Guido Kisch (geboren 22. Januar 1889 in Prag, Österreich-Ungarn; gestorben 7. Juli 1985 in Basel) war ein deutschsprachiger Jurist und Rechtshistoriker. Er verfasste grundlegende Arbeiten zur Geschichte der Juden im Mittelalter und zur Rechtsgeschichte des Deutschordensstaates.

Leben

Familie

Guido Kisch entstammte einer böhmischen Familie jüdischen Glaubens, die viele Ärzte, Apotheker und Rabbiner hervorgebracht hatte. Einer seiner Vorfahren, Abraham Kisch, war der erste in Halle zum promovierte Dr. med. jüdischen Glaubens aus Böhmen. Guido Kischs Vater Alexander Kisch war zuletzt Rabbiner an der Maisel-Synagoge in Prag, dessen Bruder, der Mediziner Enoch Heinrich Kisch (1841–1918), war der Begründer der modernen Balneologie.[1] Der jüngere Bruder von Guido Kisch war der Kardiologe Bruno Kisch (1890–1966), zunächst in Köln, später wie sein Bruder Guido in den USA.[2] Ein Vetter zweiten Grades war der in der Weimarer Republik bekannte Zeitungsreporter Egon Erwin Kisch.

Ausbildung und Karriere

Guido Kisch studierte Jura an der Deutschen Universität in Prag, promovierte dort im Jahr 1913 zum Dr. jur. und Dr. rer. pol. und habilitierte sich 1915 in Leipzig bei dem Zivilprozessrechtler Adolf Wach mit der Arbeit Der deutsche Arrestprozess in seiner geschichtlichen Entwicklung. Nach fünfjähriger Tätigkeit als Privatdozent in Leipzig erhielt er 1920 einen Ruf auf die Professur für Rechtsgeschichte an die Universität Königsberg, 1922 einen Ruf an die Universität Halle, wo er von 1925 bis 1926 Dekan in der juristischen Fakultät war. In Halle war Kisch bis zu seiner Amtsenthebung auf der Basis des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im Jahr 1933 tätig, mit Ausnahme einer Gastprofessur an der Deutschen Universität Prag in den Jahren 1924–1925. Kisch war Mitglied der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt. Seine 1931 (2. Auflage 1978) erfolgte kommentierte Edition der Rechtsordnung des Deutschen Ordensstaates, der Kulmer Handfeste, ist bis heute grundlegend. Kisch war bis von 1929 bis 1936 ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland, die 1929 wiederaufgelegt wurde. 1933 wurde sie verboten und 1935 wieder erlaubt. Eine vollständige digitale Reproduktion der Zeitschrift, die auch alle Beiträge Kischs enthält, ist unter Weblinks verzeichnet.

Emigration

Nach der Entlassung durch das NS-Regime konnte Kisch kurzfristig am jüdischen theologischen Seminar der Universität Breslau als Professor für Geschichte Anstellung finden und formalisierte damit sein zweites großes Arbeitsgebiet, die Jüdische Geschichte, mit einem Schwerpunkt auf der Rechtsgeschichte der deutschen Juden im Mittelalter. Da ihn die Nationalsozialisten weiter verfolgten und es ihm unmöglich war, seine akademische Arbeitsstelle in Deutschland zu erhalten, emigrierte er 1935 in die USA, wo er zunächst für die American Academy for Jewish Research arbeitete.[3] Guido Kisch war der Herausgeber der englischsprachigen Zeitschrift Historia Judaica, die ab 1938 in der Tschechoslowakei in (Mährisch-Ostrau) heute Ostrava im Verlag Julius Kittl Nachfolger erschien. Zwischen 1937 und 1958 war er für das Hebrew Union College tätig, das 1950 mit dem Jewish Institute of Religion fusionierte. 1958 wurde er dort emeritiert.

Remigration

Daneben war Kisch in den Sommern seit 1952 an der Universität Basel tätig, wo er sich 1962 niederließ. Die Ehrendozentur an der Universität Basel (seit 1954) ermöglichte ihm so eine Rückkehr in den deutschsprachigen Kulturraum, dem er sich weiterhin zugehörig fühlte, während das ihm angetane Unrecht ihm ein Leben in Deutschland unmöglich machte. In Basel widmete er sich seinem dritten Arbeitsschwerpunkt, der Erforschung der humanistischen Jurisprudenz, insbesondere der in Basel selbst tätig gewesenen Humanisten, und entfaltete bis ins hohe Alter eine reiche Publikationstätigkeit, die die Grundlage für die Basler Rechtsgeschichte legte. In seinen Erinnerungen (S. 172) beurteilte Kisch sein Interesse für die Basler Humanisten 1975 so: „Mit diesen Gelehrten, ihrer Tätigkeit, ihren Werken und ihrer Zeit ist das Forschungsgebiet bezeichnet, dem meine Arbeit nunmehr schon seit zwei Jahrzehnten vorwiegend gilt.“[4]

1971 wurde er als Ehrenmitglied in die Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung aufgenommen. 1972 erhielt er den Jacob-Burckhardt-Preis der Basler Johann-Wolfgang-von-Goethe-Stiftung.

Hauptwerke

Deutsche Rechtsgeschichte

Jüdische Geschichte und Rechtsgeschichte

Humanistische Jurisprudenz

Autobiographie

Literatur

Einzelnachweise

  1. Enoch Heinrich Kisch. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 3, Wien 1965, S. 349.
  2. Wolfgang Schaper und Jutta Schaper: Bruno Kisch, Leben und Werk. Ein Versuch (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today) (Gedächtnisvorlesung anläßlich der 61. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Herz- und Kreislaufforschung in Mannheim im April 1995).
  3. Vgl. seine Aufsätze Research in Medieval Legal History of the Jews. In: Proceedings of the AAJR, Bd. 6, 1935, S. 229ff.; The Jewry-Law of the Medieval German Law-Books. In: Proceedings of the AAJR, Bd. 7, 1936, S. 61ff. sowie The Jewry-law of the Medieval German Law-Books. Part II. In: Proceedings of the AAJR, Bd. 10, 1940, S. 99ff.
  4. Guido Kisch: Der Lebensweg eines Rechtshistorikers. Erinnerungen. Sigmaringen 1975, S. 172.