Charlotte Sarcander (um 1950)
Charlotte Sarcander (um 1950)
Charlotte Sarcander nach der Uraufführung ihres Theaterstücks Der Frühling streikt im Frühjahr 1953.
Charlotte Sarcander (in der Mitte) beim Schlussapplaus ihres Theaterstücks Der Frühling streikt im März 1965 (Foto von Heinz Woitag)
Zeitungskritik 1965
Hasenweihnacht (Gedicht von Charlotte Sarcander)
Charlotte Sarcander in Berlin1963
Charlotte Sarcander 1963

Charlotte Sarcander (* 25. Juli 1913 in Berlin; † 9. März 1968 ebenda) war eine deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Lehrerin.[1]

Leben und Wirken

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Charlotte Sarcander hat hauptsächlich Bücher, Gedichte, Geschichten und Theaterstücke für Jugendliche verfasst, die bei verschiedenen Verlagen veröffentlicht wurden.

Das von ihr geschriebene Festspiel Hunderttausend Jahre Wedding – vom Mammutzahn zur Gegenwart, das am 7. Juni 1951 im Freilichttheater Rehberge Premiere hatte, ist ein Beispiel dafür, dass sie nicht ausschließlich für Kinder geschrieben hat. Die Inszenierung lag in den Händen von Fritz Genschow, der zusammen mit Brigitte Mira, Käte Jöken-König und Werner Stock auch selbst auf der Bühne stand.[2] Zum Frühlingsanfang 1953 fand die Premiere ihres Theaterstückes Der Frühling streikt statt, zu Weihnachten 1953 ihr Weihnachtsspiel Pfefferkuchen's Wanderfahrt[3] und 1954 wiederum im Freilichttheater Rehberge ihr Jubiläumsspiel Auf in die Rehberge! (25 Jahre Volkspark Rehberge) mit Musik von Karl Fritz Bolt und Siegfried Protzer.[4] 1956 schrieb sie zusammen mit Fritz Genschow und Rolf Ulrici das Drehbuch zum Film Kalle wird Bürgermeister, der am 20. Januar 1957 im Capitol (Berlin-Dahlem) uraufgeführt wird und beim 1. Internationalen Filmfestival von Gijón 1963 (damals: Kinderfilm- und -fernsehfestival) ausgezeichnet wird.[2][5]

Schon im Jahre 1952 wurde sie für ihre Verdienste um den Bezirk Wedding von Bezirksbürgermeister Walter Röber geehrt.

Charlotte Sarcander studierte in Berlin an der Lehrerbildungsanstalt (1933 umbenannt in Hochschule für Lehrerbildung); ihre Schwerpunkte waren die Fächer Deutsch und Englisch. Gemeinsam mit 2 Freundinnen und 2 Freunden startete sie 1934–1935 mit der Eisenbahn zu drei Wanderfahrten: Weihnachtsfahrt 24.–25. Dezember 1935 nach Eberswalde, Sandkrug, Kloster Chorin; Osterfahrt 21.–22. April 1935 nach Bernau, Ladeburg, Rüdnitz, Lanke; Pfingstfahrt 9.–10. Juni 1955 in die Märkische Schweiz (Strausberg, Hohenstein, Bollersdorf, Buckow). Mit zwei Kollegen (Gertrud Rutkowski, Horst Fröhlich) und einer Sekretärin, mit denen sie später zusammen an der Rehberge-Schule wirkte, unternahm sie vom 29. September bis zum 6. Oktober 1955 eine Autofahrt in den Harz (über Helmstedt und Königslutter nach Bad Harzburg, Altenau, Torfhaus, St. Andreasberg, Braunlage, Bad Lauterberg, Ravensberg, Stöberhai, Bad Sachsa, Walkenried, Zorge, Hohegeiß, Osterode, Clausthal-Zellerfeld, Bad Grund, Wildemann, Hahnenklee-Bockswiese, Goslar). Von all diesen Fahrten fertigte sie Alben mit vielen Gedichten und Liedern an[3], z. B.:

Ein trefflich‘ Ding ist eine Uhr, soweit sie richtig geht. Doch nützt sie einem schließlich nur, wenn man auch nach ihr sieht.
Fragt nur die beiden Mädel da, die liefern den Beweis. „Ne Viertelstund“ erst warten ja die Jungs in Wind und Eis.
Der Zug, der ist inzwischen weg, man weiß nicht, wie‘s geschah. Doch hat ein Bart nun auch kein‘ Zweck, das ist wohl jedem klar!
Daher stürmt man der Züge zweiten, sitzt bald gemütlich drin, und saust durch alle Weiten gen Eberswalde hin.
Von da aus geht's per Beene mit Rucksack und Musik ins Winterland, ins schöne. Und richtiger Schnee hier liegt!

