. Nach der Schlacht am Weißen Berg wurden das Jesuitenkolleg sowie die Stiftskirche (Thumkirche) bei den Kämpfen um Glatz 1622 zerstört und nicht wiederaufgebaut. Noch vor ihrer Rückkehr nach Glatz versprach der damalige Pfandherr der Grafschaft Glatz, Erzherzog Karl, den Jesuiten die Übergabe der an der Pfarrkirche gelegenen Johanniterkommende. Nach entsprechenden Verhandlungen mussten die Johanniter ihre Glatzer Kommende mit allen zugehörigen Gütern und Rechten am 27. Juli 1626 an die Jesuiten übergeben und am 7. Mai 1627 ihnen auch das Patronatsrecht über die Pfarrkirche übertragen.[2] Zudem gehörten den Jesuiten wieder die ehemaligen Güter und Dörfer, die sie 1597 aus dem Besitz des vormaligen Augustiner-Chorherrenstifts erhalten hatten. Damit war ihnen innerhalb von weniger als dreißig Jahren der Besitz der beiden bedeutendsten mittelalterlichen Glatzer Ordensniederlassungen zugefallen. Wegen ihrer guten Beziehungen zum Wiener Kaiserhof bestimmten sie bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auch die Grafschafter Politik mit.

Bereits am 22. November 1624 hatten fünf Ordensgeistliche das Gebäude der ehemaligen Johanniter-Lateinschule bezogen. Da diese Schule seit 1597 nicht mehr bestand, fiel den Jesuiten auch das Bildungsmonopol zu. Um möglichst viele Schüler zu gewinnen, verzichteten sie auf das Schulgeld und unterstützten bedürftige Schüler aus der „Pia Causa-Stiftung“, die aus dem Niederhof, dem Freirichtergut, dem Piae-Causae-Vorwerk und einem Freibauerngut in Mittelsteine gebildet wurde und an der sich u. a. der Glatzer Dechant Hieronymus Keck beteiligt hatte. Das Kolleg wurde eine hervorragende Bildungsstätte für den Glatzer Adel aber auch darüber hinaus.

Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts errichteten die Jesuiten anstelle des ehemaligen Kreuzhofs ein vierflügeliges Kolleg und ihm gegenüber ein Konvikt (seit 1945 Muzeum Ziemi Kłodzkiej / Museum des Glatzer Landes) nach Entwurf des italienischen Baumeisters Carlo Lurago. Später oblag die Bauleitung den Baumeistern Andrea Carove und August Reinsperger. Das Ensemble wurde um 1690 fertiggestellt.

Im Jahre 1669 besaß der Jesuitenorden die Dörfer Altheide, Altwilmsdorf, Batzdorf, Ebersdorf, Halbendorf (seit 1945Ustronie), Königshain, Mügwitz, Niederschwedeldorf, Soritsch (seit 1945 Zagórze) und Werdeck mit den Patronatsrechten über die jeweiligen Kirchen.

Von 1704 bis zu seinem Tod 1717 wirkte der Jesuit Vitus Scheffer am Glatzer Jesuitenkolleg, der zahlreiche theologische, philosophische und astrologische Schriften verfasste. Sie wurden zum großen Teil bei Andreas Frantz Pega bzw. dessen Nachfolger Caspar Rudolf Mueller in Glatz gedruckt.

Politische Schwierigkeiten entstanden dem Kolleg nach dem Übergang an Preußen, da den Jesuiten unterstellt wurde, das übliche Kirchengebet für das Herrscherhaus unterlassen zu haben. Daraufhin befahl Kommandant Fouqué u. a. Hausdurchsuchungen und die Beschlagnahme von Büchern und Akten. Nach dem Hubertusburger Frieden 1763 wurde das Glatzer Jesuitenkolleg von der böhmischen Ordensprovinz getrennt und mit der 1755 gebildeten Ordensprovinz Schlesien verbunden. 1776 wurde es durch den preußischen König Friedrich II. aufgelöst. Die Ordensangehörigen durften in andere geistliche Orden eintreten oder Weltpriester werden. Die Güter fielen an den preußischen Landesherrn, der die Erträge dem Königlichen Schuleninstitut zuwies. 1788 wurden die Güter verkauft. Carl Joseph Hoffmann erwarb Ebersdorf sowie einen Anteil von Schlegel und Gräfin Franziska von Schlegenberg auf Regensdorf erwarb Altbatzdorf. Die restlichen Ländereien kaufte der Oberbergdirektor Friedrich Wilhelm von Reden. Das Kolleggebäude wurde dem Königlichen Katholischen Gymnasium zugewiesen.

Nach dem Übergang an Polen 1945 infolge des Zweiten Weltkriegs wurde in dem Gebäude ein Allgemeinbildendes Gymnasium (polnisch Liceum Ogólnokształcące) eingerichtet.

Rektoren des Glatzer Jesuitenkollegs und Vorkommnisse während ihrer Amtszeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannte Jesuiten aus dem Glatzer Kolleg (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Maximilian Tschitschke: Der letzte Propst der Arnestinischen Stiftung. In: Glatzer Heimatblätter, Band 12, 1926, S. 113–125.
  2. Franz Albert: Übergabe der Glatzer Malteser-Kommende an die Jesuiten (1626–1629). Glatzer Heimatblätter 1927, S. 29ff.
  3. Allgemeine Staats-, Kriegs-, Kirchen- und Gelehrten-Chronicke, … Band 11. Johann Heinrich Zedler, Leipzig 1742, S. 901 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Arno Herzog: Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. ISBN 3-525-01384-1, S. 106f.
  5. [1] Digitalisat Historia Beatissimae Virginis Glacensis.

Koordinaten: 50° 26′ 15″ N, 16° 39′ 7″ O