Als Festung Uetliberg (auch Abwehrstellung Uetliberg) wurde der drei Kilometer breite Abschnitt der Limmatstellung zwischen Uetliberg, Uitikon-Waldegg und Urdorfer Senke bezeichnet, der von der 6. Division der Schweizer Armee nach dem modernen Konzept der dynamischen Verteidigung im Zweiten Weltkrieg vorbereitet wurde.

Unterstand «Brille» A 4921

Vorgeschichte

Urgeschichtliche Festung Uetliberg

Frühgeschichtliche Befestigungsanlagen Uetliberg

Die strategische Bedeutung des Uetlibergs war schon im 5. Jahrhundert v. Chr. (Fürstengrabhügel Sonnenbühl) von den keltischen Helvetiern erkannt worden, die ihr Oppidum auf dem Gipfelplateau des Uto Kulm und dessen Vorgelände mit einem mächtigen, tief gestaffelten Wallsystem schützten. Der erste Wall sicherte die ganze Breite des im Westen flach ansteigenden Uetlibergs und war rund zwei Kilometer breit . Der zweite Wall befestigte das dem Gipfelbereich westlich vorgelagerte Aegertenplateau und der dritte Wall sicherte das Gipfelplateau . Im 10. Jahrhundert wurde auf dem Kulm die Burg Uetliburg errichtet.

Limmatstellung

Aufgrund des Operationsbefehles Nr. 2 vom 4. Oktober 1939 besetzte die Schweizer Armee die Limmatstellung, um einen Angriff aus dem Norden und eine Umgehung der Maginot-Linie durch die Schweiz aufhalten zu können. Die Stadt Zürich und ihre Umgebung sollte als Teil der Limmatstellung durch das Stadtkommando Zürich und die 6. Division verteidigt werden.

Da für die notwendige Modernisierung und den Unterhalt der Waffen, Ausrüstung und Befestigungen in der Zwischenkriegszeit zu wenig Mittel bewilligt worden waren, konnte erst zu Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Bau der Limmatstellung begonnen werden. Ein Vorteil – dieser für die Schweiz gefährlichen Situation – war, dass beim Bau der Verteidigungslinien die neueren Entwicklungen des Kriegsgeschehens (Blitzkrieg, Panzerschlachten, Luftlandetruppen) laufend berücksichtigt (dynamische und tief gestaffelte Verteidigung, Ausnützung des hindernisreichen Geländes) werden konnten.

Während zehn Monaten (Oktober 1939 bis August 1940) bereitete man sich darauf vor, zur Hauptkampflinie bei einem deutschen Angriff zu werden.[1][2]

Festung Uetliberg im Zweiten Weltkrieg

Kommandant

Herbert Constam (1885–1973), Oberstdivisionär und Kommandant der 6. Division, galt als einer der fähigsten Truppenführer der Schweizer Armee und war zugleich der ranghöchste Offizier jüdischer Herkunft. 1943 zum Korpskommandanten befördert, kommandierte er bis 1951 das 3. Armeekorps.

Armeebefehl

Der Befehl für die Verteidigung der Limmatstellung des Kommandanten des 3. Armeekorps vom 15. Februar 1940 lautete für die 6. Division folgendermassen:

Verteidigungskonzept

Herbert Constam wählte aufgrund der neueren Entwicklungen des Kriegsgeschehens – im Gegensatz zu den benachbarten Divisionen – eine moderne dynamische Verteidigung unter Ausnützung des steilen, bewaldeten Geländes am Uetliberg. Damit war er seiner Zeit voraus. Die Konzeption eines flexiblen Kräfteeinsatzes mit situationsgerechten Schwergewichtsbildungen, unter Verzicht auf einen flächendeckenden Einsatz wurde erst 1995 mit der Armeereform 95 als «Dynamische Raumverteidigung» zur neuen Verteidigungsdoktrin der Schweizer Armee.

