Das Capriccio sopra la lontananza de il fratro dilettissimo („Capriccio über die Abreise des sehr geschätzten Bruders“) in B-Dur ist ein mehrsätziges Frühwerk für ein Tasteninstrument von Johann Sebastian Bach (BWV 992). Bemerkenswert an der Komposition sind die für Bach untypischen programmatischen Untertitel. Sie weisen auf mögliche Vorbilder hin, nämlich auf Johann Kuhnaus Musicalische Vorstellung einiger Biblischer Historien in 6. Sonaten (1700).[1]

Entstehung

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Das Werk ist sicher vor 1705 entstanden, als Bachs älterer Bruder Johann Christoph es abschrieb. Ein Autograph ist nicht erhalten, daher muss die Datierung sich auf stilistische und außermusikalische Indizien stützen.

Philipp Spitta[2] vermutete Bachs Bruder Johann Jacob (1682–1722), der 1704 als Oboist in die Schwedische Armee ging, als Adressaten des Werks und änderte den Titel entsprechend in ...del suo fratello.... Doch der Bezug auf diesen Anlass gilt heute als äußerst fragwürdig, schon weil Bach auf jede Nachahmung von Kriegsthematik und -symbolik verzichtet.[3] So wurde vermutet, dass Bach im Titel auf seinen Freund Georg Erdmann anspielt, den er wohl selber mit „Bruder“ anredete.[4] Aber auch Bach selber ist als Adressat genannt worden; Entstehungsanlass könnte sein Aufbruch von Ohrdruf nach Lüneburg (1700) oder eher die Abreise von Lüneburg (1702) gewesen sein.[5] Auch in letzterem Fall wäre die Komposition, besonders die abschließende Fuge, ein beachtliches Werk für einen Siebzehnjährigen; diese Fuge übertrifft nicht nur entsprechende Werke der norddeutschen Schule, sondern auch die Schlussfuge von Bachs Kantate 131.[6]

Musikalische Einfälle und quasi improvisatorische Ausarbeitung

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Die Definitionen der Bachzeitgenossen Friedrich Erhard Niedt, Sébastien de Brossard (von Johann Gottfried Walther in die deutsche Enzyklopädik eingebracht) und Johann Mattheson für das Capriccio gleichen sich darin, dass sie die improvisatorischen oder improvisatorisch wirkenden Einfälle, die keiner festen Regel folgenden Formen und die unkonventionelle Verarbeitung des musikalischen Materials in den Vordergrund stellen. Dem entspricht Bachs Capriccio voll und ganz. Hinzu kommen bei ihm die außermusikalischen Vorstellungen, die die Wahl seiner musikalischen Mittel bestimmt haben.[7]

Einzelsätze

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Einzelnachweise

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  1. Werner Breig: Johann Sebastian Bach. In Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, Kassel et altera 1999, Spalte 1499
  2. Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach. 1873, S. 231.
  3. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. 2. Aufl. Frankfurt am Main 2007, S. 82f.
  4. siehe Bachs Brief an Erdmann vom 28. Juli 1726
  5. Siegbert Rampe: Bachs Klavier- und Orgelwerke. Das Handbuch. Teilband I. 2007, ISBN 978-3-89007-458-0, S. 129ff.
  6. Siegbert Rampe: Bachs Klavier- und Orgelwerke. Das Handbuch. Teilband I, 2007, ISBN 978-3-89007-458-0, S. 134.
  7. Rolf Damman. Stuttgart 1984, S. 166f.

Literatur

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