Dresdner Kreuzchor
Logo des Dresdner Kreuzchores seit 2015
Sitz: Dresden / Deutschland
Gattung: Knabenchor
Leitung: Kreuzkantor Martin Lehmann (2022)
Stimmen: 123 (SATB)
Website: kreuzchor.de
Kreuzchor auf dem Dresdner Theaterplatz, auf dem Sofa Roderich Kreile

Der Dresdner Kreuzchor ist ein weltbekannter Knabenchor aus Dresden mit einer etwa 650-jährigen Tradition. Er zählt nach dem Aachener Domchor, den Regensburger Domspatzen, dem Stadtsingechor zu Halle und dem Leipziger Thomanerchor zu den fünf ältesten Knabenchören Deutschlands und Europas.

Beschreibung

Dem Dresdner Kreuzchor gehören heute 123 aktive Kruzianer[1] – so werden die Chormitglieder genannt – im Alter von 9 bis 19 Jahren an, die als gemischt-stimmiger Knabenchor (Sopran/Alt/Tenor/Bass) musizieren. Die Größe der Besetzung richtet sich nach den jeweils aufzuführenden Werken. Zu Gastspielen reisen durchschnittlich etwa 80 Kruzianer.

Träger des Kreuzchores ist die Stadt Dresden (er ist also kein kirchlicher Chor), wobei die künstlerische Heimstatt des Chores die Kreuzkirche ist. Die Gestaltung der Kirchenmusik für die Vespern und Gottesdienste entspricht seiner ursprünglichen Verpflichtung und bildet zugleich das Fundament seiner künstlerischen Arbeit.

Ein gleichermaßen vielfältiges wie umfassendes Repertoire zeichnet den Chor aus. Es reicht von den frühbarocken Werken des Dresdner Hofkapellmeisters Heinrich Schütz, den Bachschen Passionen, Motetten und Kantaten sowie der Chormusik des 19. Jahrhunderts bis zur Moderne, wie die Uraufführung des Werkes Pilgerfahrten von Chaya Czernowin. Mit zahlreichen Ur- und Erstaufführungen erfährt der Dresdner Kreuzchor immer wieder auch die Beachtung und Anerkennung der Fachkritik und der Öffentlichkeit.

Die gemeinsamen Konzerte mit der Dresdner Philharmonie, der Sächsischen Staatskapelle Dresden oder Spezialensembles für Alte Musik sind fest verwurzelt im Konzertleben der Stadt Dresden.

Regelmäßig wird der Chor zu Fernseh- und Rundfunkaufnahmen verpflichtet. Seit den späten 1950er Jahren produzieren die Kruzianer Tonaufnahmen für angesehene Schallplattenfirmen. Werke aus nahezu allen Epochen der Musikgeschichte wurden seitdem aufgenommen und liegen heute als CDs bei Berlin Classics, Capriccio, Teldec und der Deutschen Grammophon Gesellschaft vor.

Bis zum Abitur erhalten die Kruzianer ihre schulische Ausbildung am Evangelischen Kreuzgymnasium. Jene des ersten Jahrgangs (vierte Klasse) sowie die älteren mit weiteren Heimfahrtswegen wohnen im Alumnat, dem Internat des Chores.

Erfolg und Berühmtheit resultieren nicht allein aus dem spezifischen Klang der Knabenstimmen (auch Kruzianerstimmen genannt), Grundlage dafür sind die tägliche Probenarbeit und ein intensiver Gesangs- und Instrumentalunterricht. Die Synthese zwischen liturgischer Tradition, kontinuierlicher Ausbildung und einer hohen künstlerischen Qualität verhilft dem Ensemble zu weltweiter Ausstrahlung.

Im Jahr 2014 wurde der Dresdner Kreuzchor gemeinsam mit dem Thomanerchor und den Dresdner Kapellknaben vom Land Sachsen für das Immaterielle Kulturerbe nominiert.

Kreuzschule und Dresdner Kreuzchor

Geschichte

Am 6. April 1300 wird erstmals urkundlich ein Dresdner Schulmeister erwähnt. Bei dem Anfang der Schule dürfte es sich um eine Pfarrschule gehandelt haben, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts bis 1380 in die Verwaltung des Dresdner Rates überging. Der Name Kreuzschule hing mit der Lage in der Nähe der ebenfalls um diese Zeit nach an die vermutlich dem Hl. Nikolaus geweihte Kirche gekommene Reliquie vom Kreuz Christi, für die eigens eine Kapelle, die Kreuzkapelle, angebaut wurde.[2] Die Nikolaikirche wurde wiederum erstmals 1319 als Kreuzkirche bezeichnet. Eine wichtige Aufgabe – schriftlich nachweisbar seit 1371 – besteht in der Ausbildung von Chorknaben,[3] welche für liturgische Gesänge benötigt wurden. Darüber hinaus kommen sie bei der Feier von Gottesdiensten zum Einsatz.

