Abstieg Christi in die Unterwelt, Domenico Beccafumi (1530/35)

Der Abstieg Christi in die Unterwelt (lat. Descensus Christi ad inferos), volkstümlich auch Höllenfahrt Christi, bezeichnet die überlieferte christliche Vorstellung, dass Jesus Christus in der Nacht nach seiner Kreuzigung in die Unterwelt hinabgestiegen sei und dort die Seelen der Gerechten seit Adam befreit habe. Hintergrund dieser Vorstellung ist unter anderem die Frage, wo Jesu Christi Seele zwischen Kreuzigung und Auferstehung gewesen sei. Man beruft sich dabei auf die biblischen Aussagen in Epheser 4,9 EU und 1. Petrus 3,19 EU.

Glaubenslehre

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Jesus im Tal der Tränen, Gustave Doré (1883)
Christus im Limbus, Andrea Mantegna (1470–75)
Christus im Limbus, Fra Angelico (1441–1442)

Die Unterwelt wird im griechischen Text des Epheserbriefes (κατέβη εἰς) τὰ κατώτερα [μέρη] τῆς γῆς genannt, wörtlich „(er stieg hinab in) die Untersten [Regionen] der Erde“, in der lateinischen Übersetzung inferiores partes terrae" („die untersten Regionen der Erde“). An anderen Stellen des Neuen Testaments wird die Hölle als Gehenna bezeichnet, welches von dem Begriff für die Unterwelt Hades unterschieden wird. Einige Theologen verwenden Limbus, um den von Christus betretenen Teil der Unterwelt von der Hölle der Verdammten abzugrenzen. Im Apostolischen und Athanasischen Glaubensbekenntnis wird in den lateinischen Worten descendit ad inferos ausgedrückt, was mit „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ oder „herabgestiegen zur Unterwelt“ übersetzt wird.

Schriften der Kirchenväter

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Diese Vorstellung vom Abstieg Christi in die Unterwelt wurde von den Kirchenvätern mit verschiedenen biblischen Aussagen teils in intendiert wörtlicher, teils in allegorischer Deutung in Verbindung gebracht. In der Patristik wurde „der Glaubensartikel vom Abstieg Jesu in das Reich der Toten gegen die Gnosis als eine Glaubenslehre betont“.[1]

In apokryphem Schrifttum, insbesondere in den Pilatusakten (Evangelium Nicodemi), wird der Hinabstieg Jesu in die Unterwelt als Sieg über die Mächte der Unterwelt mit einer Vielzahl von Handlungselementen dramatisch und anschaulich erzählend ausgeschmückt.

Das Motiv fand Eingang in die Liturgie und in die mittelalterliche Jenseitsliteratur, aber auch in die mittelalterlichen Passionsspiele, die den Streit mit den Teufeln zuweilen für breit ausgeführte komische Einlagen (Diablerien) nutzen.

Ostkirche

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Für die Ostkirche gilt der österlich gedeutete Abstieg ins Totenreich als das zentrale Heilsereignis. (KEK I, S. 196)[2] „Dass der Auferstehung (Anastasis) Jesu ein Hinabsteigen (Katabasis) Jesu in das Reich des Todes (Hades) vorausging, ist […] in der östlichen Kirche […] das zentrale Motiv der Oster-Ikone.“

Römisch-katholische Kirche

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„636 Mit ‚hinabgestiegen in das Reich des Todes‘ bekennt das Glaubensbekenntnis, daß Jesus wirklich gestorben ist und durch seinen Tod für uns den Tod und den Teufel besiegt hat, ‚der die Gewalt über den Tod hat‘ (Hebr 2,14 EU).

637 Der tote Christus ist in seiner Seele, die mit seiner göttlichen Person vereint blieb, zum Aufenthaltsort der Toten hinabgestiegen. Er hat den Gerechten, die vor ihm gelebt hatten, die Pforten des Himmels geöffnet.“

In der Neuzeit wird die historisch bedingte Abhängigkeit vom damaligen Weltbild betont (vgl. KEK, s. o.) und gefragt, wie der Glaubensartikel heute zu verstehen ist:

Anastasis; Fresko in der Chorakirche in Istanbul (um 1320)
Christus in der Unterwelt; mittelalterliches Bildschema: Relief aus dem „Nonnenaltar“ der Universitätskirche Rostock, um 1500

Ikonographie

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Der Abstieg Christi in die Unterwelt wurde zu einem der wichtigsten Themen in der christlichen Ikonographie und stellt bis heute in der Ostkirche das zentrale Osterbild dar. Meist sieht man auf solchen Ikonen der Anastasis Christus (zuweilen begleitet von Dismas, dem guten Schächer) auf dem zerbrochenen Tor zur Unterwelt, wie er als Sieger über den Tod Adam und Eva als Erste der Erlösten aus der Unterwelt herausführt. Das Bildthema Christus in der Unterwelt findet sich in der westlichen Kunst fast nur in ausführlichen Bildzyklen des Lebens Christi.

Literatur

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Commons: Abstieg Christi in die Unterwelt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Gerhard Ludwig Müller: Katholische Dogmatik: für Studium und Praxis der Theologie. 6. Auflage. Herder, Freiburg i. Br. 2005, ISBN 3-451-28652-1, S. 306 m.w.N.
  2. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Katholischer Erwachsenenkatechismus. Band 1: Das Glaubensbekenntnis der Kirche. 4. Auflage. Butzon & Bercker, Kevelaer 1989, S. 196 (online).
  3. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Katholischer Erwachsenenkatechismus. Band 1: Das Glaubensbekenntnis der Kirche. 4. Auflage. Butzon & Bercker, Kevelaer 1989, S. 194 (online).
  4. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Katholischer Erwachsenenkatechismus. Band 1: Das Glaubensbekenntnis der Kirche. 4. Auflage. Butzon & Bercker, Kevelaer 1989, S. 195 (online).
  5. Katholische Kirche: Katechismus der Katholischen Kirche. Oldenbourg [u. a.], München [u. a.] 1993, ISBN 3-486-55999-0, Nr. 636 f. (online).
  6. Gerhard Ludwig Müller: Katholische Dogmatik: für Studium und Praxis der Theologie. 6. Auflage. Herder, Freiburg i. Br. 2005, ISBN 3-451-28652-1, S. 306.
  7. Gisbert Greshake: Auferstehung. In: Christian Schütz (Hrsg.): Praktisches Lexikon der Spiritualität. Herder, Freiburg i.Br. u. a. 1992, ISBN 3-451-22614-6, Sp. 78 (80).