Am Uetliberg sollten beschusssichere Unterstände und Kavernen die Soldaten während eines Artillerie- oder Fliegerangriffes schützen und kampffähig erhalten, damit sie sich gegen die unmittelbar nach dem Beschuss zur erwartenden feindlichen Infanterieangriffe verteidigen könnten. Zerstörte Feldstellungen hätten durch Bombenlöcher ersetzt werden können. Constam förderte die für diese Art von Kampf benötigte Beweglichkeit durch Nahkampfübungen, Bauarbeiten und körperliche Ertüchtigung (Turnen, Märsche). Die Infanteriebataillone 70, 62 und 166 sollten am Uetliberg eine Umgehung der Stellungen in der Urdorfer Senke verhindern.

Im Vorfeld des Uetlibergs wurden zur Panzerbekämpfung und Rundumverteidigung Stützpunkte in Altstetten («Dachslern», «Kappeli», «Panama»), Oberurdorf und Dietikon (Festung Dietikon) sowie die Sperrstellen Wollishofen, Urdorf und Stadt Zürich eingerichtet. In den Dorfkernen wurden die Häuser zu Feuerstellungen ausgebaut, die Zwischenräume durch Mauern, Beton, Eisenpfähle verbunden und mit Stacheldraht verstärkt.

Hinter diesen Stützpunkten sollte ein gegnerischer Durchbruch mit Hindernissen, Eisensperren und Tankgraben aufgehalten werden. Die Sperrstelle Waldegg war ein umgrenztes Zielgebiet für konzentriertes Artilleriefeuer, das von auf den Höhenzügen postierten Artilleriebeobachtern in diesen Käfig geleitet worden wäre.

Die Artillerie wurde im Raum Ringlikon (Brand), Birmensdorf (Haslen, Maas, Ramerenwald, Risi, Egg, Schüren, Löffler), Bonstetten (Hörglen) und Oberlunkhofen (Matteried) in einer lockeren, schachbrettartigen Form und gut getarnt aufgestellt. Die 18 Batterien mit insgesamt 72 Rohren konnten über die Urdorfer Senke und die Waldegg Zürich, Wallisellen, Rümlang, Dielsdorf und die Lägern erreichen. Sie waren auch für den Artilleriefeuerschutz der Limmatübergänge von Wipkingen und Dietikon zuständig.

Artilleriestellungen Uitikon und Umgebung

Festungsbau

Das ganze Gebiet am Uetliberg wurde zum militärischen Sperrgebiet erklärt und selbst vor höheren Offizieren geheim gehalten, Nachbarstellungen und die getarnten Artilleriestandorte waren auch ihnen nicht bekannt. Das Gebiet war von Laufgräben und Stacheldrahtverhauen durchzogen und grossflächig abgesperrt. Alle Strassen und Wege waren mit Sperren und betonierten Unterständen für die Wachmannschaften versehen.

Noch vorhandene Sperren

Die Sappeurkompanie II/6 der 6. Division unter Hauptmann Kollbrunner beschäftigte zeitweise über 10'000 Soldaten. Jeder Sappeursoldat dieser Sappeurkompanie hatte als Bauführer oder Polier einen Bautrupp von rund 100 Soldaten im Tag und Nacht Baueinsatz anzuleiten. Von polnischen Internierten wurden am Uetliberg eine Militärstrasse, der sogenannte Polenweg von der SZU.Haltestelle Ringlikon bis zur Arthur-Rohn-Strasse angelegt.[4]

Der drei Kilometer breite Abschnitt zwischen Uetliberg, Waldegg und Urdorfer Senke bestand aus einem tiefgestaffelten System von Wechselstellungen, das an der Limmat begann und hinter der Reppisch aufhörte. Anstelle von verbunkerten Waffenstellungen wurden über 100 betonierte Unterstände und Felskavernen für die Truppen und Kommandoposten, Artilleriestellungen und Artilleriebeobachtungsbunker, Sanitätsstollen und Munitionsmagazine (Pulverhaus) gebaut und eine Vielzahl von Laufgräben für Wechselstellungen ausgehoben. Einzig durch die offene Urdorfer Senke verlief eine Tanksperre mit 18 betonierten Waffenständen.