Das tatsächliche Alter des Chores ist nicht exakt belegbar. So wurde die 700-Jahr-Feier des Chores im 20. Jahrhundert gleich fünfmal (davon – mindestens – dreimal festlich) begangen: 1916, 1926, 1931, 1937 und 1947.[3] Nach der so bezeichneten 775-Jahr-Feier im Jahr 1991 führte bereits 1992 der Historiker Karlheinz Blaschke aus: „Es ist nur zu hoffen, dass das Kreuzchorjubiläum von 1991 das letzte ist, das sich auf das Jahr 1216 bezieht, da ein solcher Bezug haltlos ist.“[4]

Auf Grund der erstmaligen schriftlichen Erwähnung von 1371, der Tatsache, dass um diese Zeit die Schule in städtische Trägerschaft überging und der erst ab 1390 nachweisbaren endgültigen Umbenennung der Nikolai- in Kreuzkirche, liegt es nahe,[2] das tatsächliche Alter des Chores für 2016 mit etwa 645 Jahren anzunehmen.[3] Die Annahme, dass die erste Erwähnung Dresdens als Stadt (1216) mit einer Gründung oder Ersterwähnung des Kreuzchores identisch sei, ist durch nichts belegt bzw. belegbar;[5] die 775-Jahr-Feier 1991 des Kreuzchores, wie auch dessen 800-Jahr-Feier 2016 basieren insoweit auf einer Belegfiktion.

Handschriftenarchiv

In Depots des Kreuzchors fanden sich historische Handschriften und Drucke und Kopien von Handschriften wieder. Um diese schematisch zu erfassen, zu digitalisieren und der Öffentlichkeit bereitzustellen, gründete sich 2013 das privat betriebene Handschriftenarchiv Dresdner Kreuzchor.

Kreuzkantoren

Kreuzkantoren leiten den Kreuzchor und sind Angestellte der Stadt Dresden in einem besonderen vertraglichen Verhältnis. Mitunter ist der Posten über mehrere Jahrzehnte mit einer Person verbunden, so bei Ernst Julius Otto (Kreuzkantor in den Jahren 1828–1875) und Rudolf Mauersberger (1930–1971).

Kreuzchorvespern

Die jährlich über 20 Kreuzchorvespern am Sonnabend um 17 Uhr verstehen sich als musikalische Andachten und werden regelmäßig von über eintausend Zuhörern besucht. Die aus dem Altarraum erklingende Chormusik wird durch Orgelspiel, das Wort zum Sonntag, Gemeindechoral sowie Gebet und Segen ergänzt.

Im Advent, zu Weihnachten, bei der Christvesper der Kruzianer, Ostern oder Pfingsten warten die Besucher bereits mehrere Stunden in langer Schlange auf dem Altmarkt, um Einlass in die Kirche zu finden. Und für die Kruzianer sind es jährlich neu erlebte Höhepunkte, vor über dreitausend Menschen musizierend die christliche Botschaft zu verkünden.

Gottesdienste

Bis zu 25 Mal im Jahr singen die Kruzianer im Gottesdienst am Sonntagmorgen die Motetten von der Chorempore und stimmen die Wechselgesänge mit einer kleinen Chorgruppe in liturgischer Kurrendetracht im Altarraum an. Als Besonderheit gilt ebenso das Psalmodieren der Epistel und des Evangeliums durch einen Kruzianer.

Konzerte

Die jährlich über zehn Konzerte werden durch das Kirchenjahr bestimmt. Beginnend mit zwei Weihnachtsliederabenden, schließen sich drei Aufführungen der Kantaten 1 bis 3 des Bachschen Weihnachtsoratoriums an, am Jahresbeginn folgen die Kantaten 4 bis 6. Den Gedenktag an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg begeht der Chor mit Werken, die dem mahnenden Anlass dieses Tages entsprechen. In der Karwoche steht die zweimalige Aufführung der Bachschen Matthäuspassion auf dem Programm. In den ersten Sommerwochen erklingt meist ein groß besetztes chorsinfonisches Werk im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele.

