Emilie Mayer (Lithographie Eduard Meyer nach einer Zeichnung von Pauline Suhrlandt)

Emilie Luise Friederika Mayer (* 14. Mai 1812 in Friedland (Mecklenburg); † 10. April 1883 in Berlin) war eine deutsche Komponistin. Sie war in ihrer Zeit hochgefeiert und galt weithin als der „weibliche Beethoven“.[1][2]

Emilie Mayer komponierte acht Sinfonien, Konzertouvertüren, ein Klavierkonzert, Kammermusik und Lieder. Ihre Werke sind stilistisch von der Wiener Klassik sowie ab den 1850er Jahren von Beethoven beeinflusst, wobei sie zunehmend eine eigene Tonsprache fand. In den 1860er Jahren komponierte sie überwiegend Kammermusik; besonders in ihren Violinsonaten zeigen sich frühromantische Anklänge. Emilie Mayer gehört zu den bedeutendsten Komponistinnen des 19. Jahrhunderts.[3]

Leben

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Emilie Mayer wurde geboren als viertes Kind des Ratsapothekers August Friedrich Mayer (1777–1840) in dessen zweiter Ehe mit Henrietta Carolina Louisa, geb. Maaß (1790–1814), Postverwalterstochter aus Mirow.[4] Der Vater war nur wenige Jahre zuvor aus Brandenburg nach Mecklenburg zugewandert und hatte 1804 in erster Ehe in eine uralte ostmecklenburgische Apothekerfamilie eingeheiratet.[5] Zwei (Halb-)Brüder von Emilie wurden später Apotheker in Stettin und Halle.[6] Noch nicht dreijährig verlor Emilie ihre Mutter, die nach der Geburt ihres vierten Kindes bald nach dessen Entbindung starb.[7]

Als Fünfjährige erhielt Emilie den ersten Klavierunterricht durch den Friedländer Kantor und Organisten Carl Driver (1774–1840).[8] Von 1841 bis 1847 war sie Schülerin von Carl Loewe in Stettin. In dieser Zeit entstanden einige ihrer ersten Kompositionen, wie z. B. das Singspiel Die Fischerin (1842) und mehrere Lieder, sowie zwischen 1845 und 1847 mehrere Kammermusikwerke und die Sinfonien in c- und e-Moll.[9] Emilie Mayer absolvierte weitere musikalische Studien; auf Empfehlung Carl Loewes hin ab 1847 in Berlin bei Adolf Bernhard Marx und Wilhelm Wieprecht.[10] Sie unternahm Konzertreisen nach Wien, Halle, Hamburg, Pasewalk und Stettin. In Berlin entstanden weitere Kammermusikwerke und Sinfonien, die in zahlreichen Städten aufgeführt wurden.[9] 1860 fand Emilie Mayer zum ersten Mal Erwähnung in einem Lexikon, in Paul Franks Kleinem Tonkünstlerlexikon.[11]

1862 verließ Emilie Mayer Berlin und zog für einige Jahre zu ihrem älteren Halbbruder (Friedrich) August (1804–1878) nach Stettin. Hier komponierte sie mehrere Sonaten für Klavier und Violine sowie Sonaten für Klavier und Violoncello; außerdem bemühte sie sich um die Veröffentlichung weiterer Werke.[9]

Ab 1876 lebte sie wieder in Berlin. Ende 1880 schuf sie ein letztes großes Orchesterwerk, die Ouverture zu Faust op. 46, widmete sich aber auch kleinen Formen. Eine ihrer letzten Kompositionen, das Notturno[12] op. 48(/2), 1883 veröffentlicht, widmete sie Joseph Joachim.[9]

Emilie Mayer blieb unverheiratet. Sie führte in Berlin ein eigenes, offenes Haus und pflegte Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten des gesellschaftlichen und aristokratischen Lebens. Sie zählte zu den bekanntesten und produktivsten Komponistinnen der Zeit der Romantik. Ihre Werke wurden zu Lebzeiten u. a. in Brüssel, Lyon, Budapest, Dessau, Halle, Leipzig und München aufgeführt.[13] Zeitgenössische Berichte, so etwa die der Stettiner Schriftstellerin Marie Silling, schildern sie als „eine lässige Persönlichkeit, die Konventionen nicht unbedingt beachtete, sie war vergesslich, und befestigte deshalb wichtige Gegenstände an ihrer Kleidung, ob Regenschirm oder Brille. E.M. erschien bei festlichen Feiern auch mal ohne Hut – unmöglich für eine Dame – und amüsierte sich über das Entsetzen der Anwesenden.“[14] Auch abseits der Musik war Emilie Mayer kreativ: Mit Weißbrot formte sie um 1840 – lange vor Erfindung der modernen Eat-Art – Skulpturen und Schalen. Diese fanden in Berlin sogar bei Hofe Beachtung und wurden eine Zeitlang in Dresden im Grünen Gewölbe aufbewahrt.[15]