Seit Ende Mai 1945 wirkte Charlotte Sarcander im zerstörten Berlin-Wedding als Lehrerin an der 7. und 8. Volksschule (später 3. Grundschule und ab 1952 Gottfried-Röhl-Grundschule) in der Müllerstraße 48.[6][7] Ab Eröffnung der gerade neu erbauten Rehberge-Schule in Berlin-Wedding im Jahre 1956 war sie dort als Lehrerin (u. a. Englisch) tätig. Durch ihre ausgezeichneten pädagogischen Fähigkeiten und insbesondere durch ihre einfühlsame Art, auf Kinder einzugehen, nahm sie eine Ausnahmestellung ein. Zur Einweihung der Rehberge-Schule wurde ihr Theaterstück Der Frühling streikt von Lehrern (u. a. Gert Müller, Günter Rückert[8], Horst Fröhlich, Heinz Woitag[9], Gertrud Rutkowski) und Schülern gemeinsam aufgeführt. Dasselbe Theaterstück wurde nochmals im März 1965 in der Aula der Rehberge-Schule aufgeführt – diesmal ausschließlich von den Schülern der Rehberge-Schule – 120 Kinder waren beteiligt. Die Hauptrollen wurden von den Sechstklässlern gespielt: Der Frühling (Horst Ziebell), Staatspräsident (Thomas Brunner), Prof. Dr. Dr. Klugius (Rainer Stelle), Prof. A (Joachim Schröder), Prof. B (Hans-Joachim Müller), Prof. C (Rainer Krupke). Die musikalische Leitung hatte bei allen Aufführungen Hannelore Deuckert, die Musiklehrerin (und später auch Rektorin) an der Rehberge-Schule war. Sie hat dazu auch einige Lieder selbst komponiert, z. B. zu Sarcanders Text: „Ach du liebe Zeit, Forscher eingeschneit, kalt die Ohren, kalt die Nasen, frieren wie die Osterhasen. Ach du liebe Zeit, alles ist verschneit.“ Der Frühling streikt erschien zuerst 1953 als Märchen (in Prosa) in dem Buch „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an ...“.[10]

Ihre Jugendbücher hat Charlotte Sarcander immer so gestaltet, dass die Kinder zum Spielen und Singen angeregt werden und darüber hinaus selbst Spiele, Lieder, Stegreifspiele oder kleine Theaterstücke erfinden sollen.[11]

Sie hatte auch eine besondere Affinität zur Musik, denn sie spielte selbst Mandoline und ihre Gedichte wurden vertont von Rudolf Barthel (1908–1978), Gertrud Junge (1908–1994), Otto Longardt, Hannelore Deuckert (* 1923) u. a.[3] Charlotte fing schon als Kind an, ihre Gedichte aufzuschreiben. Überliefert ist, dass sie im Sommer 1927 im Ferienlager „Kinderrepublik Seekamp“ war und dort das Seekamplied (Du und Du) schrieb, das von Rudolf Barthel vertont wurde und in Seekamp 1927 erstmals gesungen wurde.[12][13][14]

Privat

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Charlotte Sarcander wohnte in der Kameruner Str. 47 in Berlin-Wedding. Sie war nie verheiratet und hatte keine Kinder. Deshalb wurde sie – wie damals üblich – von allen mit „Fräulein Sarcander“ angeredet. Aufgrund einer zu spät erkannten Erkrankung wurde sie mit 54 Jahren mitten aus dem Leben gerissen. Bei ihrer Beisetzung bildeten Vertreter des Bezirksamts Wedding, das Lehrerkollegium und ihre vielen Schüler einen langen Trauerzug. Charlotte Sarcander hinterließ ihre jüngere Schwester Alice mit Tochter und Enkelsohn.[3]

Veröffentlichte Texte (Auswahl)