Ostermette

Die traditionelle Ostermette des Dresdner Kreuzchores findet seit den 1950er Jahren am Morgen des Ostersonntags statt. Hierin werden nach der Tradition mittelalterlicher Mysterienspiele die biblischen Geschehnisse szenisch dargestellt, begleitet von Musik des früheren Kreuzkantors Rudolf Mauersberger. Seit 2017 wird eine von Peter Kopp bearbeitete Form vorgeführt.

Tourneen, Konzerte und andere Auftritte

Kreuzchor bei einem Auftritt in der Dresdner Kreuzkirche in den 1960er Jahren
Chartplatzierungen
Erklärung der Daten
Alben[6]
Das große Adventskonzert (Das Studioalbum zum Konzert im Stadion)
  DE 59 04.12.2020 (1 Wo.)

Bekannte ehemalige Kruzianer

Vokalgruppen ehemaliger Kruzianer

Preise und Auszeichnungen

Schriftenreihe des Dresdner Kreuzchores

Die Schriften des Dresdner Kreuzchores werden im Auftrag des Dresdner Kreuzchores seit 2014 von Matthias Herrmann im Tectum Verlag Marburg / Baden-Baden mit freundlicher Unterstützung des Fördervereins Dresdner Kreuzchor e. V. herausgegeben.

Filmdokumentation

Literatur

Einzelnachweise

  1. Spielzeitbuch 2016 des Dresdner Kreuzchores
  2. a b Karlheinz Blaschke, Uwe John (Hrsg. im Auftrag der Landeshauptstadt Dresden): Geschichte der Stadt Dresden. Band 1: Von den Anfängen bis zum Dreißigjährigen Krieg. Konrad Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1906-0, S. 205, 235.
  3. a b c Martin Morgenstern: 645 Jahre Kreuzchor – Wie alles begann (Memento vom 15. Dezember 2015 im Webarchiv archive.today).
  4. Karlheinz Blaschke: Kreuzkirche, Kreuzschule und Kreuzchor zu Dresden im Mittelalter. In: Schola crucis, schola lucis? (= Dresdner Hefte – Beiträge zur Kulturgeschichte. Heft 30). 1992, ISBN 3-910055-14-1, S. 5–8, hier S. 6. Im gleichen Heft weitere Nachweise, dass der Kreuzchor nicht 1216 gegründet wurde oder zu diesem Zeitpunkt als bereits existierend anzusehen ist.
  5. Blaschke, wie bereits für 1991 benannt.
  6. Der Dresdner Kreuzchor in den deutschen Charts
  7. Stand 2013 (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today). Archivierte Seite, abgerufen am 6. Dezember 2015.
  8. Juliane Weigt: Dresdner Kreuzchor singt im Dynamo-Stadion. (Memento des Originals vom 20. August 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lvz.de In: Dresdner Neueste Nachrichten, 21. Dezember 2015.
  9. “Das große Adventskonzert” – Album zum Event mit dem Dresdener Kreuzchor, Musicheadquarter, 30. November 2020
  10. COLLEGIUM CANTICUM DRESDEN Maennerstimmen-Doppelquartett. Abgerufen am 21. Dezember 2015.
  11. canta d'elysio. Abgerufen am 3. Januar 2016.
  12. echo | das Dresdner Männerchorensemble. In: www.echo-ensemble.de. Abgerufen am 25. April 2016.
  13. arcanum musicae. In: www.arcanum-musicae.de. Abgerufen am 29. Juli 2017.
  14. Vokalgruppe VIP. In: vip-vokalgruppe.de/. Abgerufen am 29. Juli 2017.
  15. Über uns. In Voce Veritas, archiviert vom Original am 29. Juli 2017; abgerufen am 29. Juli 2017.
  16. Brahms-Preisverleihung 2005. In: brahms-sh.de. Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein, abgerufen am 12. Mai 2021.
  17. Jens Jessen: Nur keine Gedankenfreiheit! Wovor sich der Kreuzchor in China gefürchtet hat. In: Die Zeit. 7. November 2013, S. 49.
  18. Kreuzchor wehrt sich gegen scharfe Kritik (Memento vom 14. Dezember 2013 im Internet Archive), mdr.de, 5. November 2013.
  19. 27 Kulturformen ins deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen., Pressemitteilung der Kultusministerkonferenz, 12. Dezember 2014.