Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für den Divisor als Teiler in der Arithmetik siehe
Division (Mathematik).
Der Begriff des Divisors spielt in der algebraischen Geometrie und der komplexen Analysis eine wichtige Rolle bei der Untersuchung algebraischer Varietäten bzw. komplexer Mannigfaltigkeiten und der darauf definierten Funktionen. Unterschieden werden müssen dabei der Weil-Divisor und der Cartier-Divisor, welche in bestimmten Fällen übereinstimmen.
Ursprünglich kommt dem Divisor im eindimensionalen Fall die Bedeutung zu, die Null- und Polstellenmenge einer rationalen bzw. meromorphen Funktion vorzuschreiben, und es stellt sich die Frage, für welche Divisoren eine solche Realisierung möglich ist, was eng mit der Geometrie der Varietät bzw. Mannigfaltigkeit verknüpft ist.
Sei
ein Gebiet oder eine riemannsche Fläche. Eine Abbildung
heißt Divisor in
, falls ihr Träger
in
abgeschlossen und diskret ist. Die Menge aller Divisoren auf
bildet bezüglich der Addition eine abelsche Gruppe, die mit
bezeichnet wird. Auf dieser Gruppe führt man eine partielle Ordnung ein. Seien
, dann setzt man
, falls
für alle
gilt.
Zu jeder von Null verschiedenen meromorphen Funktion
kann ein Divisor
definiert werden, indem der Divisor jedem Punkt aus
die Null- beziehungsweise die Polstellenordnung zuordnet:
Ein Divisor, der gleich dem Divisor einer meromorphen Funktion ist, heißt Hauptdivisor.
Der weierstraßsche Produktsatz besagt, dass in
jeder Divisor ein Hauptdivisor ist. In einer kompakten, riemannschen Fläche gilt dies jedoch nicht mehr und ist vom Geschlecht der Fläche abhängig. Dies wird im Artikel Satz von Riemann-Roch näher erläutert.
Sei
eine ebene algebraische Kurve. Eine formale Summe
heißt Divisor in
, falls
außer für endlich viele
. Durch punktweise Addition wird die Menge aller Divisoren in
zu einer freien abelschen Gruppe.
Analog zur o. g. Definition definiert man für eine rationale Funktion den Divisor der Funktion. Ein Divisor, der gleich dem Divisor einer rationalen Funktion ist, heißt Hauptdivisor.
Im Falle
ist für einen Divisor die Abbildung
ein Divisor im Sinne der Funktionentheorie. Allerdings gibt es Divisoren im Sinne der Funktionentheorie, die nicht auf diese Weise entstehen, da dort
für unendlich viele
(die allerdings keinen Häufungspunkt haben dürfen) zugelassen ist.
Sei
ein noethersches integres separiertes Schema, regulär in Kodimension 1. Ein Primdivisor
in
ist ein abgeschlossenes ganzes Unter-Schema der Kodimension Eins. Ein Weil-Divisor (nach André Weil) ist dann ein Element der frei erzeugten abelschen Gruppe
der Primdivisoren und wird meistens als formale Summe
geschrieben, wobei nur endlich viele
von Null verschieden sind.
- Ein Weil-Divisor heißt effektiv (oder positiv), wenn
für alle
gilt.
- Ein Weil-Divisor heißt Hauptdivisor, falls er gleich dem Divisor einer von Null verschiedenen rationalen Funktion ist: Sei
eine rationale Funktion auf
, von Null verschieden. Für jeden Primdivisor
in
bezeichne
die Bewertung von
im diskreten Bewertungsring, der zu einem generischen Punkt von
gehört. Die Bewertung ist von der Wahl des generischen Punktes unabhängig. Im eindimensionalen Fall entspricht die Bewertung dem Grad der Null- bzw. Polstelle von
in diesem Punkt.
heißt dann Divisor von
und definiert tatsächlich einen Weil-Divisor, die Summanden sind nur für endlich viele Primdivisoren von Null verschieden.
- Zwei Weil-Divisoren heißen linear äquivalent, falls ihre Differenz ein Hauptdivisor ist. Der Quotient von
bezüglich dieser Äquivalenz ist die Divisorenklassengruppe und wird mit
bezeichnet.
Sei
eine komplexe Mannigfaltigkeit bzw. eine algebraische Varietät und
bezeichne die Garbe der holomorphen bzw. algebraischen Funktionen auf
und
bezeichne die Garbe der meromorphen bzw. rationalen Funktionen auf
. Die Quotienten-Garbe
heißt Garbe der Divisoren, und ein Schnitt in
heißt Cartier-Divisor (nach Pierre Cartier), meist nur als Divisor bezeichnet. Die Menge aller Schnitte
bildet eine abelsche Gruppe.
- Ein Cartier-Divisor heißt Hauptdivisor, falls er im Bild der natürlichen Abbildung
liegt, also der Divisor einer nicht-verschwindenden meromorphen Funktion ist.
- Zwei Cartier-Divisoren heißen linear äquivalent, falls ihr Quotient ein Hauptdivisor ist. Der Quotient bezüglich dieser Äquivalenz wird mit
bezeichnet.
Sei
ein noethersches integres separiertes Schema, dessen lokale Ringe alle faktoriell sind. Dann ist die Gruppe
der Weil-Divisoren auf
isomorph zur Gruppe der Cartier-Divisoren
. Dieser Isomorphismus erhält die Eigenschaft, Hauptdivisor zu sein und führt die Quotientengruppen
und
ineinander über.
- Joseph L. Taylor: Several Complex Variables with Connections to Algebraic Geometry and Lie Groups. American Mathematical Society 2002, ISBN 0-8218-3178-X
- William Fulton: Algebraic Curves. An Introduction to Algebraic Geometry. Mathematics lecture note series, 30. Benjamin/Cummings, New York 1969, ISBN 0-201-51010-3
- Robin Hartshorne: Algebraic Geometry. Springer-Verlag 1977. ISBN 0-387-90244-9
- Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-57052-3