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Vertonte Lieder (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. Auskunft des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) in Berlin vom 11. Februar 2022
  2. a b Sigrid Scherer u. a.: Märchenwelten: Der Schauspieler, Regisseur und Produzent Fritz Genschow. Deutsches Filmmuseum, 2005, S. 53. ISBN 3-88799-073-0
  3. a b c d Nachlass von Charlotte Sarcander (mit u. a. Fotoalben, Geschichten und Gedichten)
  4. Programm Auf in die Rehberge! Eine frohe Wanderfahrt durch drei Jahrhunderte von Charlotte Sarcander, hrsg. vom Bezirksamt Wedding von Berlin, Abteilung für Volksbildung - Schulamt, o. J.
  5. 16mm Film - Kalle wird Bürgermeister - Trailer - BRD 1956. In: YouTube. Abgerufen am 29. Mai 2024.
  6. a b Peter Kruse (Hg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. Perlentaucher - Online Kulturmagazin mit Presseschau, Rezensionen, Feuilleton, abgerufen am 5. Juni 2022.
  7. Rainer Stelle: Interview mit Gudrun Barth, dem Patenkind von Charlotte Sarcander, am 27. Januar 2023
  8. Rainer Stelle: Günter Rückert †, in: Deutscher Tischtennis-Sport (Regionalteil) Nr. 15/78 vom 8. August 1978
  9. Woitag Heinz. In: Amtliches Telefonbuch der Deutschen Bundespost von Berlin West 1988/89. Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Digitale Landesbibliothek Berlin, Telefonbuch Berlin West | Namen | 1954-1991, abgerufen am 29. Juli 2022.
  10. Le: „Der Frühling streikt“, in: Telegraf vom 27. März 1965
  11. a b c d Charlotte Sarcander & Gertrud Junge:Jetzt fängt das schöne Frühjahr an. booklooker, abgerufen am 5. Juni 2022.
  12. Charlotte Sarcander: SEEKAMPLIED „DIE KINDERREPUBLIK“. Freundschaft. Die Zeitschrift für (Rote) Falken. 01–2021. Ausgabe vom 29. Januar 2021, S. 25, abgerufen am 13. August 2022.
  13. Kinderrepublik Seekamp. Geschichtswerkstatt SPD, abgerufen am 20. August 2022.
  14. Sonja Paar: Eine Stele erinnert jetzt an die Kinderrepublik. Tafel vor Gut Seekamp informiert über das selbstverwaltete Sommerlager im Jahr1927. In: Bürgerinitiative Kulturpark Seekamp – Sonst noch – S. 27–31. Kieler Nachrichten vom 17. Dezember 2018, abgerufen am 13. August 2022.
  15. Der Kuckuck : ein Leseheft für die Kleinen. In: dnb.de. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, abgerufen am 29. September 2022.
  16. Charlotte Sarcanden: Lasst der Lauten Saiten klingen - Neue Jugendlieder. In: picclick. Abgerufen am 5. Juni 2022.
  17. Charlotte Sarcander: Überall Sonnenschein. Geschichten und Lieder für kleine und große Kinder. booklooker, abgerufen am 5. Juni 2022.
  18. a b c Kinderland. 1950. BAND 3. Das Jahrbuch Für Kinder In Stadt Und Land. In: biblio.com. Abgerufen am 5. Juni 2022.
  19. Zigeunerweihnacht Perfect Paperback – 1 Jan. 1951 by Charlotte Sarcander (Autor). amazon, abgerufen am 5. Juni 2022.
  20. Hans Wurzel auf Reisen. Eine fröhliche Deutschlandfahrt. ZVAB, abgerufen am 5. Juni 2022.
  21. 1. Mai - Der Tag aller Schaffenden. SPD, abgerufen am 5. Juni 2022.
  22. a b Juliane Brauer: Zeitgefühle - Wie die DDR ihre Zukunft besang - Eine Emotionsgeschichte. books, abgerufen am 13. August 2022.
  23. a b Zeitgefühle - Wie die DDR ihre Zukunft besang - Eine Emotionsgeschichte. transcript verlag, abgerufen am 5. Juni 2022.
  24. a b Hubertus Schendel: www.Deutsches Lied.com. Eine Heimat für das deutsche Lied und Volkslied. In: www.Deutsches Lied.com. Abgerufen am 5. Juni 2022.
Personendaten
NAME Sarcander, Charlotte
KURZBESCHREIBUNG deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Lehrerin
GEBURTSDATUM 25. Juli 1913
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 9. März 1968
STERBEORT Berlin