Noch vorhandene Objekte Buchhoger, Uitikon

Die Armasuisse hat begonnen, einzelne Unterstände mit Erde zu überdecken, um Kontrollen und Unfälle zu vermeiden.

Noch vorhandene Objekte Hohenstein, Uetliberg

Vorgeschobene Stützpunkte

In den vorgeschobenen Stützpunkten Altstetten, Dietikon und Schlieren, sowie in Uitikon-Waldegg (Uetliberg) und der Urdorfer Senke, der Stadt Zürich und in Wollishofen entstanden ab 1938 nach neuesten militärischen Kriterien betonierte Waffenstellungen, Bunkeranlagen, Sprengobjekte und Geländepanzerhindernisse.[5]

Benachbarte Sperrstellen

Nach dem Rückzug ins Reduit wurden die Feldstellungen am Uetliberg verlassen. Als Vorwerk zum Reduit wurde die Wollishofer und 1944 die Birmensdorfer Panzersperre gebaut.

Verein Festungswerke der Limmatstellung

Die Militärhistorische Gesellschaft des Kantons Zürich ist heute (2018) Besitzerin von zehn kleineren und grösseren Anlagen der Limmatstellung. Der Verein Festungswerke der Limmat ist zuständig für die regelmässige Kontrolle und den Unterhalt dieser Festungsanlagen und führt auf Anfrage Führungen für Gruppen durch.[6]

Die Feldstellungen und Unterstände sind grösstenteils, die Laufgräben teilweise noch erhalten, aber meist überwachsen und vergessen. Ehemalige Laufgräben werden heute als Teil des Biketrails befahren. Einzelne Felskavernen werden für Feuerwehrübungen oder zur Datensicherung benützt. Der «Polenweg» existiert noch, ist aber nicht mehr ausgeschildert.

Beim Bau der Kavernen im «Sandloch» Uitikon entdeckte der Geologe Hans Stauber im Februar 1940 zwei Überreste von Riesenschildkrötenpanzern, die vor 15 Millionen Jahren hier gelebt haben. Die spektakulären fossilen Funde aus der oberen Süsswassermolasse Zürichs sind heute im Paläontologischen Museum der Universität Zürich ausgestellt.[7]

Literatur

Einzelnachweise

  1. NZZ vom 27. Mai 2004: Vermächtnis eines Aktivdienstlers - Die Abwehrstellungen am Üetliberg im Zweiten Weltkrieg
  2. Limmatfront – Stadt Zürich im Kriegszustand (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.festungen-zh.ch (PDF; 1,2 MB)
  3. «Wo H a l t e n befohlen ist, macht es sich jeder Kämpfer, auch wenn er auf sich allein angewiesen ist, zur Gewissenspflicht, auf der ihm zugewiesenen Stelle zu kämpfen. (...) Solange ein Mann noch eine Patrone hat oder sich seiner blanken Waffe noch zu bedienen vermag, ergibt er sich nicht.» Armeebefehl vom 15. Mai 1940, Der General: Guisan.
  4. Alt-Zueri: Der Polenweg
  5. Bunker/Unterstände der Limmatstellung im Raum Uetliberg/Urdorf (Memento des Originals vom 14. März 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.unterirdischeschweiz.ch
  6. Militärhistorische Gesellschaft des Kantons Zürich: Anlagen Limmatstellungen (Memento des Originals vom 28. November 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.festungen-zh.ch
  7. Naturforschende Gesellschaft in Zürich (NGZH) 2/2016: Die Riesenschildkröten von Zürich
  8. Militärische Denkmäler im Kanton Zürich, Inventar der Kampf- und Führungsbauten, Bern 2004 (PDF; 2,9 MB)
  9. Limmatstellung: Der Zürcher Bunkerwanderführer
  10. Zürcher Bunkerwanderführer: Online-Version mit interaktiver Karte

Koordinaten: 47° 20′ 59,9″ N, 8° 29′ 28,5″ O; CH1903: 679534 / 244880