Sie starb in Berlin am 10. April 1883 an einer Lungenentzündung. Ihr Begräbnis fand am 13. April auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof statt.[16]

Grab

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Grabstelle Emilie Mayers, Friedhöfe vor dem Halleschen Tor Berlin

Emilie Mayer wurde auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I im heutigen Berliner Ortsteil Kreuzberg beigesetzt. Lange Zeit galt die genaue Lage des Grabes als vergessen. 2018 gelang es der Pianistin Kyra Steckeweh, dem Filmemacher Tim van Beveren und dem Historiker Jörg Kuhn im Zuge der Recherchen und Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm Komponistinnen (der sich unter anderem mit dem Leben und Wirken Mayers befasst), ihre Grabstelle zu lokalisieren. Am 13. August 2021, ursprünglich für den 14. Mai 2021 geplant und pandemiebedingt verschoben, wurde die Grabstätte, die sich in der Nähe der Gräber von Felix Mendelssohn Bartholdy und Fanny Hensel befindet, durch einen Gedenkstein markiert. Zu diesem Festakt, der von der Mendelssohn-Gesellschaft ausgerichtet wurde, wurden das Streichquartett op. 14 aufgeführt sowie Fanny Hensels Gartenlieder op. 3.[17][18]

Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Emilie Mayer (Grablage: II-W-C-34) seit August 2021 als Ehrengrab des Landes Berlin ausgezeichnet. Diese Würdigung gilt zunächst für die übliche Frist von 20 Jahren, anschließend kann sie verlängert werden.[19]

Werke

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Emilie Mayer hinterließ ein umfangreiches musikalisches Werk. Sie komponierte acht Sinfonien, zwölf Streichquartette, Klavierkammermusik, fünfzehn Konzertouvertüren, Violin- und Cellosonaten, Klavierwerke, ein Singspiel, Lieder und vierstimmige Chöre. Ein eigenes von ihr erstelltes Werkverzeichnis ist nicht überliefert, zahlreiche Kompositionen müssen als verschollen gelten.[20] Emilie Mayers Kompositionen gerieten nach ihrem Tod weitgehend in Vergessenheit und wurden erst ab Mitte der 1980er Jahre durch die Forschung wiederentdeckt.[21] Mehrere Erstveröffentlichungen wurden u. a. vom Furore-Verlag in Kassel, dem Verlag Ries & Erler in Berlin und der Edition Massonneau Schwerin herausgegeben.

Vokalmusik

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Singspiel

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Mehrstimmige Lieder und Gesänge a cappella, Chormusik

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Lieder und Gesänge mit Klavierbegleitung

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Instrumentalmusik

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Orchestermusik

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Kammermusik

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Klaviermusik

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Ehrungen

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Königin Elisabeth von Preußen verlieh ihr einen Orden. In München wurde sie zum Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft ernannt.

Ende 2022 gründete sich im Geburtsort der Komponistin die Emilie Mayer Gesellschaft e. V., unterstützt durch das Land Mecklenburg-Vorpommern.[22]

Film

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Diskografie (Auswahl)

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Siehe auch

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Der weibliche Beethoven. (Memento vom 2. Juli 2020 im Internet Archive) In: ndr.de, 4. Juli 2019; abgerufen am 1. April 2021.
  2. Die in der populärwissenschaftlichen Literatur häufig aufgegriffene Bezeichnung „weiblicher Beethoven“ lässt sich jedoch bisher durch keine Quelle belegen, siehe hierzu den Artikel von Reinhard Wulfhorst: „Emilie Mayer – ein ,weiblicher Beethoven‘?“. In: Emilie-Mayer-Gesellschaft e.V., online: https://emiliemayer.de/Beitraege/ (abgerufen am 4. April 2024).
  3. Almut Runge-Woll: Mayer, Emilie. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 11 (Lesage – Menuhin). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2004, ISBN 3-7618-1121-7, Sp. 1390–1392 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  4. Kirchenbuch Friedland (St. Marien): Geburts- und Taufeintrag Nr. 40/1812. Emilie war, wie der Kirchenbucheintrag ausdrücklich angibt, das zweite Kind aus dieser Ehe.
  5. Erste Ehefrau von Emilies Vater war Friederike Eleonore Dorothea, geb. Strübing, Tochter des Neustrelitzer Kaufmanns Johann Friedrich Strübing. Die Ehe, der noch ein weiteres Kind entstammte, wurde am 14. Januar 1804 in Strelitz geschlossen (Vgl. Kirchenbuch Strelitz: Traueintrag o. Nr.). Die Mutter der Braut war eine Apothekertochter (geb. Pfuhl) aus Penzlin, wo schon deren Vater und Großvater und nach ihnen mehrere ihrer Brüder die Apotheke geführt haben. Ein Bruder der ersten Ehefrau war Apotheker in Pyritz.
  6. Gemeint sind hier sicherlich August Mayer (1804–1878), Emilies Halbbruder aus erster Ehe des Vaters, sowie ihr jüngerer Bruder Wilhelm Mayer (1813–1895). Beide waren zeitweilig Apotheker in Stettin. Wer von beiden später nach Halle (Saale) gegangen ist, war bisher nicht feststellbar.
  7. Jüngstes Kind aus zweiter Ehe des Vaters war Emilies Schwester Henriette Karoline Luise (* 21. August 1814). - Vgl. Kirchenbuch Friedland (St. Marien): Geburts- u. Taufeintrag Nr. 54/1814. Emilies Mutter, Tochter des Posthalters/Postmeisters Joachim Friedrich Maaß in Mirow, starb am 25. August 1814. Geburts- und Taufeinträge von fünf der sechs Mayer-Kinder finden sich stets im Kirchenbuch Friedland (St. Marien).
  8. Petra Schellen: Vergessene Komponistin: Energische Kämpferin für die Musik. In der Romantik war Emilie Mayer Deutschlands berühmteste Komponistin. An ihrer Wiederentdeckung haben mehrere norddeutsche Ensembles mitgewirkt. In: taz. 1. Januar 2023, abgerufen am 3. April 2023.
  9. a b c d Heinz-Mathias Neuwirth: Emilie Mayer. In: Beatrix Borchard (Hrsg.): Musikvermittlung und Genderforschung. Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. (Stand 5. Juli 2012); abgerufen am 9. Mai 2021.
  10. Barbara Beuys: Emilie Mayer. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten). 2021
  11. Vgl. Almut Runge-Woll: Die Komponistin Emilie Mayer (1812–1883). Studien zu Leben und Werk (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XXXVI: Musikwissenschaft. Band 234). Peter Lang, Frankfurt am Main 2003, S. 43.
  12. Vgl. Almut Runge-Woll: Die Komponistin Emilie Mayer (1812–1883). Studien zu Leben und Werk (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XXXVI: Musikwissenschaft. Band 234). Peter Lang, Frankfurt am Main 2003, S. 71.
  13. Eva Rieger: Emilie Mayer. In: Julie Anne Sadie, Rhian Samuel (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Woman Composers. Macmillan, London 1994, ISBN 0-333-51598-6, S. 321.
  14. Emilie Mayer. Leben und Werk. In: Emilie Mayer Gesellschaft e. V. Abgerufen am 8. August 2023.
  15. Vgl. Barbara Beuys: Emilie Mayer. Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche. Dittrich Verlag, Weilerswist 2021, S. 82.
  16. Vgl. Almut Runge-Woll: Die Komponistin Emilie Mayer (1812–1883). Studien zu Leben und Werk (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XXXVI: Musikwissenschaft. Band 234). Peter Lang, Frankfurt am Main 2003, S. 71.
  17. yz/sdm: Aktuelle Meldungen. Spendenaufruf für das wiedergefundene Grab der Komponistin Emilie Mayer. In: evfbs.de, Evangelischer Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, 24. März 2021, abgerufen am 1. April 2021.
  18. Veranstaltungen. Mendelssohn-Gesellschaft Berlin; abgerufen am 9. Mai 2021.
  19. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: August 2021). (PDF, 2,3 MB) Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, S. 50; abgerufen am 15. Oktober 2021. Anerkennung, Verlängerung und Nichtverlängerung von Grabstätten als Ehrengrabstätten des Landes Berlin. (PDF, 196 kB) Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 18/3959 vom 4. August 2021, S. 1 und 7. Abgerufen am 15. Oktober 2021.
  20. Vgl. Almut Runge-Woll: Die Komponistin Emilie Mayer (1812–1883). Studien zu Leben und Werk (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XXXVI: Musikwissenschaft. Band 234). Peter Lang, Frankfurt am Main 2003, S. 45 FN 265.
  21. Vgl. Heinz-Mathias Neuwirth: Emilie Mayer. (Abschnitt Rezeption, Werkverzeichnis). In: Beatrix Borchard (Hrsg.): Musikvermittlung und Genderforschung. Lexikon und multimediale Präsentationen. Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003 ff. (Stand 5. Juli 2012); abgerufen am 8. Mai 2021.
  22. Emilie Mayer Gesellschaft e. V. Abgerufen am 8. September 2023.
  23. Der Film zeigt u. a. auch Stationen der Biografie Emilie Mayers, zudem führt Steckeweh im Rahmen des Films erstmals die nach 150 Jahren wiederentdeckte Klaviersonate d-Moll auf.
  24. Jan Brachmann (FAZ): Komponistin Emilie Mayer. Der weibliche Beethoven. Rezension. In: faz.net, 20. Mai 2022.
Personendaten
NAME Mayer, Emilie
ALTERNATIVNAMEN Mayer, Emilie Luise Friederika (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutsche Komponistin
GEBURTSDATUM 14. Mai 1812
GEBURTSORT Friedland (Mecklenburg)
STERBEDATUM 10. April 1883
STERBEORT Berlin